Rudolf Stundl

Rudolf Stundl
Gedenktafel an Rudolf Stundls Wohnhaus in der Gützkower Str. 84 in Greifswald

Rudolf Stundl (* 4. Februar 1897 in Wien; † 4. April 1990 in Greifswald) war ein österreichischer Musterentwerfer und Tapisserist. Er gilt als eigentlicher Erfinder der Pommerschen Fischerteppiche. Auf eine Stellenanzeige hin kam Stundl 1928 nach Vorpommern, um die dort ansässigen Fischer das Entwerfen, Zeichnen und Knüpfen von Teppichen zu lehren. Durch sein jahrzehntelanges Engagement konnte er eine Volkskunstbewegung initiieren. Erst 1972 legte er seine Funktion als Vorsitzender der Knüpfergenossenschaft nieder, blieb jedoch weiterhin gestalterisch tätig.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Rudolf Stundl wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Durch seinen Schulunterricht an verschiedenen ländlichen Orten Sloweniens und Ungarns innerhalb der Donaumonarchie kam er früh in Kontakt mit bäuerlicher Volkskunst. An der Realschule von Zsolna (damals Ungarn) machte er 1918 die Matura. Ab 1919 war er vier Semester Student an der Handelsakademie in Budapest in Verbindung mit einer Ausbildung in Web- und Knüpfttechniken. In Zagreb errichtete Rudolf Stundl 1922 eine Werkstatt, die auf das Restaurieren orientalischer Knüpfteppiche ausgerichtet war. 1925 übernahm er die Leitung einer kunsthandwerklichen Firma in Budapest, 1927 war er als Musterentwerfer in Breslau tätig. 1928 übersiedelte Stundl nach Berlin, wo er auf die Zeitungsannonce stieß, laut der in Greifswald ein versierter Teppichknüpfer gesucht wurde.

Aufgrund eines dreijährigen Fischfangverbotes in der südlichen Ostsee sah sich die Regionalverwaltung in Greifswald gezwungen, für die betroffenen Fischer eine alternative Erwerbsmöglichkeit zu suchen. Aufgrund der vorhandenen Fertigkeiten zum Flicken der Fischernetze kam man auf die Teppichknüpferei. Als künstlerisch-technischer Leiter der Pommerschen Fischer-Teppich-Heimknüpferei ermunterte Stundl die Fischer in den Dörfern Ostvorpommerns, sich bei der Motivwahl von der heimischen Landschaft, von Meer und Wald, inspirieren zu lassen. Hierzu lieferte er auch eigene Entwürfe, die zum Teil an überlieferte Ornamente aus dem Ostseeraum anknüpften, zum Teil auch genuin Neues präsentierten.

Es war das Bestreben Rudolf Stundls, parallel zur Teppichknüpferei eine komplexe Dorfkultur mit einer vielfältigen Volkskunstbewegung zu entwickeln. So regte er 1934 das erste Knüpferfest in Freest an und dichtete in Zusammenarbeit mit G. Häußler dessen plattdeutsche Hymne „Knüpperfest 1934“ sowie das ebenfalls plattdeutsche Teppichknüpferlied „Wi knüppen un wäben“. Auch die Gründung einer Heimatstube in Freest als Dorfmuseum 1957 wurde von ihm unterstützt. Darüber hinaus organisierte Stundl Verkaufsausstellungen in Berlin, Bremen, Hamburg, Hannover, Lübeck, Rostock, Stralsund, Misdroy sowie in den Bädern der Insel Usedom.

Nach einer anfänglichen Vereinnahmung der Fischerteppiche als „uralter germanischer Tradition“ durch den Nationalsozialismus, kam es kriegsbedingt zur Einstellung der Teppichknüpferei und 1940 zur Inhaftierung Rudolf Stundls (bis 1945). Bereits 1946 wurde die Teppichknüpferei mit Unterstützung der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) wieder aufgenommen. Im selben Jahr ehelichte Rudolf Stundl die Greifswalder Weberin Frida Pietschmann. Mit Gründung der Handwerklichen Produktionsgenossenschaft Volkskunst an der Ostsee am 17. Mai 1953 wurde Stundl deren Vorsitzender. Diese Funktion legte er 1972 aus Altersgründen nieder, woraufhin er zum Ehrenmitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR ernannt wurde. 1986 wurde er für sein künstlerisches Lebenswerk mit dem Kunstpreis des Bezirkes Rostock ausgezeichnet.[1]

Rudolf Stundl wurde am 2. Mai 1990 auf dem Alten Friedhof in Greifswald in einem Urnengrab beigesetzt. Sein künstlerischer Nachlass wurde von der Universität Greifswald übernommen, der schriftliche Nachlass befindet sich in der Landesbibliothek Dresden. Stundls Lebenserinnerungen mit dem Titel Interview an der Ostsee sind als unveröffentlichtes Manuskript erhalten.[2]

Rudolf-Stundl-Stiftung

Seit 1985 existiert in Greifswald die Rudolf-Stundl-Stiftung. Entscheidender Mitinitiator der Stundl-Stiftung war Dr. Kurt Feltkamp, Mitglied der Gemeinschaft emeritierter Hochschullehrer und Rudolf Stundls Rechtsnachfolger. Durch Mittel aus dieser Stiftung kann von der Universität Greifswald der Rudolf-Stundl-Preis für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet textilen Gestaltens, vor allem im ornamentalen Schaffen verliehen werden. Der Preis und die Stiftung sind derzeit akut gefährdet.

Der Rudolf-Stundl-Preis wurde das letzte Mal 1995 verliehen. Die dazugehörige Stundl-Stiftung soll auf Wunsch der heute Verantwortlichen gelöscht werden. Der Grund hierfür ist politischer Natur und hat nichts mit der Person Rudolf Stundl zu tun. Das an der Universität Greifswald beheimatete Caspar-David-Friedrich-Institut weigert sich seit 1996, den Preis der Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung zu vergeben. Die Stiftung ist nach dem Maler Hans Grundig und dessen Ehefrau und Erbin Lea Grundig benannt. Obwohl Jüdin und überzeugte Antifaschistin, ist der Name Lea Grundig für Institutsdirektor Prof. Ulrich Puritz nicht tragbar, da sie sich laut Zeugenaussagen u.a. am politisch motivierten Lehrverbot und der Versetzung von Prof. Günter Regel (* 1926) nach Leipzig schuldig gemacht habe. Nach gegenwärtigen Überlegungen soll die Grundig-Stiftung gelöscht und deren Preis gemeinsam mit dem weniger bekannten sowie geringer dotierten Rudolf-Stundl-Preis zu einem institutseigenen Preis umgewidmet werden.[3]

Literatur

  • Eckhard Oberdörfer: Preise werden seit Jahren nicht vergeben, in: Ostsee-Zeitung vom 21. Januar 2009 (Regionalausgabe Greifswald), S. 14.
  • Kurt Feltkamp u. Birgit Dahlenburg: Freester Fischerteppiche der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Katalog zur Ausstellung (13. März – 30. April 2008) anlässlich des 110. Geburtstags des Tapisseristen Rudolf Stundl. Kustodie der EMAU Greifswald: 2008.
  • Dietmar Grieser: Die Perser des Nordens: Rudolf Stundl, in: Heimat bist du großer Namen – Österreicher in aller Welt, München: 08/2002, S. 243-248.
  • Werner Sündram: Fischerteppiche, in: Ostsee-Zeitung vom 14. Februar 1976 (Rostock).

Einzelnachweise

  1. Kurt Feltkamp u. Birgit Dahlenburg: Freester Fischerteppiche der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Katalog zur Ausstellung anlässlich des 110. Geburtstags des Tapisseristen Rudolf Stundl 2008.
  2. Eckhard Oberdörfer: Interview an der Ostsee. Die Erinnerungen des Vaters der pommerschen Fischerteppiche. In: Pommern. Zeitschrift für Kultur und Geschichte. Heft 2/2011, ISSN 0032-4167, S. 22–28.
  3. Eckhard Oberdörfer: Preise werden seit Jahren nicht vergeben. In: Ostsee-Zeitung vom 21. Januar 2009 (Regionalausgabe Greifswald), S. 14.

Weblinks


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