- Römerlager Dangstetten
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Das Römerlager Dangstetten ist ein ehemaliges römisches Militärlager für die größere Vexillatio einer Legion nebst einigen ihrer Auxiliartruppen. Das heutige Bodendenkmal liegt in der Gemarkung Dangstetten, einem Teil der Gemeinde Küssaberg im Landkreis Waldshut. Aufgrund seines umfangreichen Befund- und Fundaufkommens aus der Frühzeit der römischen Okkupation Germaniens gilt Dangstetten in der Provinzialrömischen Archäologie als einer der wichtigsten Fundplätze des süddeutschen Raums und besitzt über diesen hinaus überregionale Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
Lage und Forschungsgeschichte
Das römische Militärlager Dangstetten lag auf einer sich in südwestlicher Richtung ins Rheintal erstreckenden Hochterrasse. Im heutigen siedlungsgeographischen Bild befindet sich das weitgehend zerstörte Bodendenkmal auf dem Gelände einer offen gelassenen Kiesgrube am nordöstlichen Ortsrand des Küssaberger Ortsteiles Rheinheim, östlich der von Rheinheim nach Dangstetten führenden Straße im Gewann „Auf dem Buck“.
Der Garnisonsplatz wurde im Frühjahr 1967 durch den Heimatforscher Alois Nohl entdeckt[1], zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits ein Viertel der Lagerfläche dem Kiesabbau zum Opfer gefallen war. Nohl hatte römische Gefäßscherben gefunden und diese der Freiburger Außenstelle der Denkmalpflege Baden-Württemberg zur Begutachtung zukommen lassen. Gerhard Fingerlin, der damalige Leiter der Archäologischen Denkmalpflege, erkannte die Besonderheit der von Alois Nohl entdeckten Scherben und ließ das Areal für den weiteren Kiesabbau sperren. Da der bisher noch nicht zerstörte Bereich des Garnisonsplatzes von späterer Überbauung frei geblieben war, konnte in den folgenden Jahren nahezu die gesamte noch vorhandene Lagerfläche archäologisch ergraben werden. Die Ausgrabungen dauerten mit Unterbrechungen mehr als zwei Jahrzehnte und lieferten wichtige Einblicke in Planstruktur und Bauweise eines römischen Militärlagers sowie in die früheste Zeit der römischen Okkupation Germaniens.
Befunde und Funde
Befunde
Die Freilegung ließ erkennen, dass es sich um die Reste eines 13 bis 14 ha[A 1] großen römischen Legionslagers für etwa 5.000 Mann Besatzung handelt. Es konnten Spuren der Befestigung, Grundrisse der Verwaltungsbauten, Magazine und Kasernen nachgewiesen werden. Zahlreiche Münzen ermöglichten, das Lager zeitlich einzuordnen: Man hatte das älteste Zeugnis für die Anwesenheit der Römer auf süddeutschem Boden entdeckt, was es zur „wichtigsten archäologischen Entdeckung im Land“ machte.
Funde
Die Ausgrabung lieferte einen reichhaltigen, für Südwestdeutschland einzigartigen Fundbestand. Dieser setzt sich zusammen aus Teilen der militärischen Ausrüstung, aus Trachtbestandteilen, Dingen des täglichen Bedarfs, Öllampen, Tongeschirr, Gläsern, Teile von rund 1.500 Amphoren, worunter besonders die zahlreichen gestempelten Sigillaten aus italischen und vereinzelt südgallischen Werkstätten sowie der reiche Bestand an Fibeln herauszuheben ist. Weitere metallische Fundstücke waren Beschläge, Werkzeuge und Eisengerät. Zu den kostbarsten Funden allerdings zählt eine vollständig erhaltene Millefiorischale, die in sehr komplizierter Technik aus weißem, gelbem und dunkelviolettem Glas gefertigt wurde.
Datierung und Geschichte
In Dangstetten lagerte die Legio XIX, die 9 n. Chr. zusammen mit zwei weiteren Legionen in der berühmten Varusschlacht aufgerieben wurde. Durch einen kleinen bronzenen Blechanhänger mit der Inschrift L XIX C III, was für die dritte Kohorte der neunzehnten Legion steht, hat sich die Bezeichnung der Truppeneinheit in Dangstetten erhalten. Die Legion war nach Meinung der Historiker mindestens zwei, wenn nicht drei Jahre stationiert und hatte hier ihr Winterlager.
Wie die neue Lesung der Inschriften auf einer Bleischeibe von rund 3,6 Zentimetern Durchmesser, die im Zuge der Ausgrabung des Lagers in Dangstetten gefunden wurde, zeigt, hielt sich der römische Senator Publius Quinctilius Varus wohl 15 v. Chr. als Legat der Legion in Dangstetten auf.[2][3]
Die sogenannte Terra Sigillata (römisches Tafelgeschirr) ermöglicht eine recht genaue Datierung. Die Stempel des Herstellers auf den Gefäßen lassen weitere Schlüsse zu. Das Lager von Dangstetten ist demnach eindeutig älter als die anderen Lager des Germanienfeldzugs. Es wurde um 20 v. Chr. gebaut und fünf Jahre später aufgelassen.[4] Zuvor ging man davon aus, dass es 15 v. Chr. in Zusammenhang mit den Alpenfeldzügen angelegt und um 8 v. Chr. wieder aufgelassen wurde.
Denkmalschutz, Befundsicherung und Fundverbleib
Das Bodendenkmal Römerlager Dangstetten ist geschützt als eingetragenes Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes des Landes Baden-Württemberg (DSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden. Der wesentliche Teil der Funde, darunter die Millefiorischale, ist heute im Archäologischen Museum Colombischlössle in Freiburg ausgestellt.
Literatur
- Gerhard Fingerlin: Küssaberg−Dangstetten. Lager für eine größere Truppeneinheit. In: Dieter Planck (Hrsg.): Die Römer in Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 1986, ISBN 3-8062-1555-3, S. 156–158.
- Gerhard Fingerlin: Dangstetten I. Katalog der Funde (Fundstellen 1 bis 603). Theiss, Stuttgart 1986, ISBN 3-8062-0775-5 (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 22).
- Gerhard Fingerlin: Dangstetten II. Katalog der Funde (Fundstellen 604 bis 1358). Theiss, Stuttgart 1998, ISBN 3-8062-1402-6 (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 69).
- Gerhard Fingerlin: Römische und keltische Reiter im Lager der 19. Legion von Dangstetten am Hochrhein. In: Archäologische Nachrichten aus Baden 60, Freiburg 1999, ISSN 0178-045X, S. 3–18.
- Gerhard Fingerlin: Die Tore des frührömischen Lagers von Dangstetten (Hochrhein). In: Fundberichte aus Baden-Württemberg 3, 1977, S. 278–285.
- Franz Fischer: Zur historischen Datierung frührömischer Militärstationen. Walenseetürme, Zürich-Lindenhof und Dangstetten. In: Franz Fischer und Rainer Wiegels (Hrsg.): An Oberrhein und oberer Donau. Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte Südwestdeutschland. Leidorf, Rahden/Westfalen 2006, ISBN 3-89646-731-X (Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption, 10), S. 407–414.
- Jürg Leckebusch: Die Herkunft der Kochtöpfe von Dangstetten. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg 22/1, 1998, S. 377−427.
- Hans Ulrich Nuber: P. Quinctilius Varus, Legatus Legionis XIX. Zur Interpretation der Bleischeibe aus Dangstetten, Lkr. Waldshut. In: Archäologisches Korrespondenzblatt 38 (2008), Heft 2, ISSN 0342-734X, S. 223−231.
- Katrin Roth-Rubi: Dangstetten III. Das Tafelgeschirr aus dem Militärlager von Dangstetten. Theiss, Stuttgart 2006, ISBN 3-8062-2065-4, (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 103).
- Katrin Roth-Rubi: Das Militärlager von Dangstetten und seine Rolle für die spätere Westgrenze Raetiens. In: Claus-Michael Hüssen (Hrsg.): Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau. Habelt, Bonn 2004, ISBN 3-7749-3297-2 (Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte, 8), S. 133–148.
- Katrin Roth-Rubi: Bilderwelt und Propaganda im frühaugusteischen Lager von Dangstetten. In: Zsolt Visy (Hrsg.): Limes XIX. Proceedings of the XIXth International Congress of Roman Frontier Studies held in Pécs, Hungary, September 2003. University of Pécs, Pécs 2005, ISBN 963-642-053-X, S. 919–930.
- Rainer Wiegels: Zwei Bleimarken aus dem frührömischen Truppenlager Dangstetten. In: Fundberichte aus Baden-Württemberg 14, 1989, S. 427–456.
- Werner Zanier: Der Alpenfeldzug 15 v. Chr. und die Eroberung Vindelikiens. In: Bayerische Vorgeschichtsblätter 64, 1999, S. 99–132.
Anmerkungen
- ↑ Je nach Literatur wird auch von zwölf Hektar gesprochen.
Einzelnachweise
- ↑ Liselotte Noth: Funde zeugen von altem Heereslager. In: Südkurier vom 19. Dezember 2009; abgerufen am 30. Dezember 2009.
- ↑ Hans Ulrich Nuber: P. Quinctilius Varus siegte ... In: 2000 Jahre Varusschlacht: Imperium. Theiss, Stuttgart, 2009, ISBN 978-3-8062-2278-4, S. 106–113.
- ↑ Das Geheimnis einer Bleischeibe (PDF, 680 KB), Artikel in der Badischen Zeitung vom 3. Mai 2008 auf der Webseite des Förderkreises Archäologie in Baden e.V.; abgerufen am 30. Dezember 2009.
- ↑ Katrin Roth-Rubi 2006.
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