Orgel des Petersdomes

Orgel des Petersdomes
Entwurf für eine Orgel für den Petersdom in Rom 1888 von Aristide Cavaillé-Coll

Die Orgel des Petersdomes in Rom wurde 1953 bis 1962 von der italienischen Firma Tamburini auf Basis einer Walcker-Orgel von 1894 erbaut. Sie befindet sich zweigeteilt hinter den Pfeilern des Chores und verfügt über 80 Register. Die Orgel ist vom musikalischen Standpunkt den Dimensionen des Gebäudes nicht im geringsten angemessen, sondern eher die „größte Chororgel der Welt“[1]; zahlreiche Projekte namhafter Orgelbauer im 19. und 20. Jahrhundert, eine Großorgel in der Basilika zu errichten wurden jedoch nicht verwirklicht.

Titularorganist des Petersdomes ist seit 1989 James Edward Goettsche.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

16. bis 18. Jahrhundert

Mehrchöriges Musizieren im Salzburger Dom
Emporen an den Pfeilern

Bei der Planung der Basilika waren für die Kirchenmusik vier Emporen an den Pfeilern zur Kuppel hin geplant. Das mehrchörige Musizieren von den Emporen entsprach der üblichen Aufführungspraxis der Zeit; ein vergleichbares Ensemble von Emporen kann heute (wieder) im Salzburger Dom betrachtet werden. Zur Zeit Frescobaldis, der 1608 Organist von St. Peter wurde, standen drei Orgeln zur Verfügung. Den gesamten Raum zu füllen war sicher nicht beabsichtigt und angesichts der höchstwahrscheinlich recht klein disponierten Instrumente auch nicht möglich. Eines dieser Instrumente befindet sich heute in der Sakramentskapelle; nur der Prospekt ist erhalten. Es wurde 1582 erbaut und befand sich in einem vergoldeten Gehäuse auf der rechten Seite des Altares. Die anderen Instrumente sich nicht erhalten.[1] 1626 erhielt die Cappella Tornabuoni eine Orgel, die Morettini jedoch 1885 durch ein Instrument mit doppelseitigem Prospekt ersetzte. Tamburini baute diese Orgel 1975 neu.[1][2]

19. Jahrhundert

Auch im 19. Jahrhundert stand in St. Peter noch immer keine größere Orgel, die den riesigen Raum hätte füllen können. Stendhal bemerkte nach seinem Besuch 1828:

« Il manque dans Saint-Pierre un orgue digne d’un tel vase.  »

„Es fehlt in Sankt Peter eine Orgel, die eines solchen Raumes würdig ist.“

Stendhal: Promenades Dans Rome (1828)[3]

1875 erstellte Aristide Cavaillé-Coll, der nach dem Bau der Orgel von St-Sulpice und Notre-Dame in Paris auf dem Höhepunkt seines Ruhmes stand, einen Entwurf für eine gigantische Orgel mit fünf Manualen und 124 Registern. Sie sollte an der Ostwand in einem Gehäuse von Alphonse Paul Joseph Marie Simil (* 1841) mit 32′-Prospekt aufgehängt werden.[4] Pius IX. zeigt sich zunächst aufgeschlossen, erklärte später aber nur lakonisch „suspendimus organa nostra“. 1887 wurde Leo XIII. ein Modell im Maßstab 1:10 vorgestellt, allerdings ohne Erfolg.[1] Das Modell befindet sich noch heute in einem Lagerraum am Fuße der Kuppel der Basilika.[5] Cavaillé-Coll starb, ohne das Projekt verwirklichen zu können.[1]

Neubau durch Walcker 1895 und Vegezzi-Bossi 1902

Einen erneuter Versuch für den Bau einer Großorgel unternahm unter dem Pontifikat Pius’ X. 1910 der Nachfolger Cavaillé-Colls, Charles Mutin. Die Disposition Cavaillé-Colls wurde auf 153 Register mit 10.603 Pfeifen bei elektrischer Traktur erweitert. Allerdings entschied Papst Pius XI., dass die Orgel nicht an der Ostwand aufgestellt werden könne, stattdessen solle sie fahrbar sein. Charles-Marie Widor sammelte für dieses Projekt 60.000 Francs ein. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg – und wohl auch durch den aufkommenden Cäcilianismus – konnte auch dieses Projekt nicht verwirklicht werden. Die gesammelten 60.000 Francs wurden zur Finanzierung des Bodenbelags im Chor von St. Peter verwandt.[1]

Zur musikalischen Begleitung der Messen in St. Peter war man schon 1894 an die Firma E.F. Walcker & Cie. Ludwigsburg herangetreten und hatte ein kleines – fahrbares – pneumatisches Instrument mit 20 Registern auf zwei Manualen und Pedal bestellt (Opus 732), das trotz zweier Stentorstimmen den Raum kaum zu füllen vermochte. Den Ausschlag für den Auftrag an Walcker gab wahrscheinlich Remigio Renzi, Organist von St. Peter und zugleich Professor am Konservatorium Santa Cecilia, der für das Konservatorium kurz zuvor ein ähnliches Instrument bestellt hatte. 1902 erhielt Carlo Vegezzi-Bossi den Auftrag, eine Kopie der Walcker-Orgel mit 25 Registern anzufertigen, die ihr gegenüber auf der rechten Seite des Chores aufgestellt wurde.[1]

Neubau durch Tamburini 1953 bis 1962

Bis in die 1950er Jahre stellten Æolian-Skinner, Willis und G. F. Steinmeyer & Co. mehrere Entwürfe für eine große Orgel vor – wie Cavaillé-Coll und Mutin jedoch ohne Erfolg. Unter Fernando Germani erging schließlich an Tamburini der Auftrag, die beiden bestehenden Orgeln neu zu bauen und zu vergrößern; die Arbeiten daran liefen von 1953 bis 1962. Die Orgeln sollten wieder fahrbar sein, tatsächlich haben sie ihren Platz im Chor allerdings nie verlassen. Beide Orgeln waren nun elektrisch von einem einzigen viermanualigen Spieltisch (im Chorgestühl) aus spielbar. Auf die Manualen II (Hauptwerk), III (Recitativo) und Pedale I wurde im Wesentlichen die alte Walcker-Orgel auf der Evangelienseite (links), auf die Manuale I (Positiv), IV (Solo) und Pedale II die Vegezzi-Bossi-Orgel auf der Epistelseite (rechts) verteilt. Die Orgel erhielt zahlreiche Oktavkoppeln und Hochdruckzungen um den akustisch äußerst ungünstigen Standort hinter den massiven Pfeilern zumindest notdürftig auszugleichen. Aus Platzgründen konnten jedoch nur akustische 32′-Register gebaut werden. Insgesamt verfügt die Orgel über 80 Register. 2002 setzte Mascioni die Orgel instand und lieferte einen neuen dreimanualigen Funkspieltisch.[1]

Daneben besteht ein eine kleine zweimanualige Orgel mit 11 Registern von Walcker, die Helmut Schmidt 1981 Johannes Paul II. für die Freiluftmessen auf dem Petersplatz schenkte.[1]

Disposition seit 1963

I Positivo C–
Principale 16′
Principale forte 8′
Principale dolce 8′
Ottava 4′
Duodecima 22/3
Decimaquinta 2′
Decimasettima 13/5
Ripieno V 2′
Ripieno VI 11/3
Tromba 8′
II Grand’Organo C–
Sub Diapason 16′
Principale stentor 8′
Diapason 8′
Principale 8′
Flauto aperto 8′
Corno di Camoscio 8′
Ottava Diapason 4′
Prestante 4′
Duodecima 22/3
Decimaquinta 2′
Gran Ripieno VII 2′
Ripieno Acuto V 1′
Cimbalo III 1/2
Tromba bassa 16′
Tromba orrizontale 8′
Tromba forte 8′
Tromba a squillo 8′
Tromba a squillo 4′
III Recitativo
(schwellbar)
C–
Tibia profunda 16′
Principale di legno 8′
Tibia 8′
Bordone 8′
Viola forte 8′
Voce celeste 8′
Flauto in selva 4′
Fugara 4′
Nazardo 22/3
Flauto silvestre 2′
Ripieno V 2′
Tuba 8′
Tromba armonica 8′
Tuba Clarone 4′
Tremolo
IV Solo C–
Diapason 8′
Bordone 8′
Viola 8′
Voce celeste 8′
Ottava Diapason 4′
Flauto orchestrale 4′
Ottavino 2′
Tromba bassa 16′
Tromba orrizontale 8′
Tromba forte 8′
Tromba a squillo 8′
Tromba armonica 8′
Tromba a squillo 4′
Trombina 4′
Tremolo
Pedale C–
Basso acustico 32′[Anm. 1]
Acustico 32′
Diapason 16′
Principale 16′[Anm. 1]
Tibia profunda 16′
Subbasso I 16′
Subbasso II 16′[Anm. 1]
Contrabbasso 16′[Anm. 1]
Violone Contrabbasso 16′
Gran Quinta 102/3
Ottava 8′
Basso 8′[Anm. 1]
Flauto basso 8′
Bordone 8′[Anm. 1]
Violone 8′
Ottava I 4′
Ottava II 4′[Anm. 1]
Tromba bassa 16′
Trombone 16′
Bombarda 16′[Anm. 1]
Tromba forte 8′
Trombone 8′
Tromba 8′[Anm. 1]
Clarone 4′

Anmerkungen

  1. a b c d e f g h i Pedale II.

Technische Daten

  • 77 + 2 Register, 80 Pfeifenreihen, Pfeifen.
  • Spieltisch(e):
    • 2 freistehende Spieltische, einer davon über Funk.
    • 3 bzw. 4 Manuale.
  • Traktur:
    • Tontraktur: Elektrisch.
    • Registertraktur: Elektrisch.

Organisten

Literatur

  • François Comment: Les orgues de la Basilique Saint-Pierre de Rome. In: La Tribune de l'Orgue. 57, Nr. 2, 2005, ISSN 1013-6835, S. 24–27.
  • Alexander Wilhelm Gottschalg (Hrsg.): Zur Erinnerung an Frankreichs größten Orgelbauer. Entwurf zu einem monumentalen Orgelwerke für die St. Peterskirche in Rom von Aristide Cavaillé-Coll. In: Urania: Musik-Zeitschrift für Orgelbau, Orgel- und Harmoniumspiel. 57, Nr. 2, 1900, S. 11–12.
  • Aart de Kort: Orgels in Rome. In: Orgels in Rome. De Orgelvriend. 43, Nr. 7/8 und 9, 2001, S. 34–39 sowie S. 24–27.
  • Robert Moynihan: Zur Ehre Gottes und Freude der Menschen. In: Vatican Magazin. Nr. 12, Dezember 2010, S. 22–26 (Online).
  • Jean-Michel Sanchez: Saint-Pierre de Rome, Aristide Cavaillé-Coll et Alphonse Simil. Un projet d'orgue monumental non réalisé (1875).. In: L'Orgue. Nr. 286, 2009, S. 63–71.
  • Gilberto Sessantini: Il sogno di Aristide. In: Arte Organaria e Organistica. 6, Nr. 28, 1999, S. 26-33.
  • Neue Orgel für die Peterskirche in Rom. In: Neue Musikalische Presse. 4, Nr. 36, 1895, S. 8 (Vgl. ebenso Band 5, 1896, Nr. 5, S. 13.).
  • Ein neues originelles Orgelwerk. In: Urania: Musik-Zeitschrift für Orgelbau, Orgel- und Harmoniumspiel. 52, 1895, S. 70.
  • Neue Werke von E. Fr. Walcker & Comp. In: Urania: Musik-Zeitschrift für Orgelbau, Orgel- und Harmoniumspiel. 52, 1895, S. 76.
  • Wilhelm Widmann: Monumentalorgel für St. Peter in Rom. In: Der Kirchenchor. 39, 1909, S. 93 sq..

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i François Comment: Les orgues de la Basilique Saint-Pierre de Rome. In: La Tribune de l'Orgue. 57, Nr. 2, 2005, S. 24–27.
  2. Vgl. auchGiovanni Battistelli u.a. (Hrsg.): Organi e Cantorie nelle Chiese di Roma. Istituto poligrafico e Zecca dello Stato, Rom 1994, S. 50–53.
  3. Stendhal: Promenades Dans Rome. Bibliobazaar, 2008, ISBN 978-0559408748, S. 146.
  4. Vgl. hierzu Cécile und Emmanuel Cavaillé-Coll: Aristide Cavaillé-Coll. Ses origines, sa vie, ses œuvres.. Fischbacher, Paris 1929/1982, S. 133–136.
  5. Robert Moynihan: Zur Ehre Gottes und Freude der Menschen. In: Vatican Magazin. Nr. 12, Dezember 2010, S. 26 (Online).

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