Gerry Mulligan

Gerry Mulligan
Gerry Mulligan in den 1980er Jahren.
Fotografie von William P. Gottlieb.

Gerald Joseph „Gerry“ Mulligan (* 6. April 1927 in Queens, New York City; † 20. Januar 1996 in Darien (Connecticut)) war ein US–amerikanischer Jazzmusiker (Baritonsaxophon), Arrangeur und Komponist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Mulligan wurde als jüngster von vier Söhnen in Queens geboren, zog aber mit der Familie (der Vater war Ingenieur) häufig um. Er lernte und spielte Ende der 30er Jahre in Schul-Orchestern Klarinette und Tenorsaxophon, außerdem spielte er Klavier. Zum Baritonsaxophon fand er erst 1947 in New York, wohin er 1946 gezogen war. 1943 spielte er mit Charlie Parker und Dizzy Gillespie Tenorsaxophon, als diese Philadelphia besuchten, wo Mulligan für die Band von Elliot Lawrence arrangierte. Er arrangierte danach 1944 zunächst für Tommy Tucker und war ab 1946 Mitglied in der Band von Gene Krupa (dem er mit „Disc Jockey Jump“ zu einem kommerziellen Erfolg verhalf), dann bei Claude Thornhill. Er nahm zwischen 1948 und 1950 an einigen zentralen Aufnahmen des New Yorker Cool Jazz teil (insbesondere mit dem Capitol Orchestra von Miles Davis, wo er auch für die Hälfte der Stücke der Birth of the Cool-Aufnahmen die Arrangements lieferte), blieb aber ein randständiger Musiker. Anerkennung fand er vor allem als Arrangeur bei Stan Kenton, aber auch bei Kai Winding.

Drogenprobleme

Aufgrund von Drogenproblemen versuchte er 1951 einen Neuanfang in Kalifornien, wo er — als Komponist, Arrangeur und Bandleader — zentrale Impulse für die Herausbildung des West Coast Jazz lieferte. 1951 entstand auch seine erste Platte als Leader (Mulligan plays Mulligan). Sein Spiel mit dem Trompeter Chet Baker im The Haig in Los Angeles 1951/52 machte ihn besonders bei den Studenten populär. 1953 gründet er ein klavierloses Quartett mit Baker (mit unterschiedlichen Rhythmusgruppen, z. B. mit den Bassisten Bob Whitlock bzw. Carson Smith und den Drummern Chico Hamilton oder Larry Bunker), dem zeitweise auch das Altsaxophon von Lee Konitz hinzugefügt wurde. Anders als im Bebop und im Cool Jazz üblich, verwendeten sie ein wesentlich einfacheres melodisches Material. Wie die Themen waren auch die Improvisationen Mulligans und Bakers von einer unüblichen schlichten Sanglichkeit und Eingängigkeit — ohne einen intellektuellen Anspruch aufzugeben. Neuartig war auch eine unakademische kontrapunktische Linienführung nicht alleine bei der Vorstellung und Wiederholung des Themas, sondern auch in den Chorussen der Solisten. Im Jahr 1953 war er wieder wegen Drogen inhaftiert.

Späte Karriere

Gerry Mulligan 1972 (Foto: Heinrich Klaffs)

Als Baker, inzwischen bei Pacific Jazz zum Star aufgebaut, nach seiner Rückkehr eine Gagenerhöhung wollte, trennte sich Mulligan von ihm und ersetzte ihn durch Bob Brookmeyer, später auch durch Jon Eardley und Art Farmer. 1954 hatten sie Erfolge im Pleyel-Saal in Paris, zu hören auf dem Vogue-Album Pleyel Concert, und auf dem ersten Newport Jazz Festival (Jam Session mit Eddie Condon). Auch später trat er regelmäßig auf dem Newport Jazz Festival auf, so 1957 und 1958, wo er im Dokumentarfilm Jazz an einem Sommerabend zu sehen ist. 1955 und 1956 macht er aus dem Quartett ein Sextett (mit Brookmeyer und Zoot Sims), mit dem er 1955 erfolgreiche Italien- und Frankreich-Tourneen unternimmt.

Ab Ende der 1950er Jahre schrieb er Filmmusik, zunächst für den Oscar-gekrönten Film „Laßt mich leben“ (I want to live, 1958, Regie Robert Wise, mit Susan Hayward), und nahm eine Serie von „Gerry Mulligan meets“-Platten auf, unter denen die mit Ben Webster (1959) besonders zu erwähnen ist. 1960 gründete Mulligan seine 13köpfige Gerry Mulligan Concert Jazz Band, die auf Platten (bei Verve) und live erfolgreich zur führenden Big Band der frühen 1960er Jahre wurde; nicht zuletzt dank der außergewöhnlich raffinierten und ästhetischen Kompositionen eines Gary McFarland. 1965 führt er mit Stan Kenton die von ihm komponierte Music for Bar Sax and Orchestra auf. Im Quartett von Dave Brubeck trat er 1970 bei den Berliner Jazztagen auf, nachdem er mit ihm vorher 1968/69 auf Europa-Tour gewesen war (mit Brubecks Altsaxophonist Paul Desmond hatte er schon 1957 aufgenommen). Er arbeitete auch mit Stan Getz, Thelonious Monk, John Coltrane, Jim Hall, Mel Torme und Nina Simone zusammen.

In den 70ern und 80ern spielte er unter anderem mit Astor Piazzolla Tango Nuevo auf dem Album Summit, gastierte 1972 bei Charles Mingus and Friends in Concert, tourte viel in Europa und den USA und wurde als zeitloser Klassiker anerkannt, z. B. untermalte er 1988 mit seinen Bariton-Linien die Präsentation von Yves Saint Laurents Parfum „Jazz“. 1971 komponiert er The Age of Steam für Bigbands. 1974 kam es zu einem erneuten Zusammentreffen mit Baker in der Carnegie Hall. Im selben Jahr zog er nach Italien.

Das Baritonsaxophon, das mit seiner eher schwerfälligen, dunklen Klangfarbe bis dahin nicht als Soloinstrument anerkannt war, spielte Mulligan mit zuvor nicht gehörter Eleganz und Leichtigkeit. Im Jahr 1994 wurde er in die Down-Beat-„Hall Of Fame“ aufgenommen.

Mulligan hatte mit seiner ersten Ehefrau Arlyn Brown einen Sohn (* 1957). Ab 1959 lebte er mit der Schauspielerin Judy Holliday (die auch mit seiner Band Anfang der 1960er Jahre als Sängerin auftrat), die aber 1965 starb. Danach war er mit der Schauspielerin Sandy Dennis zusammen[1] und heiratete nach ihrer Trennung 1976 seine letzte Ehefrau Franca. Er starb 1996 aufgrund eines Infekts nach einer Knieoperation.

Diskografie

  • The Gerry Mulligan Quartet/Gerry Mulligan with the Chubby Jackson Big Band (1950-52)
  • Historically Speaking (1951)
  • The Original Quartet With Chet Baker - (1952-3)
  • Konitz Meets Mulligan (1953) - mit Chet Baker
  • At Storyville (1956) - Quartet, live in Boston
  • Reunion with Chet Baker (1957)
  • Blues in Time (1957) - Quartet mit Paul Desmond, auch veröffentlicht als CD unter dem Titel Gerry Mulligan/Paul Desmond Quartet
  • Getz Meets Mulligan in Hi-Fi (1957) mit Stan Getz
  • Jazz Giants '58 (1958, Verve)
  • What Is There To Say? (1958) mit Art Farmer
  • Gerry Mulligan Meets Ben Webster (1959)
  • Gerry Mulligan and the Concert Jazz Band at the Village Vanguard (1960), mit Mel Lewis
  • Live at the Olympia Paris (1960-62)
  • Night Lights (1963) mit Art Farmer, Bob Brookmeyer, Jim Hall
  • Complete Studio Recordings- The Gerry Mulligan Sextet (1962-4) mit Farmer, Brookmeyer, Hall, Bill Crow, Dave Bailey
  • Live at the Berlin Philharmonie (1970) mit dem Dave Brubeck Trio.
  • Age of Steam (1971)
  • Summit (1974) mit Astor Piazzolla
  • Gerry Mulligan meets Enrico Intra (1975)
  • Re-Birth of the Cool (1992) - re-recordings von Miles Davis 1949 Birth of the Cool
  • Billy Taylor and Gerry Mulligan: Live at MCG (1993) live, mit dem Pianisten Billy Taylor in der Manchester Craftsmen's Guild (MCG) in Pittsburgh
  • Paraiso (1993)
  • Dragonfly (1995)

Kompositionen

Jeru, Disc Jockey Jump, Apple Core, Blue Boy, Walking Shoes, As catch can, Funhouse, Ide´s Side, Limelight, Turnstile, Line for Lyons, Simbah, Motel, Western Re-Union, Swing House, Ontet, Bark for Barksdale, Venus de Milo, Revelation, Nights at the Turntable, Motel, Soft Shoe, Roundhouse, As Catch Can, Spring is Sprung, Summer´s Over, Festive Minor, Kaper, Piano Train, Four and More

Weblinks

Quellen und Anmerkungen

  1. Nach Aussagen von Dennis waren sie nicht verheiratet, entgegen Behauptungen von Mulligan selbst

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