- Sexuelle Denunziation
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Der Begriff Sexuelle Denunziation stammt von dem Hamburger Erziehungswissenschaftler Friedrich Koch, der 1986 mit seinem gleichnamigen Buch auf die Systematik der sexuellen Diffamierung in der politischen Auseinandersetzung aufmerksam gemacht hat. Buch und Begriff wurden breit diskutiert, waren Grundlage für eine Große Anfrage der Grünen an die Bundesregierung, sowie für deren Antwort und eine Plenardebatte im Deutschen Bundestag. Der Begriff fand schnell Eingang in die einschlägigen Auseinandersetzungen.
Bedeutung
Die "Sexuelle Denunziation" beschreibt die Methode, Mitmenschen über den Bereich der Sexualität zu diffamieren. Sie kann in allen Bereichen des Alltags auftreten, in der Schule, am Ausbildungs-und Arbeitsplatz, im Freizeitbereich etc. In unserer Gesellschaft ist Homosexualität zweifellos die "klassische" Form der sexuellen Stigmatisierung. Sie wird oft schon im frühen Lebensalter gelernt. Begriffe wie "Schwuli", "Schwuchtel" oder "Homo" gehören in manchen Schülerkreisen zum gängigen Sprachgebrauch. Homosexualität oder auch lesbische Liebe sind freilich nur die gängigsten Etikette der sexuellen Denunziation. Es gibt kaum einen Bereich der Sexualität, der nicht Möglichkeiten zur denunziatorischen Aufbereitung böte. Neben der Homosexualität gibt der weite Bereich der Heterosexualität mannigfaltige Möglichkeiten. Impotenz kann Stigma sein oder auch sexuelle Überaktivität; Pornokonsum, Masturbation (Onanie), Sadismus oder Masochismus. "Maskulines" Verhalten bei Frauen, "feminine" Attituden bei Männern, Sex im Alter oder auch sexuelles Desinteresse in den "besten Jahren". Die Streuung des Gerüchts, dass jemand in zerrütteten Partner-, Ehe- und Familienverhältnissen lebt, ist eine besonders verbreitete Form der sexuellen Denunziation. Nicht immer ist im Alltag die persönliche Herabsetzung beabsichtigt. Oft dient sie nur der psychischen Entlastung und Stabilisierung des Denunzianten. Anders ist es in der Politik. In der politischen Auseinandersetzung ist die sexuelle Denunziation die gezielt eingesetzte Technik zur Ausschaltung des politischen Gegners. Die Beispiele in unserem Kulturkreis sind zahlreich.
Beispiele einer sexuellen Denunziation
Täter und Opfer sind in allen politischen Gruppierungen zu finden - in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Im deutschen Kaiserreich (Harden/Eulenburg), im Dritten Reich (Blomberg/Fritsch; Ernst Röhm) sowie in der jüngsten Vergangenheit (Wörner/Kießling; Barschel-Affäre). Opfer sexueller Denunziation waren unter anderen Willy Brandt, Franz-Josef Strauß, Gerhard Schröder, Helmut Kohl, Björn Engholm, Kurt Biedenkopf, Annette Schavan oder auch Parteien als Ganzes: SPD, Die Grünen. Opfer können auch gesellschaftliche Minderheiten sein. Keine Gruppe wurde je so systematisch sexuell denunziert wie die Juden im Dritten Reich.
Literatur
- Friedrich Koch: Sexuelle Denunziation. Die Sexualität in der politischen Auseinandersetzung. Frankfurt 1986; 2., erweiterte Auflage Hamburg 1995.
- Friedrich Koch: Sexualität und politische Kultur. In: Friedhelm Zubke (Hrsg.): Politische Pädagogik. Beiträge zur Humanisierung der Gesellschaft. Hans-Jochen Gamm zum 65. Geburtstag. Weinheim 1990, Seite 259 ff.
- Siegfried Rudolf Dunde (Hrsg.): Handbuch Sexualität. Weinheim 1992, Seite 33 ff.
- Die sexuelle Denunziation....als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Bundestag, große Anfrage von DIE GRÜNEN (24. Januar 1989) Drucksache 11/3901 und Antwort der Bundesregierung (30. August 1989) Drucksache 11/5107 sowie Drucksache 11/5482
Kategorien:- Diskriminierung
- Handlung und Verhalten
- Sexismus
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