Neue Selbständigkeit

Neue Selbständigkeit

Neue Selbständigkeit ist ein seit den 1980er Jahren von unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen identifizierter und seitdem untersuchter arbeitsweltlicher Begriff. Er dient der Beschreibung unterschiedlichster neuartiger Arbeitsformen, die sich durch ihre zunehmende Risikogebundenheit und Gestaltungsautonomie in Abgrenzung zum Normalarbeitsverhältnis der fordistischen Industriegesellschaft, aber auch im Unterschied zur konventionellen selbstständigen Tätigkeit herausgebildet haben.

Formen Neuer Selbständigkeit gründen häufig auf der Entstehung neuartiger Tätigkeitsprofile, die auf persönlichen Wissensbeständen und Fähigkeiten basieren und vergleichsweise geringe Anforderungen an ökonomische und personelle Ressourcen stellen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Die Figur des Neuen Selbständigen

Die Neue Selbständigkeit ist vor allem durch die "domestication" des Arbeitsplatzes gekennzeichnet. Darunter wird nicht nur das Ausüben der Arbeit von Zuhause verstanden, sondern vor allem die Befreiung von Weisungsgebundenheit bei der Arbeitsausführung und ein höherer Freiheitsgrad bei Entscheidungen.[2] Die ungeregelten Arbeitszeiten, die freie Gestaltung des Arbeitsablaufes und die wachsende Rivalität auf dem Arbeitsmarkt sind die Faktoren, welche den Neuen Selbständigen zur Entwicklung von flexiblen Arbeitsmodellen zwingen. Professionalität, Fachkenntnisse, Kreativität und Innovations-und Verwirklichungsfähigkeiten gehören zu den wichtigsten Eigenschaften des Neuen Selbständigen und zu den Grundelementen für den Einstieg in die selbständige Tätigkeit.[3]

Begriffsentwicklung[4]

Der Begriff der Neuen Selbständigkeit wurde in den 80er Jahren durch Gerd Vonderach geprägt und von der Soziologie aufgegriffen, die damit eine soziokulturell und beruflich heterogene Gruppe mit dem Ziel der eigenverantwortlich-alternativ organisierten Arbeit definierte.[5] Mitte der 90er Jahre beschreiben Arbeitsrechtler mit ihm eine Tendenz, Schutzrechte von Arbeitnehmern aufzuweichen und die damit einhergehende Prekarisierung der Erwerbsarbeit. Seit Ende der neunziger Jahre wird der Begriff speziell für die Welle von Selbständigen in der Informationstechnologie und im Multimediabereich, in Beratungsdienstleistungen und Medien verwendet. Allgemeiner wird der Begriff heute "in den Sozial- und Rechtswissenschaften […] für eine neue, vom traditionellen Sozialtypus des Selbstständigen abweichende Arbeits- und Lebensform verwendet, die sich seit Anfang der 90er Jahre als Folge struktureller und organisationaler Veränderungsprozesse etabliert."[6]

Formen

Selbständige Arbeit

  • Formen der Selbständigkeit sind insbesondere die altbekannten Freiberufler, Selbständige und Kleinbetriebe ohne Angestellte. Die neue Selbständigkeit ist geprägt durch Begriffe wie Freier Mitarbeiter (auch: Freelancer), E-Lancer, mehrfach Beschäftigte, Micropreneurs oder Netpreneurs. Diese Gruppen agieren auf dem Markt mit zumindest gelegentlich wechselnden Kunden und sind ökonomisch und organisatorisch weitgehend eigenständig. Kennzeichnend ist die typische Organisation der Arbeit: unter Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien bieten sie projektbezogene Dienstleistungen auf Honorarbasis an.[7]
  • Von Scheinselbständigkeit oder Festen Freien wird gesprochen, wenn Unternehmen bisher arbeitnehmerische Tätigkeiten auf formell Selbständige übertragen (sog. Outsourcing), die Arbeitskräfte aber in weitgehend wirtschaftlich-organisatorischer Abhängigkeit verbleiben. Hintergrund ist personelle und finanzielle Entlastung.

Die unabhängige Arbeit im Unternehmen

Auch in Unternehmen gibt es den Trend, dem Arbeitnehmer die Organisation der Arbeit zu überlassen (sog. lohn- und weisungsabhängige Formen der Arbeit mit erweiterter Autonomie). Diese Formen fallen zwar nicht direkt unter das Profil des Neuen Selbständigen, beide Erscheinungen sind jedoch als Ausdruck einer Entwicklung zu sehen, die sich durch gewählte oder erzwungene Verantwortungsverlagerung auf den "Arbeiter" auszeichnet. Als Hintergrund wird das sog. Transformationstheorem ebenso gesehen wie die Notwendigkeit für Unternehmen, in einem schnellen, nahezu unkontrollierbaren Markt Organisationsprozesse, Strategieentwicklung und Ergebnisverantwortung möglichst auf den untersten Ebenen anzusiedeln und damit von der Unternehmensleitung auf den Mitarbeiter zu übertragen.[8] Mit Transformationtheorem ist die Überführung des Arbeitspotentials in eine konkrete Arbeitsleistung gemeint, die nun verstärkt vom Mitarbeiter selbst vorgenommen werden soll. Leitbild ist der viel zitierte Intrapreneur oder Unternehmer im Unternehmen.

Folgende Formen der selbstständigen Arbeit existieren im Unternehmen:[9] Gruppenbezogene Arbeitsformen wie beispielsweise die Projektorganisation, Formen der zeitlichen und örtlichen Flexibilisierung von Arbeit (Telearbeit, Heimarbeit, Mobilarbeit als zeitweise Arbeit außerhalb des Betriebs, Zeitarbeit, Leiharbeit) und Cost- und Profit-Center-Modelle, die sich an Führungskräfte der mittleren Ebene richten.

Branchen

Die klassischen Branchen neuer Selbstständigkeiten können weitestgehend der Kultur- und Kreativwirtschaft zugerechnet werden. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Musikwirtschaft
  • Buchmarkt
  • Kunstmarkt
  • Filmwirtschaft
  • Rundfunkwirtschaft
  • Markt für darstellende Künste
  • Designwirtschaft
  • Architekturmarkt
  • Pressemarkt
  • Werbemarkt
  • Software-/Games-Industrie

Jedoch kommt es auch in anderen Bereichen wie beispielsweise der ambulanten Pflege oder der Informatik zu einem immer größeren Anteil selbstständiger Arbeitskräfte. Generell wird angenommen, dass sich die Anzahl der Selbstständigen auch in anderen Wirtschaftsbereichen weiter erhöhen wird.

Der Neue Selbständige auf dem Arbeitsmarkt

Abgrenzung zu den klassischen Arbeitsrollen

Der neue Selbständige verortet sich zwischen den klassischen Arbeitsrollen des Unternehmers, des klassischen Selbständigen und des Arbeitnehmers.

  • Mit der Figur des Unternehmers gemeinsam haben die neuen Selbständigen, dass sie in Bezug auf ihr eigenes Arbeitsvermögen und das eingesetzte Kapital unternehmerisch handeln. Sie sind für die Produkt- oder Projektentwicklung und den Erfolg verantwortlich und stehen ständig in einer Kunde-Auftragnehmer-Beziehung.[10]
  • Von der Rolle des „alten“ Selbständigen grenzt der neue Selbständige sich insbesondere durch die verstärkte Vermarktlichung von Arbeits- und Leistungsverhältnissen ab. „Freie Berufe umfassen in der Regel ein eng umrissenes, berufsstrategisch abgeschottetes Feld privilegierter Erwerbstätigkeit als typisches Ergebnis von Professionalisierungsstrategien.“[11] Die neuen Selbständigen sind zwar typischerweise in bestimmten Branchen vertreten, mit ihnen sind aber in keiner Weise klare Berufsprofile oder Privilegien verbunden.
  • Im Gegensatz zum fordistischen Arbeitnehmer bewegt sich der postfordistische Auftragnehmer entweder frei auf dem Markt oder gliedert sich an ein Unternehmen an, das marktliche Strukturen in die Beziehung zum Arbeitenden integriert. Arbeitsinhalt, Arbeitsplatz und Arbeitszeit sind kaum noch vordefiniert oder vorgegeben, abgeglichen wird das Arbeitsergebnis über die Form des Honorars.[12]

Vor- und Nachteile der Neuen Selbständigkeit

Zu den Vorteilen, aufgrund derer die selbstständige Arbeit heutzutage im Vergleich zur Lohnarbeit an Attraktivität gewinnt, zählen:

  • die Entscheidungsfreiheit bei der Wahl des Arbeitsplatzes,
  • ungeregelte Arbeitszeiten,
  • weisungsfreies Ausüben der gewählten Tätigkeiten,
  • autonome Entscheidungsfindung,
  • Harmonisierung des Privat- und Arbeitslebens,
  • reduzierte Fahrzeit und Fahrtkosten.

Die Neue Selbständigkeit hat gegenüber der Lohnarbeit auch Nachteile. Erwähnenswert ist bspw. das große Geschäftsrisiko, das jeder Selbstständige eingehen muss. Die Unsicherheit, gestärkt durch Marktmechanismen und große Konkurrenz, und die Angst vor Verschuldung und Insolvenz sind ständige Begleiter.[13] Schließlich ist der Neue Selbständige weder in das staatliche System der Sozialversicherung eingegliedert noch wird er durch Arbeitsschutz-, Kündigungsschutz- oder Entgeltschutzgesetze erfasst.[14]

Bewältigungsstrategien der Neuen Selbständigen

Soziale Netzwerke

Ein Netzwerk:

  • 1. ist ein sozialer Rahmen, der eine stabilisierende Funktion hat,
  • 2. es bietet sozialen Rückhalt,
  • 3. es lässt einen wirtschaftlichen Gewinn auf lange Sicht erwarten und
  • 4. es nimmt eine Schlüsselfunktion bei der Kundenaquise ein.[15]

Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass ein soziales Netzwerk die Versorgungsfunktion übernimmt.[16] Es kann jedoch als Gegenbewegung zur zunehmenden sozialen Diskontinuität verstanden werden.

Die Akteure leben nicht mehr in einer „langfristigen Ordnung“, sondern müssen sich auf ein „neues Regime kurzfristiger Zeit“ (Drift) einlassen, wollen sie im modernen Kapitalismus bestehen. So weicht diese Deregulierung bestehende institutionelle Muster immer weiter auf und es entstehen netzwerkartige Strukturen, welche weniger schwerfällig als dauerhafte Strukturen sind.[17] Die Konsequenz der Fluidität ist ein Erleben von Widersprüchlichkeiten: einerseits werden neue Gestaltungsspielräume eröffnet, gleichzeitig wird die Selbstbestimmung jedoch von neuen Anspruchsbeziehungen, sozialen Verhaltensnormen und wirtschaftlichen Zwängen begrenzt. Diese neue Form der Arbeitsbeziehung erfordert modifizierte Beziehungs- und Bindungsstile, da der Akteur häufigen Bindungs- und Loslösungsanforderungen (soziale Dimension der Diskontinuität) ausgesetzt ist.[18] Dieser psychische Spagat, den ein Akteur vollbringen muss, erklärt wahrscheinlich die Vorliebe der Neuen Selbständigen für relativ stabile Netzwerkkonstruktionen.

Ein Netzwerk stellt eine Form von Kapital dar: das soziale Kapital. Es ist "abhängig von den direkten und indirekten Beziehungen, die ein Akteur zu anderen Akteuren in einem Netzwerk unterhält."[19] In diesem Zusammenhang spricht Mark Granovetter von der Stärke schwacher Beziehungen. Er nennt das Begriffspaar von strong ties und weak ties. Während die starken Bindungen Solidarität und Vertrauen generieren, sind schwache Bindungen weniger redundant. Sie liefern neue Informationen und sind in der Lage große Lücken zu überbrücken und daher wichtig für Mobilitäts-, Modernisierungs-, Innovations- und Diffusionsprozesse.[20]

Auch die Wissenschaft hat sich mit dem Phänomen der Netzwerke als Sozialkapital beschäftigt. Die Forschung hat eine Menge an unterschiedlichen Modellen hervorgebracht. U.a. knüpfen diese Netzwerkansätze an Arbeiten von Pierre Bourdieu (1983), James Samuel Coleman (1990), Ronald Burt (1992) und Robert Putnam (2000) an. Wie jedes Kapital, kann auch das Sozialkapital in andere Kapitalien, Güter oder Leistungen umgesetzt werden.[21]

Coworking

Sogenannte Coworking-Spaces finden sich bereits in vielen Großstädten. Grundgedanke dieser Gemeinschaftsbüros ist die räumliche Entgrenzung des proprietären Arbeitsplatzdenkens. Aufbauend auf der Idee einer Bürogemeinschaft als soziales Netzwerk, erhofft man sich durch die Arbeit verschiedenster Projekte und Akteure auf engem Raum einen verbesserten Wissenstransfer, Synergieeffekte durch Kooperationen oder die Inkubation neuer Projekte.

Bekannte Coworking-Spaces in Europa sind beispielsweise das Betahaus in Berlin, das Basement in Kopenhagen oder Le Bureau in London.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entstehungsbedingungen

Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, technologische Entwicklung und Unternehmensstrategie

Vier wirtschaftliche Faktoren gelten als entscheidend: die Entwicklung zur Dienstleistungs- und zur Wissensgesellschaft, die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und das sich an komplexe Marktstrukturen anpassende unternehmerische Verhalten.

  • Mit der Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft wächst für Selbständige der Arbeitsmarkt.[22] Zum einen werden sach- oder personenbezogene Dienstleistungen ihrer Natur nach in kleinunternehmerischer oder selbstständiger Form erbracht. Zum andern werden die wachstumsstarken produktionsorientierten Dienstleistungen (Produktindividualisierung, Serviceumfang) häufig ausgelagert.
  • Mit der Wissensgesellschaft ist der Begriff des knowledge workers[23] verbunden, der wie kaum eine andere Figur für die Arbeitsweise des Neuen Selbständigen steht. Einzig angewiesen auf seinen PC als Arbeitsinstrument und Werkzeug der Arbeitsorganisation, kann sein einziges Produkt eine gute Idee sein. Sein Leistungsangebot umfasst meist die Produktion, Verarbeitung, Verteilung und Verwaltung von Informationen.
  • Der technologische Fortschritt hat die Arbeitsorganisation stark verändert.[24] Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und leistungsfähigere Computer ermöglichen selbstständige Tätigkeit, indem sie Arbeitsort und Betriebsstätte zunehmend entkoppeln oder die Anbindung an ein Unternehmen gar obsolet werden lassen. In diesen Zusammenhang fügt sich das Konzept des sog. virtuellen Unternehmens ein, das als solches nur noch eine (virtuelle) Plattform für eine produkt- oder projektbezogene Zusammenarbeit mehrerer Betriebe oder Personen bietet.
  • Durch die auf den immer dynamischer und komplexer werdenden Markt ausgerichteten Unternehmensstrategien der Rationalisierung (Outsourcing) und Flexibilisierung seit den 80er Jahren entstehen Marktchancen für Kleinstunternehmen und Selbständige. Heute ist unternehmerische Wertschöpfung auf ständiges Lernen, Kundennähe und kurze Reaktionszeiten angewiesen: „Um das Ziel der spontanen Adaption zu erreichen, muss die Unternehmensführung den Markt in das Unternehmen hineinlassen und möglichst ungefiltert an die weitestgehend selbstständigen Leistungseinheiten weiterleiten.“[25]. Damit lockern sich die Grenzen zwischen Unternehmen und Umwelt und ermöglichen weit reichende Integration.

Krise der Erwerbsgesellschaft und Wertewandel

Die Krise der Erwerbsgesellschaft wird ebenso als gesellschaftliche Grundlage für die neue Selbständigkeit angesehen wie der Wertewandel von materialistischen zu postmaterialistischen Orientierungen.

  • „Der „Trend zur Selbständigkeit“ entsteht in der Phase der Normalisierung der Massenarbeitslosigkeit… Selbständigkeit erscheint als Chance und Alternative zur unsicheren Arbeitnehmerkarriere bzw. zur Arbeitslosigkeit.“[24] Flexible Arbeitsformen, phasenweise Arbeitslosigkeit und selbstständige und freiberufliche Tätigkeit verdrängen das Normalarbeitsverhältnis. Dieses verliert seine hohe soziale Prägekraft: Sicherung des individuellen Einkommens, Strukturprinzip der Sozialsysteme, Generierung des sozialen Status’ und Grundlage eines gesellschaftlich akzeptierten Wertesystems von Reziprozität und Gerechtigkeit. Der Wunsch nach selbstorganisierter Arbeit wird auch als Bemühen gedeutet, die hohe biographische Bedeutung des Lebensbereichs Beruf zu erhalten.[26] In diesem Zusammenhang sei auch auf die Theorie der Neuen Arbeit nach Frithjof Bergmann hingewiesen.
  • Hauptthese der Vertreter des Wertewandels ist, dass insbesondere die Befriedigung der Grundbedürfnisse zu veränderten Ansprüchen an die Arbeit in Richtung von Selbstbestimmung und Sinnbezug (sog. postmaterialistische Werte) geführt haben. Typischerweise kennzeichnet den Neuen Selbständigen „…weder instrumentelles Lohnarbeitsbewusstsein noch bürokratische oder professionelle Aufgabenidentifizierung, noch säkularisierter Arbeits- und Berufsethos.“[5] Er verwirklicht hohe Freiheitsgrade hinsichtlich Arbeitsinhalten, -organisation und -umfeld. Gleichsam verlangen diese so genannten postkonventionellen Arbeitseinstellungen eine vollständige Individualisierung von Belastungen, Verantwortung und Kompetenzen- also ein starkes Maß an Selbststeuerung, Selbstreflexivität und Selbstregulierung.

Neue Selbstständigkeit und Sozialpolitik

Von sozialpolitischer Bedeutung ist die Neue Selbstständigkeit einerseits aufgrund der häufig unstetigen Einkommensverhältnisse, andererseits aufgrund der hohen beruflichen und sozialen Mobilität der Neuen Selbstständigen, die sich im verhältnismäßig häufigen Wechsel des Erwerbsstatus ausdrückt. Beides hat zur Folge, dass bei der Neuen Selbstständigkeit eine breitere Einkommensstreuung vorliegt, als im Vergleich zu abhängig Beschäftigen und Selbstständigen im klassischen Sinn. Die Einkommensstruktur Neuer Selbstständiger zeichnet sich dabei durch eine hohe Anzahl niedriger und hoher Einkommen aus. Darüber hinaus sind Neue Selbstständige nicht im gleichen Maß in korporatistische Strukturen eingebunden, wie traditionelle Selbstständige (z.B. Handwerkskammer). Generell hat die soziale Heterogenität der Neuen Selbstständigen zur Folge, dass diese über eine geringe bzw. keine zentralisierte Interessenvertretung verfügen. Aufgrund der mit diesen Umständen einhergehenden erhöhten Risiken prekärer Arbeitsverhältnisse, wird es mit steigender Bedeutung der Neuen Selbstständigkeit in Zukunft immer wichtiger, deren sozialpolitische Position zu stärken.[27]

Bezogen auf die Grundpfeiler des deutschen Sozialversicherungssystems, ergibt sich für Selbstständige folgendes Bild. Statt einheitlicher Regeln existiert eine unsystematische Einbeziehung von selbstständigen Minderheitsgruppen in die Sozialversicherungssysteme. Entweder besteht keinerlei Versicherungspflicht wie im Falle der Arbeitslosenversicherung, oder es gibt wie im Falle der gesetzlichen Altersvorsorge für einen Teil der Selbstständigen (Hebammen, Landwirte, Binnenschiffer) obligatorische Sondersysteme. Für die restlichen etwa 75 Prozent besteht keinerlei Versicherungspflicht, wobei es seitens der neuen Regierung Pläne gibt, einen vereinfachten Zugang für Selbstständige zur staatlich geförderten Altersvorsorge zu schaffen.[28] Nur im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wurde mit der Gesundheitsreform der großen Koalition aus dem Jahre 2007, eine für alle Selbstständige geltende Versicherungspflicht eingeführt. Grundsätzlich sind Selbstständige in Deutschland nicht umfassend in die sozialen Sicherungssysteme eingebunden. Dies wirkt sich besonders auf die Gruppe der Neuen Selbstständigen negativ aus, da diese nur über eine schwach ausgeprägte Interessenorganisation verfügen und daher über keine gewichtige Stimme im politischen und gesellschaftlichen Diskurs verfügen.[29]

Verweise

Einzelnachweise

  1. K. Schulze-Buschoff: Neue Selbstständige - Die Entwicklung in Deutschland und in anderen europäischen Ländern., 2007, S. 5.
  2. S. Bologna: Die Zerstörung der Mittelschichten. Thesen zur Neuen Selbständigkeit, 2006, S. 14.
  3. S. Bologna: Die Zerstörung der Mittelschichten. Thesen zur Neuen Selbständigkeit, 2006, S. 31.
  4. A. Gerlmaier: Neue Selbstständigkeit in der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich von Anforderungen und individuellen Ressourcenpotenzialen bei autonom-flexiblen und arbeitsteiligen Arbeitsformen im IT-Bereich., 2002, S. 58ff.
  5. a b G. Vonderach: Die Neuen Selbstständigen: 10 Thesen zur Soziologie eines unvermuteten Phänomens In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung., Jg. 13, 1980, S. 161.
  6. A. Gerlmaier: Neue Selbstständigkeit in der Informationsgesellschaft. Ein Vergleich von Anforderungen und individuellen Ressourcenpotenzialen bei autonom-flexiblen und arbeitsteiligen Arbeitsformen im IT-Bereich., 2002, S. 62.
  7. G. Voß/ H. Pongratz: Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft?, 1998, S. 7f.
  8. H. Bullinger et.al.: Neue Organisationsformen im Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management., 2003, S. 87ff.
  9. G. Voß/ H. Pongratz: Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft?, 1998, S. 6.
  10. S. Bologna: Die Zerstörung der Mittelschichten. Thesen zur Neuen Selbständigkeit., 2006, S.9-45.
  11. G. Voß/ H. Pongratz: Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft?, 1998, S. 19.
  12. S. Bologna: Die Zerstörung der Mittelschichten. Thesen zur Neuen Selbständigkeit., 2006, S.9-45.
  13. S. Bologna: Die Zerstörung der Mittelschichten. Thesen zur Neuen Selbständigkeit, 2006, S. 38.
  14. H. Otto: Einführung in das Arbeitsrecht. 1997, Gruyter: Berlin, New York, S. 34.
  15. M. Wolf; M. Kastner: Beanspruchungen durch Brüche und Lücken in diskontinuierlichen Erwerbsverläufen: Transitionskompetenzen als Bewältigungsressource. Ergebnisse aus den Untersuchungen im Rahmen des Projektes VICO (virtueller Qualifizierungscoach). In: H. Neuendorff/ B. Ott (Hg.): Neue Erwerbsbiografien und berufsbiografische Diskontinuität. Identitäts- und Kompetenzentwicklung in entgrenzten Arbeitsformen., 2006, S. 101-133.
  16. M. Wolf; M. Kastner: Beanspruchungen durch Brüche und Lücken in diskontinuierlichen Erwerbsverläufen: Transitionskompetenzen als Bewältigungsressource. Ergebnisse aus den Untersuchungen im Rahmen des Projektes VICO (virtueller Qualifizierungscoach). In: H. Neuendorff/ B. Ott (Hg.): Neue Erwerbsbiografien und berufsbiografische Diskontinuität. Identitäts- und Kompetenzentwicklung in entgrenzten Arbeitsformen., 2006, S. 125.
  17. H. Keupp: Patchworkidentität – Riskante Chancen bei prekären Ressourcen. In: Neuendorff, Hartmut/ Ott, Bernd (Hg.): Neue Erwerbsbiografien und berufsbiografische Diskontinuität. Identitäts- und Kompetenzentwicklung in entgrenzten Arbeitsformen., 2006, S. 9.
  18. M. Wolf; M. Kastner: Beanspruchungen durch Brüche und Lücken in diskontinuierlichen Erwerbsverläufen: Transitionskompetenzen als Bewältigungsressource. Ergebnisse aus den Untersuchungen im Rahmen des Projektes VICO (virtueller Qualifizierungscoach). In: H. Neuendorff/ B. Ott (Hg.): Neue Erwerbsbiografien und berufsbiografische Diskontinuität. Identitäts- und Kompetenzentwicklung in entgrenzten Arbeitsformen., 2006, S. 114f.
  19. D. Jansen: Netzwerke und soziales Kapital. Methoden zur Analyse struktureller Einbettung. In: J. Weyer (Hrsg.), unter Mitw. von J. Abel et al.: Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung., 2000, S. 37.
  20. D. Jansen: Netzwerke und soziales Kapital. Methoden zur Analyse struktureller Einbettung. In: J. Weyer (Hrsg.), unter Mitw. von J. Abel et al.: Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung., 2000, S. 35ff.
  21. D. Jansen: Netzwerke und soziales Kapital. Methoden zur Analyse struktureller Einbettung. In: J. Weyer (Hrsg.), unter Mitw. von J. Abel et al.: Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung., 2000, S. 37ff.
  22. H. Bullinger et.al.: Neue Organisationsformen im Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management., 2003, S. 158-168.
  23. S. Bologna: Die Zerstörung der Mittelschichten. Thesen zur Neuen Selbständigkeit., 2006, S. 97f.
  24. a b H. Uske: Werden wir alle Unternehmer? In: DISS-Journal. Zeitung des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung. Nr. 17, 2008, S. 9.
  25. H. Bullinger et.al.: Neue Organisationsformen im Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management., 2003, S. 91.
  26. E. Senghaas-Knobloch: Von der Arbeits- zur Tätigkeitsgesellschaft? Zu einer aktuellen Debatte. In: Arbeit. Nr. 2, Jg. 8, 1999, S. 117-127.
  27. K. Schulze-Buschoff: Neue Selbstständige - Die Entwicklung in Deutschland und in anderen europäischen Ländern., 2007, S. 7 ff.
  28. Koalitionsverhandlungen: Baustelle Sozialpolitik - Weitere Meldungen - FOCUS Online
  29. K. Schulze-Buschoff: Neue Selbstständige - Die Entwicklung in Deutschland und in anderen europäischen Ländern., 2007, S. 15 ff.

Literatur

  • Bologna, Sergio (2006). Die Zerstörung der Mittelschichten: Thesen zur Neuen Selbstständigkeit. Nausner & Nausner Verlag: Graz/Wien.
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  • Bullinger, Hans-Jörg et. al (Hrsg.) (2003). Neue Organisationsformen im Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management. Springer-Verlag: Berlin/Heidelberg.
  • Fritsch, Michael (1999). Innovation, Kooperation und Region – Elemente vernetzten Wirtschaftens. In: Dieter Bögenhold (Hrsg.): Unternehmensgründung und Dezentralität. Renaissance der beruflichen Selbständigkeit in Europa? Westdeutscher Verlag: Opladen; Wiesbaden, S. 159-172.
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  • Vonderach, Gerd (1980). "Die Neuen Selbstständigen: 10 Thesen zur Soziologie eines unvermuteten Phänomens". in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. 13. Jg/1980, Nürnberg.
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  • Wolf, Mia; Kastner, Michael (2006). Beanspruchungen durch Brüche und Lücken in diskontinuierlichen Erwerbsverläufen: Transitionskompetenzen als Bewältigungsressource. Ergebnisse aus den Untersuchungen im Rahmen des Projektes VICO (virtueller Qualifizierungscoach). In: Neuendorff, Hartmut/ Ott, Bernd (Hg.): Neue Erwerbsbiografien und berufsbiografische Diskontinuität. Identitäts- und Kompetenzentwicklung in entgrenzten Arbeitsformen. Schneider Verl. Hohengehren: Baltmannsweiler, S. 101-133.

Weblinks


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