Personennamen der Sherpa

Personennamen der Sherpa

Die Personennamen der Sherpa bestehen traditionell lediglich aus einem oder mehreren Rufnamen. Familiennamen sind nicht gebräuchlich, allerdings nutzen viele Sherpas die Bezeichnung „Sherpa“ wie einen Nachnamen.

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung zu Schreibweisen

Die Sprache der Sherpa, ebenfalls Sherpa genannt, ist eine schriftlose Sprache. Eine allgemein anerkannte Konvention zur Verschriftlichung existiert nicht. Daher besteht auch keine Möglichkeit zur Umschrift ins lateinische Alphabet. Die Schreibweise entsteht üblicherweise – so auch hier – durch Nachbildung der gesprochenen Laute und kann daher von anderen Schreibweisen abweichen.[1] Beispielsweise sind für den Namen Mingma auch die Schreibweisen „Mingmar“, „Migmar“ und „Mikmar“ gebräuchlich.[2]

Bei Geburt vergebene Namen

Bei Geburt erhalten Sherpas von ihrer Familie einen Namen, der aus einem oder zwei Wörtern besteht.[3]

Wochentage als Namen

Traditionell werden Sherpas nach dem Wochentag benannt, an dem sie geboren wurden. Die Bezeichnung des Wochentages ist zugleich der Name einer Gottheit, die mit einem Himmelskörper assoziiert wird. Der Namensträger soll unter dem Schutz dieser Gottheit stehen.[2] Keiner dieser Namen hat eine geschlechtsspezifische Form. Damit ist es nicht möglich, aus dem Namen das Geschlecht des Namensträgers abzulesen.[4][5]

Die Woche besteht wie in den meisten Kulturkreisen bei den Sherpa aus sieben Tagen. Die Zuordnung von Himmelskörpern zu Gottheiten entspricht derjenigen in westlichen Kulturkreisen, die aus der babylonischen Benennung übernommen wurde, vgl. Benennung der Wochentage. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Wochentage und die zugehörigen Sherpa-Namen. Die dritte Spalte nennt den mit dem Wochentag assoziierten Himmelskörper, die vierte zum Vergleich die entsprechenden römischen und nordischen Gottheiten.[2][4]

Wochentag Name Gestirn westliche Gottheiten
Sonntag Nyima Sonne Sol, Sól
Montag Dawa Mond Luna, Mani
Dienstag Mingma Mars Mars, Tyr
Mittwoch Lhakpa Merkur Merkur, Odin
Donnerstag Phurba Jupiter Jupiter, Thor
Freitag Pasang Venus Venus, Freya
Samstag Pemba Saturn Saturn

Religiöse Namen

Neben den Wochentagsnamen sind religiöse Namen üblich. Dies können Tugendnamen sein – zum Beispiel Dorje (‚Weisheit‘, ‚Klarheit‘) Gyerme (‚Beständigkeit‘) oder Phuti (‚Großmut‘) – oder Namen aus dem tibetanischen Buddhismus. Ist es der Name eines Heiligen oder einer Gottheit – zum Beispiel Dolma, Lhamo –, werden die Namensträger durch den Namen ebenfalls unter deren Schutz gestellt werden.[2]

Die meisten dieser Namen sind einem Geschlecht zugeordnet. So wird beispielsweise der Name Appa nur an Männer, der Name Dolma nur an Frauen vergeben. Andere Namen werden für beide Geschlechter verwendet, etwa Kami oder Kipa. Vereinzelt gibt es auch Namen mit einer männlichen und weiblichen Form. So existiert zum männlichen Namen Jangbu (alternative Schreibweisen: „Dzangbu“, „Zangbu“ ) das Femininum Jangmu (alternative Schreibweisen: „Dzangmo“, „Zangmo“).[2] [4]

Religiöse Namen können mit Wochentagsnamen kombiniert werden. In diesem Fall steht der zweisilbige Wochentag stets an erster Stelle und kann auf die erste Silbe verkürzt werden. Beispiele hierfür sind Phu-dorje (statt Phurba Dorje), Da-phuti (statt Dawa Phuti) oder Nyim-phuti (statt Nyima Phuti).[1][2]

Ang

Vielen Sherpa-Namen wird das Partikel „Ang“ vorangestellt. Es hat die Funktion eines Diminutivs und bedeutet ‚kleine(r)‘ oder ‚geliebte(r)‘.[2] Wird ein zweiteiliger Name mit „Ang“ auf einen Rufnamen verkürzt, so ist dies in aller Regel der andere Namensteil.[6]

Weitere Namen und Namensänderung

Sherpas können zu jedem beliebigen Zeitpunkt in ihrem Leben – also beispielsweise unabhängig von einer Heirat – einen anderen Namen annehmen. Dies geschieht in einer spirituellen Zeremonie durch einen Lama. So ist es üblich, dass Sherpa-Eltern einen Lama bitten, ihr Kind innerhalb eines Jahres nach der Geburt mit einem Namen zu segnen. Der Name, den das Kind bei der Geburt erhalten hat, kann dennoch weiter benutzt werden, sodass ein Kind mehrere Namen haben und von verschiedenen Familienmitgliedern sogar unterschiedlich angesprochen werden kann.[2]

Namensänderungen zu späteren Zeitpunkten sind vor allem dann üblich, wenn ein Sherpa lange Zeit unter Problemen wie schweren Krankheiten, anhaltendem Pech oder einer Serie von Unfällen litt. Dann erhofft man sich von der Vergabe eines neuen Namens eine bessere Zukunft. Ein berühmtes Beispiel für einen solchen Fall ist einer der bekanntesten Sherpas überhaupt, Tenzing Norgay, einer der beiden Erstbesteiger des Mount Everest. Er erhielt bei Geburt den Namen Namgyal Wangdi. Nachdem er als Kind chronisch erkrankte, baten seine Eltern einen Lama, ihm einen neuen Namen zu geben.[7]

Nachnamen

Die Sherpa tragen traditionell keine Nachnamen. Die Kennzeichnung der Zugehörigkeit zu einer Familie durch einen gemeinsamen Familiennamen ist ihrer Kultur unbekannt. Der Name kennzeichnet das Individuum, nicht den Menschen als Teil der Familie. Damit gibt es auch keine generationenweise Namensvererbung oder Annahme eines gemeinsamen Namens nach der Hochzeit. Die Gesellschaft gliedert sich in ungefähr zwanzig Clans, siehe Clans der Sherpa; aber auch der Clan-Namen wird traditionell nicht als Bestandteil von Personennamen verwendet.[1]

Durch den Kontakt mit anderen Kulturen und mit der Verwaltung des eigenen Staates ist es für viele Sherpas notwendig geworden, einen Nachnamen anzugeben. Der Bedarf entsteht beispielsweise bei Pässen und anderen Reisedokumenten, wenn eine Volkszählung durchgeführt wird oder bei Registrierungsformularen für die Schule.[1][8] Häufig verwenden die Sherpa „Sherpa“ als Nachnamen, seltener den Namen ihres Clans.

Als einer der Gründe für die Wahl von „Sherpa“ als Nachname werden die Volkszählungen angegeben, die in Nepal seit 1911 durchgeführt werden und mit der Erhebung von 1961 erstmals international anerkannte wissenschaftliche Standards erreichten.[9] Zu dieser Zeit war die überwiegende Mehrheit der Sherpa nicht in der Lage, zu lesen oder zu schreiben. Die Regierungsbeauftragten, die die Befragung durchführten, sollen für jeden, der wie ein Sherpa aussah und gekleidet war und seinen Nachnamen nicht angeben konnte, „Sherpa“ als Nachnamen eingetragen haben.[8] Außerdem wird vermutet, dass die Mehrheit der Sherpas bei Volkszählungen in den 1960er Jahren als Nachnamen „Sherpa“ angaben, um die Behörden davon zu überzeugen, dass sie nicht erst in jüngerer Zeit – insbesondere nach der Eingliederung Tibets in die Volksrepublik China Ende der 1950er Jahre – aus Tibet eingewandert waren.[10]

Ein anderer Grund wird darin gesehen, dass der Begriff „Sherpa“ zu einem Synonym für Hochgebirgsträger wurde, siehe Übertragene Bedeutungen von „Sherpa“. Wer in dieser Branche arbeiten wollte, konnte sich erhebliche Vorteile davon erhoffen, „Sherpa“ als Namensbestandteil zu tragen.[8][11]

Daher verwenden heute fast alle Sherpa als Nachnamen „Sherpa“.[1][11] Da manche den Behelfsnamen vor ihren anderen Namensteilen tragen, ist die Bezeichnung „Nachname“ allerdings teilweise ungenau.[3] Als einzige Ausnahme gelten die Angehörigen des Clans Lama, die als stolz auf den Clan gelten. Viele von ihnen verwenden daher den Clan-Namen „Lama“ als Nachnamen.[8] Aus den genannten Gründen führen sogar einige Nicht-Sherpas, die im Siedlungsgebiet der Sherpa leben oder von dort auswandern, „Sherpa“ als Nachnamen und geben ihre Ethnie mit „Sherpa“ an. Auswertungen von Zensus-Daten haben ergeben, dass die Anzahl der Namensträger schneller zunimmt, als Bevölkerungswachstum und Migrationsbewegungen dies zulassen.[12][13]

Unterscheidbarkeit

Da sich aus dem Schema „Ang“ – Wochentag – religiöser Name nur eine begrenzte Zahl an Kombinationen herstellen lässt und der Nachname so gut wie nicht zur weiteren Unterscheidung taugt, haben viele Sherpas völlig identische Namen. Sie selbst unterscheiden einander in diesen Fällen nach Verwandtschaft, Clan-Zugehörigkeit oder Herkunft. Von Außenstehenden wird bei Namensgleichheit zur Unterscheidung häufig ein Ortsname herangezogen, beispielsweise der Wohn- oder Geburtsort.[1]

Siehe auch

Weblinks

  • Sherpa Names – allgemeine Einführung mit einigen Beispielen. (englisch)

Einzelnachweise

  1. a b c d e f James F. Fisher: Sherpas: reflections on change in Himalayan Nepal. University of California Press, 1990, ISBN 9780520069411, Note on Orthography and Sherpa Names, S. XV ff..
  2. a b c d e f g h Barbara Pijan Lama: Sherpa Names. United Sherpa Association, abgerufen am 17. Juni 2011 (englisch).
  3. a b Ann Heinrichs: Mount Everest. In: Nature’s Wonders. Marshall Cavendish, 2009, ISBN 9780761439332, S. 61.
  4. a b c Lhakpa Doma Sherpa, Chhiri Tendi Sherpa (Salaka), Karl-Heinz Krämer (Tsak): Sherpa Conversation & Basic Words. Ratna Books, Kathmandu 2006, ISBN 99933-58-02-9 (Online im PDF-Format, ca. 1,2 MB, abgerufen am 17. Juni 2011).
  5. Joe Bindloss, Trent Holden, Bradley Mayhew: Lonely Planet Nepal. Lonely Planet, 2009, ISBN 9781741048322, S. 49.
  6. Bradley Mayhew, Joe Bindloss: Lonely Planet Trekking in the Nepal Himalaya. 9. Auflage. Lonely Planet, 2009, ISBN 9781741041880, S. 66.
  7. Ed Douglas: Hero of Everest: A Biography of Tenzing Norgay. National Geographic Society, 2003, ISBN 9780792269830, S. 39.
  8. a b c d Questions and answers about Sherpa customs. Why is "Sherpa" added to the end of every Sherpa person's name? United Sherpa Association, abgerufen am 18. Juni 2011 (englisch).
  9. Government of Nepal. Ministry of Health & Polulation (Hrsg.): Nepal Population Report 2007. (Dokument online im .doc-Format auf den Internetseiten des Ministeriums, abgerufen am 17. Juni 2011).
  10. Urs Müller, Ghana S. Gurung, Michael Kollmair, Ulrike Müller-Böker: “Because the Project Is Helping Us to Improve Our Lives, We Also Help Them with Conservation” – Integrated Conservation and Development in the Kangchenjunga Conservation Area, Nepal. In: Marc Galvin, Tobias Haller (Hrsg.): Perspectives of the NCCR North-South. Band 3. People, Protected Areas and Global Change: Participatory conservation in Latin America, Africa, Asia and Europe, University of Bern, Bern 2008, S. 369 (Online als PDF, ca. 543 KB, abgerufen am 19. Juni 2011).
  11. a b Vincanne Adams: Tigers of the snow and other virtual Sherpas: an ethnography of Himalayan encounters. Princeton University Press, 1996, ISBN 9780691001111, S. 240.
  12. Stephen Bezruchka: Trekking in Nepal: a traveler's guide. The Mountaineers Books, 1997, ISBN 9780898865356.
  13. Dilli Ram Dahal; Government of Nepal. National Planning Commission Secretariat. Central Bureau of Statistics (Hrsg.): Population Monograph of Nepal. Volume I, Chapter 3. Social Composition of the Population: Caste/Ethnicity and Religion in Nepal, S. 110 (Online als PDF, ca. 150 KB, abgerufen am 18. Juni 2011).

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