Chet Baker

Chet Baker
Chet Baker (rechts) mit Stan Getz (1983)

Chet Baker, mit bürgerlichem Namen Chesney Henry Baker Jr. (* 23. Dezember 1929 in Yale, Oklahoma; † 13. Mai 1988 in Amsterdam) war ein US-amerikanischer Jazzmusiker (Trompeter, Flügelhornist, Sänger und Komponist).

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Chet-Baker-Gedenktafel in Amsterdam
Burghausen Street of Fame Gedenktafel

Im Alter von zehn Jahren erhält er von seinem Vater, selber Musiker und Bewunderer Jack Teagardens, eine Zugposaune. Der junge Chet, fasziniert von Harry James, tauscht sie gegen eine Trompete ein. Innerhalb kürzester Zeit kann der junge Autodidakt einfache Swing-Melodien nachspielen und lernt nebenbei spielend leicht das Improvisieren. Seine Ohren sollen ihn (ein Leben lang) schwierigste harmonische Zusammenhänge aus dem Bebop schnellstens erfassen lassen. Er wird nie besonders gut Noten lesen können - bis auf Akkordsymbole, die er stets trickreich, aber melodisch umspielt. Baker wird zeit seines Lebens vermutlich deshalb nur wenig komponieren.

Zunächst spielt er im Schulorchester, sodann bei öffentlichen Tanzveranstaltungen. 1946 meldet er sich zum Militär und fliegt mit der 298sten Army Band nach Berlin. 1948 wird er ausgemustert und studiert Harmonie, abends spielt er in Clubs. Ein zweiter Anlauf beim Militär 1950 endet mit vorzeitiger Entlassung wegen psychischer Untauglichkeit.

Chet Baker, 1983

Wieder in Los Angeles wird er innerhalb kürzester Zeit Trompeter in Charlie Parkers Band, der gerade erwägt, sich an der Westküste niederzulassen; darüber, wie es zu diesem Engagement kommt, gibt es eine Reihe von Legenden, die zum Teil von Baker selbst verbreitet wurden. So soll Parker zu Miles Davis über Baker gesagt haben: "There's a young cat on the West Coast who's gonna eat you up" (übersetzt etwa: Es gibt da einen Jungen an der Westküste, der Dir ganz schön zusetzen wird). Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Parker Bakers Musikalität erkannte und unterstützte, so wie er bereits Jahre zuvor Miles Davis' Talent gefördert hatte.

Berühmt wird Baker als Trompeter im klavierlosen Quartett von Gerry Mulligan. Die 1952 auf Fantasy Records veröffentlichte Single My Funny Valentine wird zu einem Hit und ist fortan eine Art Signatur für Baker, die er in unzähligen Variationen bis zu seinem Lebensende immer wieder spielen wird. Baker wird, auch aufgrund seiner Assoziation mit Mulligan, der neben Lennie Tristano als federführende Figur des Cool Jazz gilt, oft als Vertreter dieser Stilrichtung bezeichnet; seine Aufnahmen beweisen jedoch seine große Wandlungsfähigkeit in vielen Stilgebieten des Jazz.

Als Mulligan wegen eines Drogenvergehens im Frühjahr 1953 ins Gefängnis muss, gründet Baker mit dem Pianisten Russ Freeman ein eigenes Quartett. Protegiert vom Besitzer der Plattenfirma Pacific Jazz, Richard "Dick" Bock, der in Baker eine Geldquelle wittert, entstehen unzählige Aufnahmen von unterschiedlichster Qualität. Baker wird - vom Fotografen William Claxton perfekt in Szene gesetzt dank seines Aussehens und seiner Ähnlichkeit mit James Dean - zum Superstar und schlägt in Umfragen Jazzgrößen wie Dizzy Gillespie, Miles Davis und Clifford Brown. Ungefähr zu jener Zeit beginnt Bakers Abhängigkeit von Heroin, die bis zu seinem Tod dauern sollte.

Im Jahr 1955 verlässt Freeman das Quartett, weil er sich von lauter Heroinabhängigen umgeben sieht. Baker heuert den begabten, aber ebenso heroinsüchtigen Pianisten Dick Twardzik an und fährt auf Tournee nach Europa. Für Eddie Barclay spielt Baker in Paris eine Reihe von hervorragenden Aufnahmen ein; die Erfolge werden jedoch vom Tod Twardziks an einer Heroin-Überdosis im Oktober 1955 überschattet.

1956 kehrt Baker in die USA zurück; nach einigen weiteren Aufnahmen für Pacific Jazz, darunter sehr gute Sessions mit Art Pepper und erneut mit Russ Freeman, wechselt er zum Label Riverside, für das er drei Platten aufnimmt. Nach einer Festnahme wegen Drogenbesitzes 1959 geht Baker nach Italien, doch auch dort wird er wegen Fälschung von Arzneirezepten verhaftet und verbringt fast zwei Jahre im Gefängnis. Unmittelbar nach seiner Entlassung entsteht im Jahr 1962, noch auf Drogenentzug, für RCA Italia eine seiner bis dahin besten Platten, Chet Is Back!. Doch noch bevor die Platte in die Geschäfte kommt, verfällt Baker erneut seiner Sucht.

Baker wechselt nun von der Trompete zum Flügelhorn, angeblich, weil ihm seine Trompete in Paris gestohlen wurde; zunehmende Probleme mit Zähnen und Kiefer dürften aber eher ausschlaggebend gewesen sein. 1964 wird er zum zweiten Mal in Deutschland wegen Drogenvergehens verhaftet, um dann "endgültig" in die USA ausgewiesen zu werden.

Dort entstehen im Jahr 1965 mit dem Saxophonisten George Coleman recht vielversprechende Hardbop-Aufnahmen für das Label Prestige, die im Laufe der nächsten beiden Jahre auf fünf LPs veröffentlicht werden. Danach nimmt Baker für Dick Bocks neues Label World Pacific vor allem kommerzielle Easy Listening- und Mariachi-Platten auf, mit denen leichter Geld zu verdienen ist als mit Jazz, und die mit seinen Kieferproblemen auch einfacher einzuspielen sind.

Im Sommer 1966 wird er in San Francisco Opfer einer Schlägerei, bei der seine Zähne weiter beschädigt werden; über das genaue Ausmaß der Verletzung gibt es nur Legenden, sie reichen von "Stück eines Vorderzahns verloren" bis "Unterkiefer gebrochen". Letzteres ist allerdings sehr unwahrscheinlich, denn Baker nimmt noch bis Ende 1967 Platten auf, bei denen keine Behinderung zu hören ist. In weiterer Folge nehmen die Zahn- und Kieferprobleme jedoch so weit zu, dass sich Baker alle Zähne ziehen und eine Zahnprothese anfertigen lässt -- für einen Trompeter eine Katastrophe. Er zieht sich ins Haus seiner Familie zurück und beginnt eine Methadonkur, um vom Heroin loszukommen. Der Legende nach arbeitet Baker drei Jahre lang (belegt sind nur vier Wochen) an einer Tankstelle und erlernt langsam wieder die Trompete. Nach einigen denkwürdigen Aufnahmen Ende der 60er Jahre schafft er schließlich mit Hilfe von Dizzy Gillespie das Comeback. Zwischen 1974 und 1977 entsteht eine Reihe von engagierten und mehr oder weniger zeitgemäßen Aufnahmen, darunter einige mit Paul Desmond und eine Wiederbegegnung mit Gerry Mulligan, an der der noch junge Gitarrist John Scofield teilnimmt.

1978 zieht es Baker wieder nach Europa; Ende des Jahres setzt er das Methadon ab und ist wieder auf Heroin. Es folgt ein unstetes Leben mit häufig wechselnden Wohnorten, Musikpartnern und sehr vielen Plattenaufnahmen bei verschiedenen Labels, darunter allerdings viele seiner absolut besten Aufnahmen. Besondere Erwähnung verdienen das Quartett mit Phil Markowitz und Jeff Brillinger sowie das Trio mit Philip Catherine und Jean-Louis Rassinfosse. In Amerika vergessen, erlebt Baker in Europa einen unglaublichen Popularitätsschub und verdient besser als je zuvor in seiner Karriere. Auch sein Trompetenspiel entwickelt größeren Nuancenreichtum und tiefere Intimität, und Baker schafft es immer wieder, eine unvergleichliche Emotionalität auszustrahlen.

Ein Glanzpunkt ist die Japantournee 1987 mit Harold Danko, Hein van de Geyn und John Engels, bei der (wieder unter Methadon, da Baker Angst vor den strengen japanischen Drogengesetzen hat) das Live-Album Chet Baker in Tokyo entsteht, das von Kritikern oft als seine beste Platte überhaupt bezeichnet wird.

Bakers Drogensucht wird allerdings immer stärker. Er beginnt, Heroin, Kokain und Amphetamine zu mischen (diese Vorgehensweise wird unter Junkies „Speedball“ genannt). Am Freitag, dem 13. Mai 1988 fällt Chet Baker angeblich aus dem Fenster seines Zimmers im Prins Hendrik Hotel in Amsterdam. Er ist sofort tot. Auch um seinen Tod rankt sich eine Reihe von Legenden, wie jene, ein Drogendealer habe ihn aus dem Fenster gestoßen; dafür gibt es allerdings keine Beweise. Wahrscheinlicher ist, dass er im Drogenrausch das Gleichgewicht verlor und deshalb gestürzt ist. Seinem letzten Pianisten Michel Graillier zufolge soll Baker des Hotels verwiesen worden sein. Weil er sein Instrument vergessen hatte, sei er aus Stolz die Regenrinne hochgeklettert und dabei abgestürzt.

Zwei Wochen vor seinem Tod nahm Baker das Last Great Concert mit der NDR Bigband und dem Rundfunkorchester Hannover auf.

Chet Baker wurde auf dem Inglewood Park Cemetery in Los Angeles beigesetzt.

Diskographische Hinweise (Auswahl)

  • 1952–53 The Original Chet Baker & Gerry Mulligan Quartet: Complete Recordings (Definitive, 4CD)
  • 1952 Complete 1952 Fantasy & Pacific Jazz Sessions (Definitive, 2002)
  • 1954 Jazz at Ann Arbor (Pacific Jazz)
  • 1954 Chet Baker & Strings (Columbia/Sony) (auch unter dem Titel Love Walked In veröffentlicht)
  • 1955 Sings & Plays with Bud Shank, Russ Freeman and Strings (Pacific Jazz/EMI)
  • 1955 Chet Baker Quartet Featuring Dick Twardzik (Barclay/Universal)
  • 1956 Quartet: Russ Freeman & Chet Baker (Pacific Jazz/EMI)
  • 1956 Chet Baker & Art Pepper - Playboys (Pacific Jazz/EMI) (auch unter dem Titel Picture of Heath veröffentlicht)
  • 1959 Chet (Riverside/OJC)
  • 1962 Chet Is Back! (RCA/BMG) (auch unter den Titeln The Italian Sessions und Somewhere Over the Rainbow veröffentlicht)
  • 1967 Boppin’ with the Chet Baker Quintet (Prestige/OJC)
  • 1974 She Was Too Good to Me (CTI/Sony)
  • 1975 Jim Hall - Concierto (CTI/Sony)
  • 1977 The best thing for you (A&M)
  • 1978 Broken Wing (Sonopresse/Universal)
  • 1978 Live at Nick’s (Criss Cross)
  • 1979 The Touch of Your Lips (SteepleChase)
  • 1982 Peace (Enja)
  • 1985 Chet Baker & Paul Bley - Diane (SteepleChase)
  • 1985 Chet’s Choice (Criss Cross)
  • 1986 As Time Goes By (Timeless)
  • 1986 Chet In Chicago (Enja)
  • 1987 Chet Baker in Tokyo (King/Evidence, 2CD)
  • 1988 The Last Great Concert: My Favorite Songs Vol. I & II (Enja, 2CD')

Dokumentarfilme

  • Chet’s Romance (1988), Regie Bertrand Fèvre: Preisgekrönter Kurzfilm mit Interviews.
  • Let’s Get Lost (1988), Regie Bruce Weber: Ein filmisches Porträt, mit Interviews mit Chet, Familienmitgliedern und wenigen Musikern (sowie William Claxton, Richard Bock), Konzert- und diversen Spielfilmausschnitten.
  • Chet Baker - The Last Days (1990): Holländische Dokumentation mit Interviews und Konzertmitschnitten.
  • Chet Baker - Live In ’64 & ’79 (2006): Eine Belgische Fernsehproduktion von 1964 und ein Norwegischer Konzertmitschnitt von 1979 inkl. Interview, veröffentlicht auf "Jazzicons".

Weblinks


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