- Pragmatische Sanktion (Römisches Recht)
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Als Pragmatische Sanktion, lateinisch Sanctio pragmatica/Pragmatica sanctio bezeichnet man im Römischen Recht der Spätantike einen feierlichen Gesetzgebungsakt des Kaisers. Üblicherweise werden als sanctiones pragmaticae kaiserliche Anordnungen bezeichnet, die Regelung für einen Einzelfall oder besondere Bestimmungen für bestimmte Personen oder ein bestimmtes Gebiet enthalten. Eine präzise Abgrenzung von anderen Formen der Rechtssetzung durch den Kaiser ist aber nicht möglich. Der Begriff ist seit dem 5. Jahrhundert nachweisbar, geht aber wohl auf Konstantin den Großen zurück.[1] Die wohl bekannteste pragmatische Sanktion der Antike ist die sanctio pragmatica pro petitione Vigilii, mit der Kaiser Justinian I. seine Gesetzbücher (Codex, Digesten, Institutionen) 554 in Italien in Kraft setzte, nachdem er Italien von den Ostgoten zurückerobert hatte. Dabei wurden auch Schenkungen ostgotischer Herrscher an Senat und Volk von Rom und Edikte Theoderichs aus dem Jahr 500 anerkannt, während Schenkungen und Verwaltungsakte Totilas widerrufen wurden.
Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit wurde die aus dem römische Recht stammende Bezeichnung für besonders feierliche Edikte (Verordnungen) eines Landesherrn verwendet, mit welcher der Monarch eine wichtige Staatsangelegenheit durch ein Grundgesetz regelte, das Unverletzlichkeit und ewige Geltung beanspruchte. Bekanntestes Beispiel im deutschen Sprachraum dürfte die Pragmatische Sanktion von 1713 sein, durch die Kaiser Karl VI., der keinen Sohn hatte, die Erbfolge seiner Tochter Maria Theresia sicherte.
Weitere Beispiele für Pragmatische Sanktionen im Mittelalter und in der Neuzeit sind:
- die angebliche Pragmatische Sanktion Ludwigs IX. des Heiligen, Königs von Frankreich, aus dem Jahr 1268 – die sich als Fälschung erwiesen hat (siehe Gallikanische Kirche)
- die Pragmatische Sanktion von Bourges Karls VII., Königs von Frankreich, durch die er am 7. Juli 1438 in Bourges nach den Beschlüssen des Basler Konzils die Freiheiten der gallikanischen Kirche bestätigte (von Franz I. wieder aufgehoben)
- die Pragmatische Sanktion des deutschen Reichstags zu Mainz von 1439, welche die Basler Beschlüsse über die Gallikanische Kirche annahm, aber vom römischen Stuhl später durch Konkordate wieder beseitigt wurde
- die Pragmatische Sanktion Kaiser Karls V. von 1549, mit der er die Habsburgischen Niederlande reorganisierte und die Siebzehn Provinzen unabhängig vom Heiligen Römische Reich Deutscher Nation machte
- die Pragmatische Sanktion Karls III., Königs von Spanien, wodurch dieser die Erbfolge bestimmt, als er 1759 das Königreich beider Sizilien seinem dritten Sohn überlassen musste.
Um zum Ausdruck zu bringen, dass der Westfälische Friede im Reich wie ein in feierlicher Form erlassenes Gesetz geltende sollte, sah der Friedensvertrag von Osnabrück von 1648 ausdrücklich vor, dass der Vertrag als „perpetua lex et pragmatica Imperii sanctio“ anzusehen sei.
Literatur
- Wolfgang Kaiser: Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze. Studien zu den Sacra privilegia concilii Vizaceni. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55121-5, (Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte 96), S. 120f.
- Peter Kußmaul: Pragmaticum und Lex. Formen spätrömischer Gesetzgebung 408-457. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1981, ISBN 3-525-25163-7, (Hypomnemata - Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben 67), (Zugleich: Heidelberg, Univ., Habil-Schr., 1978).
- Giulio Vismara: Pragmatica sanctio. In: Lexikon des Mittelalters VII, Sp. 166.
- Franz Wieacker: Die Jurisprudenz vom frühen Prinzipat bis zum Ausgang der Antike im weströmischen Reich und die oströmische Rechtswissenschaft bis zur justinianischen Gesetzgebung. Ein Fragment aus dem Nachlass. Herausgegeben von Joseph Georg Wolf. Beck, München 2006, ISBN 3-406-33928-X, (Handbuch der Altertumswissenschaft. Abt. 10: Rechtsgeschichte des Altertums. Teil: 3, Band 1: Römische Rechtsgeschichte. Quellenkunde, Rechtsbildung, Jurisprudenz und Rechtsliteratur. Abschn. 2), S. 192f.
- Pragmatische Sanktion. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 13, Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1892, S. 311.
Einzelnachweise
- ↑ Franz Dölger – Johannes Karayannopulos, Byzantinische Urkundenlehre. Erster Abschnitt. Die Kaiserurkunden, München 1968, S. 78
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