- Reemtsma-Skandal
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Der Reemtsma-Skandal war 1929 einer der augenfälligsten Skandale der 1920er-Jahre und erschütterte die Republik Baden und die Weimarer Republik. Eine großzügige Steuerpolitik des Deutschen Reiches gewährte der Zigarettenbranche Steuerprivilegien in großem Ausmaß. Darin und im harten Konkurrenzkampf der Zigarettenbranche lagen die Ausgangspunkte für die Affäre Batschari-Reemtsma begründet. Selbst der Landtagswahlkampf 1929 blieb von den Fernwirkungen des Skandals nicht unberührt. Offengelegt wurden nämlich Missstände in Politik und Wirtschaft, die Züge hochgradiger Korruption in sich trugen. Die Bürger stellten in der Konsequenz die Legitimität der Republik in Frage.
Inhaltsverzeichnis
Der Niedergang der Zigarettenfabrik Batschari
1834 wurde in Baden-Baden die Zigarettenfabrik Batschari gegründet, die als älteste Zigarettenfabrik in Deutschland schnell zu den bekanntesten Markennamen der Branche und der Weimarer Republik zählte. Als größter Arbeitgeber der Stadt Baden-Baden war die Firma bedeutend für eine ganze Region. Unter dem Logo "ABC" (abgeleitet von August-Batschari-Cigaretten) vertrieb Batschari die Marken Mercedes, Tufuma, Sleipner und andere. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs geriet das Unternehmen im Jahr 1923 in die Krise. Inflation und Ruhrbesetzung setzten der Firma erheblich zu. Die Geschäftspolitik litt unter Intransparenz. Verschleiert wurde die einsetzende Krise zudem durch großzügige Subventionen und wiederholte Stundungen der sogenannten Banderolensteuer (Verbrauchssteuer, die als Streifen- oder Zeichensteuer mittels Verwendung von Banderolen (Papierstreifen) auf ein verpacktes Konsumgut (z. B. Tabak) erhoben wird[1]). Die steigende Nachfrage von Zigarettenprodukten intensivierte den Wettbewerb. Profitorientierte Industrielle suchten Spekulationsobjekte und fokussierten sich u.a. auch auf Batschari. Unter den Interessenten befand sich auch die Hamburger Firma Reemtsma. 1929 musste der Betrieb liquidiert werden, was eine kapitalismuskritische Debatte zur durch verantwortungslose Fehlwirtschaft ausgelösten Arbeitslosigkeit auslöste.
Ursachen des politischen Skandals
Der Skandal um Batschari eskalierte im Frühjahr 1929 als der zu dieser Zeit größte Produzent der Branche, Reemtsma, die Firma kurz vor der Liquidation aufgekauft hatte.[2] Was zunächst als ökonomisch unsinnige Geschäftsaktion erschien, denn schließlich waren 12 Millionen Reichsmark Steuerschuld zu begleichen, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als durchaus sinnvoll. Reemtsma wollte nicht nur einen gewichtigen Konkurrenten ausschalten, sondern sich selbst am Markt expansionistisch behaupten und spekulierte zudem auf den Steuerschulderlass, wenn der Standort Baden-Baden aufgegeben würde. Dies mündete in den Kompromiss, dass Reemtsma - bei Steuerschulderlass - zumindest eine Kartonagenfabrik zum teilweisen Arbeitsplatzerhalt (fort-)führen sollte. Die Bekanntgabe dieser Vereinbarung wiederum erregte enorme Empörung und löste gewichtige politische Debatten aus, die bestrebt waren, ein drohendes wirtschaftliches Debakel zu verhindern. In Anbetracht der bevorstehenden Landtagswahl 1929 bemühte sich der badische Justizminister Gustav Trunk um Beschwichtigung. Zwar gelang es ihm, Reemtsma zur Fortführung der Zigarettenproduktion in Baden-Baden zu bewegen; der Konzern forderte jedoch vom Reichsfinanzministerium als Gegenleistung den Verzicht auf die dann wieder fällige Steuerschuld. Diesem Antrag wiederum gab der Reichsfinanzminister Rudolf Hilferding statt. Nach dieser Sicherstellung wurde die Fabrik modernisiert. Bis 1948 produzierte Batschari als Zweigwerk des Reemtsma-Konzerns, 1962 ging Batschari an die Firma Haus Neuerburg über, das den Betrieb im gleichen Jahr noch stilllegte.
Die öffentliche Kontroverse
Gerüchte und Spekulationen über die Gründe für das außerordentliche Steuergeschenk an Reemtsma machten die Runde. Der offiziellen Begründung des Reichsministeriums, der wirtschaftlichen Not Badens durch Arbeitsplatzerhalt begegenen zu wollen, begegnete man mit Misstrauen, denn Betrug, Korruption im Beamtenapparat und Bestechung seitens Reemtsma wurden als die wahren Ursachen angesehen. Kampagnen der Klein- und Mittelindustrie, die über den Journalisten T.H. Tetens lanciert wurden, der als effizientes Sprachrohr in viel beachteten Artikeln (beispielsweise in der von Carl von Ossietzky herausgegebenen Zeitschrift Die Weltbühne) wirkte, taten ein Übriges. Der ehemalige Batschari-Angestellte Harry Levita verfasste Schmähschriften gegen den Reemtsma-Konzern und unterließ 1931 dieses erst nach Zahlung einer beträchtlichen Geldsumme infolge eines Urteils wegen Erpressung. Die Gerüchte um zweifelhafte Geschäftsmethoden in der Zigarettenbranche brachte dies aber nicht zum Verstummen. Finanzverwaltung und Justiz sahen sich dem Korruptionsverdacht und der Unglaubwürdigkeit ausgesetzt.
Weblinks
- Karlsruhe: Kultur und Bildung präsentiert: Der Batschari-Reemtsma-Skandal des Jahres 1929 von Dr. Monika Pohl
- T.H. Tetens: Der Reemtsma-Skandal
Einzelnachweise
Kategorien:- Politische Affäre in Deutschland
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