Blomberg-Fritsch-Krise

Blomberg-Fritsch-Krise
Von links nach rechts; Gerd von Rundstedt, Werner von Fritsch und Werner von Blomberg im Jahre 1934

Als Blomberg-Fritsch-Krise werden jene Vorfälle bezeichnet, die im Deutschen Reich zu Jahresbeginn 1938 zur Entlassung des Reichskriegsministers und Oberbefehlshabers der Wehrmacht, Werner von Blomberg, und des Oberbefehlshabers des Heeres, Werner von Fritsch, führten. Die beiden Affären, deren Vorwürfe sich im Falle von Fritschs[1] als haltlos erwiesen, boten Hitler die Möglichkeit, sich der wichtigsten Kritiker (Blomberg, Fritsch und Neurath) seiner aggressiven, konfliktträchtigen Außenpolitik zu entledigen und im Rahmen der Etablierung des Oberkommandos der Wehrmacht den Oberbefehl über die Wehrmacht zu übernehmen.

Inhaltsverzeichnis

Ablauf

Hitler hatte am 5. November 1937 in Anwesenheit von Kriegsminister Werner von Blomberg, den Oberbefehlshabern von Heer (Werner von Fritsch), Marine (Erich Raeder) und Luftwaffe (Hermann Göring) sowie Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath und Hitlers Wehrmachts-Adjutant, Oberst Friedrich Hoßbach, über seine aggressiven außenpolitischen Ziele und deren alsbaldige Umsetzung gesprochen. Er war dabei auf massive Kritik von Blomberg, Fritsch und Neurath gestoßen, wie aus Hoßbachs Niederschrift hervorgeht. Hitler lehnte weiterführende Gespräche mit den Kritikern ab und zog sich bis Mitte Januar nach Berchtesgaden zurück.[2]

Wenige Wochen später tauchten Polizeiakten auf; in der einen wurde die neue Gattin Blombergs seit 1932 als Prostituierte geführt, in der anderen wurde Fritsch aufgrund einer Verwechslung als Homosexueller denunziert. Beide Offiziere wurden daraufhin zum Rücktritt gezwungen. Hitler ergriff die Chance, unliebsame fachliche Kritiker loszuwerden.

Blomberg-Affäre

Der verwitwete Blomberg lernte im September 1937 die 35 Jahre jüngere Margarethe Gruhn[3] kennen, die 1932 von der Berliner Polizei als Prostituierte registriert worden war. Nach wenigen Wochen hielt er um ihre Hand an, wozu er die Zustimmung Hitlers als obersten Befehlshaber der Wehrmacht benötigte. Er deutete lediglich an, seine Verlobte sei ein einfaches „Mädchen aus dem Volke“,[3] und machte sich Sorgen wegen der nicht standesgemäßen Heirat. Hitler bot sofort an, persönlich als Trauzeuge aufzutreten und empfahl Göring als zweiten Trauzeugen.[4] Die Trauung fand im kleinen Kreis am 12. Januar 1938 im Kriegsministerium statt.

Schon wenige Tage nach der Hochzeit begannen die Prostituierten Berlins davon zu reden, dass „eine von ihnen“ die soziale Leiter weit hinaufgestiegen sei und den Kriegsminister geheiratet habe.[4] Der Oberbefehlshaber des Heeres, Fritsch, erhielt einen anonymen Hinweis. Auch der Gestapo kamen jetzt Gerüchte zu Ohren. Helldorf, der Berliner Polizeipräsident, legte Göring, einem der beiden Trauzeugen, die Polizeiakte von Margarethe Gruhn vor. Anhand des Fotos bestätigte Göring die Identität mit der Ehefrau Blombergs. Am 24. Januar 1938 informierte er Hitler.

Nachdem Blomberg sich geweigert hatte, seine Ehe annullieren zu lassen, wurde er am 27. Januar 1938 von Hitler entlassen. Bei seinem Abschied erhielt Blomberg einen "goldenen Handschlag" von 50.000 Reichsmark.[5]

Fritsch-Affäre

Am 24. Januar 1938, nachdem er von Blombergs Mesalliance erfahren hatte, erinnerte Hitler sich[6] an den Anflug eines Skandals von 1936 um Generaloberst von Fritsch, der damals in den Verdacht geraten war, er sei 1933 durch einen Berliner Strichjungen namens Otto Schmidt wegen angeblicher homosexueller Handlungen erpresst worden. Am frühen Morgen des 25. Januar lag die alte Akte, besorgt von Heydrich, dem Chef der Sicherheitspolizei, auf Hitlers Schreibtisch. Hitler wollte Fritsch nicht ebenso wie Blomberg loswerden, sondern sicher sein und einen neuen möglichen Skandal vermeiden. Er übergab die schmale Akte an seinen Adjutanten Hoßbach, verbunden mit dem Befehl, absolutes Stillschweigen zu bewahren. Hoßbach informierte dennoch den Oberbefehlshaber des Heeres. Der brütete anschließend verständlicherweise über den Anschuldigungen und deren möglichen Grund. Er erinnerte sich, dass er 1933/34 mit einem Hitlerjungen, in der Regel unter vier Augen, das Mittagessen eingenommen hatte, um der Aufforderung nachzukommen, im Rahmen der Winterhilfskampagne Bedürftige mit freien Mahlzeiten zu versorgen. Er nahm an, dass böswillige Zungen das falsch interpretiert hätten. Am nächsten Tag beteuerte Fritsch in der Reichskanzlei gegenüber Hitler seine Unschuld, machte aber dabei den Fehler, Hitler die harmlose Geschichte mit dem Hitlerjungen zu erzählen. Hitlers Verdacht stieg sofort, und als der danach hereingeführte Häftling Otto Schmidt, der aus dem Strafgefangenenlager Börgermoor im Emsland herbeigeholt worden war, auf seinen Anschuldigungen beharrte, verlor Hitler sein Vertrauen in Fritsch, wie Goebbels in seinem Tagebuch vermerkte.[7]

Am 3. Februar 1938 forderte Hitler von Fritsch dessen Rücktritt. Am 5. Februar gab er in einer Kabinettsitzung (s. u.) bekannt, dass die beiden Generäle Blomberg und Fritsch aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten seien.

Da der Zeuge Otto Schmidt am 18. März 1938 seine Aussage widerrief, wurde Fritsch von einem militärischen Ehrengericht freigesprochen, aber dennoch nicht voll rehabilitiert. Er wurde lediglich zum Regimentschef seines alten Artillerieregiments ernannt. Als Chef dieses Regiments fiel er am 22. September 1939 im Polenfeldzug vor Warschau.

Folgen

Hitler löste nach dem Abgang der beiden Offiziere das Reichskriegsministerium auf und bildete daraus das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) mit Keitel als Chef. Die Führung der Wehrmacht übernahm er selbst. Zum Oberkommandierenden des Heeres ernannte er General von Brauchitsch, der als willfährig galt und ihm bereits zugesagt hatte, das Heer näher an den Nationalsozialismus heranzuführen. [8]

Der Völkische Beobachter veröffentlichte am 5. Februar 1938 unter der Balkenschlagzeile: „Stärkste Konzentration aller Kräfte in der Hand des Obersten Führers“[9] eine Liste aller Umbesetzungen.

In einer Kabinettssitzung am 5. Februar 1938 – es sollte die letzte während des Dritten Reiches sein – machte Hitler auch die Ablösung des Außenministers von Neurath durch von Ribbentrop öffentlich. In diesem Zusammenhang wurden auch wichtige Botschafterposten (Tokio (Herbert von Dirksen), Wien (Franz von Papen, Rom (Ulrich von Hassell)) neu besetzt. Außerdem wurde der Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht durch Walter Funk ersetzt. Im Ganzen „leitete Hitler sicherlich auch die Absicht, das Spektakel der Entlassung von Blomberg und Fritsch hinter den Nebeln eines umfassenden Personalschubs zu verbergen.“[10]

Hans Heinrich Lammers wurde Chef der Reichskanzlei. Otto Dietrich wurde Staatssekretär im Reichspropagandaministerium. Neuer Chefadjutant der Wehrmacht bei Hitler wurde Rudolf Schmundt an Stelle von Friedrich Hoßbach.

Im Zuge der Umgliederung wurden auch 16 ältere Generäle pensioniert und 44 versetzt. Göring, der den Posten des Kriegsministers angestrebt, aber nicht erhalten hatte, wurde mit der Ernennung zum Generalfeldmarschall abgefunden.

Fazit

Die Affäre Fritsch-Blomberg und die damit zusammenhängenden Rücktritte brachten Hitler handstreichartig an die Schaltstellen der militärischen Macht. Auch sein unmittelbarer, zum Kriege drängender Einfluss auf das Auswärtige Amt wuchs, da der neue Außenminister Ribbentrop keinerlei mäßigende Funktion gegenüber dem Diktator ausübte. Die Ressentiments des Offizierskorps gegen diese Kursänderung fanden wegen der außenpolitischen Erfolge der nächsten Monate (Anschluss Österreichs und des Sudetenlandes) keine Beachtung. Nach dem Rücktritt von Generalstabschef Beck im August 1938, der ein entschiedener Gegner von Hitlers Kriegskurs war, stand nun Hitler niemand mehr im Weg, seine politischen Ziele auch mit militärischen Mitteln zu erreichen.

Siehe auch: Vierjahresplan zur Aufrüstung der Wehrmacht von 1936

Literatur

  • Olaf Groehler: Das Revirement in der Wehrmachtsführung 1937/38. In: Dietrich Eichholtz, Kurt Pätzold (Hrsg.): Der Weg in den Krieg, Studien zur Geschichte der Vorkriegsjahre (1935/36 bis 1939). Berlin 1989, S. 113 – 149. (Einzige größere Arbeit aus DDR-marxistischer-Sicht dazu.)
  • Heinz Höhne: Entehrend für die ganze Armee. Der Fall Fritsch-Blomberg 1938 In: Der Spiegel
    • Heinz Höhne: Entehrend für die ganze Armee. In: Der Spiegel. Nr. 5, 1984 (online).
    • Heinz Höhne: Entehrend für die ganze Armee. Der Fall Fritsch-Blomberg 1938 (II). In: Der Spiegel. Nr. 6, 1984 (online).
    • Heinz Höhne: Entehrend für die ganze Armee. Der Fall Fritsch-Blomberg 1938 (III). In: Der Spiegel. Nr. 7, 1984 (online).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Ian Kershaw: Hitler. 1936–1945. S. 96ff. Zur Blomberg-Affäre siehe Ian Kershaw: Hitler. 1936–1945. S. 93–96.
  2. Joachim Fest: Hitler. Frankfurt 1973. S. 744.
  3. a b Ian Kershaw: Hitler. 1936 - 1945. S. 94.
  4. a b Vgl. Ian Kershaw: Hitler. 1936–1945. S. 94.
  5. Ian Kershaw: Hitler. 1936–1945. S. 96.
  6. Vgl. zum Folgenden Ian Kershaw: Hitler. 1936–1945. S. 96–102,
  7. Vgl. Ian Kershaw: Hitler. 1936–1945. S. 98, Anm. 314.
  8. Jodl: Tagebücher.IMT XXVIII, S. 357, zitiert in Fest, S. 747.
  9. Zit. n. Groehler, S. 113.
  10. Joachim Fest: Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli. S. 66.

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