Schöppenstuhl

Schöppenstuhl

Der Schöppenstuhl (mittelhochdeutsch nachgewiesen als scheffenstuol) ist ein historischer Spruchkörper eines Gerichts. Regional wurden gleichbedeutend die Begriffe Schöppenbank oder Schöppenstube verwendet. Während ein weites Begriffsverständnis als Schöppenstuhl ein jegliches Gericht mit Schöffen verstand, war im engeren Sinne ein Obergericht gemeint, das sich zu Rechtsfragen überregional äußerte und somit vorbildhaft für Vorabentscheidungsverfahren gelten kann.

Die Schöppenstühle i.e.S. bildeten sich insbesondere bei Städten, die dem Magdeburger Recht folgten. Schöppenstühle der Städte, die ihr Recht derivativ von den Mutterstädten ableiteten, legten ihre Rechtsfragen dem Schöppenstuhl der jeweiligen Mutterstadt vor. Anders war dies in der Hanse: Auch hier bildeten sich Schöppenstühle, das zentrale Obergericht war allerdings das städtische Ratsgericht in Lübeck.

Die Schöppenstühle entfalteten ihre Bedeutung im Hochmittelalter. Schon seit der Zeit Karls des Großen waren Schöffen bekannt. Schöffengerichte oder Schöppenstühle waren mit sieben oder zwölf Schöffen besetzt, die urteilende Funktion hatten. Die Prozessleitung wurde weiterhin von Schultheißen oder Grafen wahrgenommen. Sie fanden sich gerade im mittel- und ostdeutschen Siedlungsgebiet.

Mit dem 16. Jahrhundert professionalisierte sich das Gerichtswesen. Zunächst wurde die Aufsicht der Landesherrschaft errichtet, später werden echte Obergerichte in den Territorien errichtet. Die meisten Schöppenstühle waren im 17. Jahrhundert bereits beseitigt. Der vermutlich letzte Schöppenstuhl wurde 1863 in Halle an der Saale aufgehoben.

Beispiele

Literatur

  • Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Band IV, Eintrag "Schöppenstuhl", bearb. v. F. Battenberg, Erich Schmidt Verlag Berlin 1990
  • Beer, Peter, Hexenprozesse im Kloster und Klostergebiet Loccum. Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens, V&R unipress 2007, ISBN 978-3-89971-357-2
  • Kriebisch, Angela, Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu Jena - Strukturen, Tätigkeit, Bedeutung und eine Analyse ausgewählter Spruchakten. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-6315-8127-8
  • Schwabe, Walther, Der Aachener Oberhof. Eine Untersuchung über die Bedeutung des Aachener Schöffenstuhls als Obergericht.
  • von Weber, Hellmuth, Schöppenstuhl und Landesherr, Mohr Siebeck 1950

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