- Priorisierung medizinischer Leistungen
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Priorisierung medizinischer Leistungen bezeichnet Verfahren, mit dem die Vorrangigkeit bestimmter Indikationen, Patientengruppen oder medizinischer Verfahren vor anderen festgestellt werden soll. Ihr Gegenteil wird als Posteriorisierung bezeichnet.
Priorisierung führt zu einer Rangreihe, an deren oberem Ende steht, was als unverzichtbar gilt beziehungsweise wichtig erscheint, am unteren Ende das, was wirkungslos ist oder was mehr schadet als nützt.
Die Priorisierung medizinischer Leistungen kann zur Rationierung führen beziehungsweise diese vorbereiten. Hierfür sollte eine am Versorgungsbedarf orientierte Rangfolge von Leistungen hergestellt werden, denn wenn Mittel einer sinnvollen medizinischen Verwendung vorenthalten werden sollen, sollte es vorher einen gesellschaftlichen Konsens darüber geben, aus welchen Grund und wo diese Mittel effektiver eingesetzt werden können.[1]
Befürworter meinen, eine offene und öffentliche gesundheitspolitische und medizinethische Auseinandersetzung über Priorisierung sei besser als eine verschwiegene Rationierung. Ein Bundestagsabgeordneter gestand jedoch, dass er sein Wissen als Gesundheitspolitiker den Bürgern nicht vermitteln könne, wenn er wiedergewählt werden wolle.[2]
Inhaltsverzeichnis
Ausland
1987 sollte im US-Bundesstaat Oregon eine die gesamte Bevölkerung abdeckende Krankenversicherung eingeführt werden, ohne die Gesamtkosten für Medicaid zu erhöhen. Dies erschien nur möglich mit einer Reduzierung des Leistungs-Umfangs. Statt z.B. Organtransplantationen bei Kindern wurden deshalb Vorsorge-Untersuchungen bei sozial schwachen Schwangeren und Kindern finanziert - mit dem Risiko, dass einige Kinder wegen nicht durchgeführter Transplantationen schwer beeinträchtigt waren. Das gesamtheitliche Vorgehen wurde in einer Prioritätenliste für alle medizinischen Maßnahmen festgeschrieben.
Die Priorisierungs- und Rationierungsdebatte ist in einigen anderen Ländern viel weiter fortgeschritten als in Deutschland. So hat das schwedische Parlament bereits 1997 Richtlinien zur Priorisierung verabschiedet. Darin sind drei ethische Prinzipien für alle künftigen Priorisierungsentscheidungen festgelegt worden:
- Alle Menschen seien gleich an Wert und Würde;
- die Ressourcen sollen nach Aspekten des Bedarfs und der Solidarität verteilt werden;
- die Kosteneffizienz aller Maßnahmen sei zu berücksichtigen.
Die Priorisierung wird dort vom 'Prioriteringscentrum' ('National Centre for Priority Setting') geleistet.[3]
In Großbritannien erarbeitet das National Institute for Health and Clinical Excellence Priorisierungen; ihm wurde in Deutschland das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen nachgebildet.[4]
Siehe auch
Literatur
- Erik Hahn: Einfluss der Rechtsprechung auf die Ressourcenentscheidung und Prioritätensetzung in der Medizin - Ein Beitrag zur Verteilungsdebatte, Gesundheitsrecht 2010, S. 286-295.
- Christoph Fuchs, Eckhard Nagel, Heiner Raspe: Rationalisierung, Rationierung und Priorisierung – was ist gemeint?, Deutsches Ärzteblatt 2009; 106(12): A-554 online
- Walter A. Wohlgemuth, Michael H. Freitag (Hrsg.): Priorisierung in der Medizin. Interdisziplinäre Forschungsansätze, MWV Medizinisch Wiss. Verlag, 2009. ISBN 393906985X
- Zentrale Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission): Prioritäten in der medizinischen Versorgung im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Müssen und können wir uns entscheiden? Köln 2000 als PDF
- Stellungnahme der Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Bundesärztekammer zur Priorisierung medizinischer Leistungen im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Zusammenfassung, (September 2007) als PDF
- Stellungnahme des Deutschen Ethikrates Nutzen und Kosten im Gesundheitswesen - Zur normativen Funktion ihrer Bewertung, Berlin 2011 [2]
Referenzen
Weblinks
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