- Cholesteatom
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Klassifikation nach ICD-10 H71 Cholesteatom H60.4 Gehörgangscholesteatom H95.0 Rezidivierendes Cholesteatom, Mastoidhöhle, nach Mastoidektomie H66.2 Otitis media epitympanalis ICD-10 online (WHO-Version 2011) Als Cholesteatom (Synonym: Perlgeschwulst, Zwiebelgeschwulst) des Ohres bezeichnet man eine Einwucherung von mehrschichtig verhornendem Plattenepithel in das Mittelohr mit nachfolgender chronisch-eitriger Entzündung des Mittelohrs. Die chronische Mittelohrentzündung beim Cholesteatom wird als chronische Knocheneiterung bezeichnet.
Cholesteatome können auch außerhalb des Ohres in der Schädelhöhle oder Schädelwand entstehen.
Inhaltsverzeichnis
Pathogenese
Beim gesunden Ohr sind das Plattenepithel des äußeren Gehörgangs und das Schleimhautepithel des Mittelohrs durch das Trommelfell vollständig voneinander getrennt. Wird diese Barriere aufgehoben, können Plattenepithelzellen in die Paukenhöhle einwachsen. Dadurch kommt es zu einer Ausbreitung von verhornendem Plattenepithel in die Mittelohrräume. Vermutlich durch den gestörten Sekretabfluss und eine bakterielle Superinfektion – häufig mit Pseudomonas aeruginosa – führt das eingewachsene Epithel zu einem chronischen Entzündungsprozess. Diese Entzündung kann auf die knöchernen Anteile von Mittelohr und Innenohr übergreifen, die dadurch sukzessive zerstört werden.
Das Cholesteatom besteht im Querschnitt aus schneeweißen, zwiebelschalenartig übereinandergelagerten abgestorbenen Epithelschichten. Umhüllt sind diese von verhornendem Epithel (Matrix), das die Epithelschichten produziert, und einer (meist) entzündlich veränderten Schleimhautschicht (Perimatrix), die für die Knochenzerstörung verantwortlich ist.
Einteilung
Im Hinblick auf die Entstehung kann man drei Formen des Cholesteatoms unterscheiden:
Primäres Cholesteatom
Beim primären Cholesteatom fehlen Entzündungen in der Vorgeschichte.
- Retraktionscholesteatom: Ursprung des Cholesteatoms ist die Bildung einer so genannten Retraktionstasche im Bereich der Pars flaccida (Shrapnell'sche Membran) des Trommelfells im obersten Teil des Trommelfells, vermutlich durch eine chronische Störung der Tubenventilation. Das Cholesteatom entwickelt sich aus der Retraktionstasche und breitet sich vorerst im Kuppelraum des Mittelohres (Attik) aus; man nennt dieses Cholesteatom daher auch Attikcholesteatom.
- Immigrationscholesteatom: Es entsteht durch aktives Einwachsen von Epithelzapfen in die Shrapnell'sche Membran.
Sekundäres Cholesteatom
Beim sekundären Cholesteatom finden sich in der Vorgeschichte Mittelohrentzündungen oder (chronische) Mittelohrkatarrhe.
Das sekundäre Cholesteatom entsteht auf Basis einer entzündlich entstandenen, tief eingezogenen, hauchdünnen (= atrophischen) Trommelfellnarbe im hinteren Trommelfellanteil (Sinus-tympanicus-Cholesteatom) oder durch eine sogenannte Mittelohr-Atelektase, bei der das gesamte Trommelfell atrophisch verändert und an die innere Wand des Mittelohres angesaugt ist (Pars-tensa-Cholesteatom). Durch entzündliche Veränderungen und Ansammlung von weißlichem Cholesteatommaterial imponieren die Retraktionstaschen oft als Trommelfellperforationen. Echte randständige Perforationen nach nekrotisierender Otitis (z. B. bei Scharlach) als Ausgangspunkt eines Cholesteatoms sind heute eher selten.
Kongenitales Cholesteatom
Das seltene kongenitale Cholesteatom entsteht aus Zellversprengungen während der Embryonalphase, genauer gesagt durch nicht vollständig zurückgebildetes mesenchymales Gewebe in der Submukosa des Mittelohres. Im Gegensatz zu den anderen Cholesteatomen entwickelt sich das kongenitale Cholesteatom hinter intaktem Trommelfell und (zumindest primär) ohne Kontakt zum Trommelfell.
Symptome
- Stinkend riechender Ohrausfluss (fötide Otorrhö)
- Progrediente Schallleitungsschwerhörigkeit
Bei Komplikationen:
- Schwindel
- Gesichtslähmung (Facialisparese)
- Ertaubung
- Ohrenschmerzen, Kopfschmerzen, Fieber
Diagnose
Die Diagnose wird mit Hilfe der Ohrmikroskopie gestellt. Der typische Befund ist ein Defekt in der Pars tensa oder Pars flaccida des Trommelfells mit Nachweis weißlich-gelber Schuppen oder Zellmassen in der Läsion. Nicht selten finden sich Polypen aus Granulationsgewebe.
Weiterhin werden Computertomographie-Aufnahmen (CT) angefertigt. Vor Einführung des CT wurden spezielle Röntgenaufnahmen nach Schüller und Stenvers zur Diagnose herangezogen.
Das Tonaudiogramm erbringt den Nachweis einer Schallleitungschwerhörigkeit.
Komplikationen
- Destruktion der Gehörknöchelchen
- Innenohrschaden
- Fistelbildung mit dem Bogengangsystem
- Fazialisparese (Gesichtsnervlähmung)
- Ausbreitung der Entzündung: Meningitis, Hirnabszess, Sepsis (Blutvergiftung)
Therapie
Ein Cholesteatom kann nur durch eine Operation entfernt werden. Begleitend wird in der Regel eine systemische Antibiotika-Therapie durchgeführt, um den Entzündungsprozess zu reduzieren und bessere Operationsverhältnisse zu schaffen.
Wenn bei der Operation das Cholesteatom vollständig entfernt werden kann, können Trommelfell und Gehörknöchelchen wiederhergestellt werden (Tympanoplastik). Bei ausgedehntem Cholesteatom oder erheblichen Destruktionen muss durch eine radikale Mastoidektomie eine Radikalhöhle angelegt werden. Dabei wird eine gemeinsame Höhle aus Gehörgang, Warzenfortsatzhöhle und Kuppelraum des Mittelohres hergestellt, die von außen über die erweiterte Gehörgangsöffnung einsehbar und für die Reinigung zugänglich ist. Auch in diesem Fall kann häufig das ehemalige Mittelohr mit einem neuen Trommelfell verschlossen und das Hörvermögen damit wieder verbessert werden (sog. flache Pauke).
Weblinks
- Nicht aktualisierte Leitlinie Cholesteatom der Dt. Ges. f. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (im Internet Archive)
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