- Christoph Meili
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Christoph Meili (* 21. April 1968) ist ein Schweizer Whistleblower, der 1997 die vermeintliche Vernichtung von alten Bankbelegen über nachrichtenlose Vermögen von Holocaust-Opfern bei der Schweizerischen Bankgesellschaft publik machte.
Inhaltsverzeichnis
Der «Fall Meili»
Meili arbeitete 1997 als Nachtwächter bei der Schweizerischen Bankgesellschaft. Er beobachtete, dass zahlreiche Belege über Bankbeziehungen mit (wie er meinte) jüdischen Holocaust-Opfern für den Schredder bereitgestellt wurden. Die Vernichtung von Akten über solche nachrichtenlosen Vermögenswerte wurde in der Schweiz im Jahr zuvor verboten.[1] In der Nacht vom 8. zum 9. Januar 1997[2] nahm er einige dieser Belege aus den Bankräumlichkeiten zu sich nach Hause, um sie bald darauf Vertretern einer jüdischen Organisation zu übergeben. Diese übergaben die Dokumente sogleich der schweizerischen Kriminalpolizei. Die Presse berichtete am 14. Januar 1997 über den Vorfall.[3] Dabei wurde übersehen, dass die "geretteten" Akten aus den Jahren 1897 bis 1927 stammten[4] und somit nicht direkt mit nachrichtenlosen Vermögen in Zusammenhang stehen konnten.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich eröffnete darauf ein Strafverfahren gegen Meili[4] wegen Verstosses gegen das Bankgeheimnis[5], was in der Schweiz ein Offizialdelikt ist.[6] Der US-amerikanische Anwalt Ed Fagan kontaktierte Meili und bewog diesen, in die USA auszuwandern, wo er und seine Familie – unterstützt von Fagan und Senator Alfonse D'Amato – in Genuss eines erleichterten Einwanderungsverfahrens kamen bzw. politisches Asyl erhielten.[7][8] Laut einem amerikanischen Pressebericht sind Meili und seine Familie die einzigen Schweizer, die je in den Vereinigten Staaten politisches Asyl erhielten.[9] Am 13. Januar 1998 erhob Fagan in Meilis Namen Klage gegen die SBG und forderte eine Summe von 2,56 Milliarden U.S. Dollar. Der Vergleich der Schweizer Banken mit den Klägern in der Höhe von 1,25 Milliarden U.S. Dollar vom 13. August 1998 deckte auch Meilis Klage ab und beendete diese somit.[10] Ebenfalls 1998 wurde die Strafuntersuchung des Kantons Zürich gegen Meili mangels strafbaren Verhaltens eingestellt.[4]
Weitere Entwicklung
Meilis Ehe wurde Ende Februar 2002 geschieden.[11] In der Zeitung Die Weltwoche kritisierte Meili Fagan, der ihn instrumentalisiert und dann im Stich gelassen habe. Meili gab an, die 1 Million US-Dollar, die er nach dem Vergleich mit den Banken hätte bekommen sollen, nie erhalten zu haben.[12] Laut einem Bericht der Zeitschrift Facts vom 17. März 2005 hatte er 750'000 Dollar erhalten.[13] Im April 2004 lancierte Fagan erneut eine Kampagne gegen die Schweizer Banken im Zusammenhang mit Zwangsarbeit bei der I.G. Farben im Zweiten Weltkrieg. Dabei wurde er anscheinend wiederum von Meili unterstützt.[14][15]
Die Schweizer Journalistin Patricia Diermeier veröffentlichte 2003 ein im Orell Füssli Verlag ein Buch über die Ereignisse rund um Meili "Meili - Mission zwischen Moral und Milliarden", das medial grosse Beachtung fand. Von einer jüdischen Organisation erhielt Meili ein Stipendium, um in New Jersey mit einem Studium in Kommunikationswissenschaften[16] eine neue Existenz in den USA aufzubauen. Nach Abschluss dieses College-Studiums[16] im Mai 2004[2] arbeitete er dennoch wieder als Wachmann. Am 14. Mai 2005 wurde er in den USA eingebürgert.[16] In einem Interview mit der Schweizer Zeitung Sonntagsblick, das am 21. Oktober 2006 publiziert wurde, wiederholte Meili seine Kritik an Fagan und den jüdischen Organisationen.[17][18] Als Reaktion auf die Darstellung im Sonntagsblick veröffentlichte Meili am 23. Oktober 2006 auf Google-Video eine Replik mit dem Titel Blick lügt.
Meili veröffentlicht gelegentlich Videos auf YouTube, in denen er über sein Privatleben erzählt. Zuletzt veröffentlichte er Mitte Januar 2009 ein Video, in dem er bekannt gab, wegen finanziellen Problemen aus seiner bisherigen Wohnung ausgezogen zu sein und in seinem Auto zu wohnen.[19]
Am 2. April 2009 kehrte Meili nach mehr als elf Jahren Aufenthalt in den USA wieder in die Schweiz zurück.[20] Die Rückkehr wurde auf eine bereits im Vorfeld organisierte medienwirksame Art inszeniert. Auf seiner Heimreise aus den USA wurde Meili von Journalisten des Ringier-Verlags, dem Herausgeber der Boulevardzeitungen Blick und Sonntagsblick, begleitet. Laut Medienberichten soll Ringier Meili finanzielle Unterstützung zugesprochen haben.[21]
Quellen
- ↑ Schweizer Parlament: Parlamentarische Initiative 96.434: Bundesbeschluss betreffend die historische und rechtliche Untersuchung des Schicksals der infolge der nationalsozialistischen Herrschaft in die Schweiz gelangten Vermögenswerte, trat in Kraft am 14. Dezember 1996. Dieser Beschluss war die legale Grundlage der Bergier-Kommission, die am 19. Dezember 1996 konstituiert wurde. Die Artikel 4, 5 und 7 verboten die Zerstörung von Akten, die nachrichtenlose Vermögen betrafen. Siehe Chronologie: Die Schweiz im Zweiten Weltkrieg – Detaillierte Übersicht 1994–95 bezügl. der genauen Daten.
- ↑ a b Diermeier, P.: Meili - Mission zwischen Moral und Milliarden, Orell Füssli Verlag, Zürich, 2003. ISBN 3-280-06009-5.
- ↑ Schweizer Parlament: Chronologie: Die Schweiz im Zweiten Weltkrieg – Detaillierte Übersicht 1997.
- ↑ a b c Kantonsparlament Zürich: Protokoll der Sitzung von Montag, 20. April 1998 (Word-Dokument).
- ↑ Schweizer Gesetz: Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG), Artikel 47
- ↑ Schwarb, T.M.: „Ich verpfeife meine Firma“ – Einführung in das Phänomen Whistle-Blowing, Fachhochschule Solothurn, July 1998.
- ↑ U.S. Congress: Bill S.768: A bill for the relief of Michel Christopher Meili, Giuseppina Meili, Mirjam Naomi Meili, and Davide Meili; wurde von Präsident Bill Clinton am 29. Juli 1997 unterschrieben und wurde so zu private law 105-1.
- ↑ Schweizer Parlament, Sommersession 1997: Frage Schlüer und die Antwort von Bundesratsmitglied Flavio Cotti.
- ↑ PRNewswire: L.A. Jewish Community Honors Christoph Meili At May 8th Dinner at the Beverly Hilton Hotel, Agenturmeldung vom 1. Mai 2000.
- ↑ Schweizer Parlament: Chronologie: Die Schweiz im Zweiten Weltkrieg – Detaillierte Übersicht 1998
- ↑ Ain, S.: Amid Personal Hardship, Rescuer of Swiss Bank Documents to Receive Payment (in Englisch), World Jewry, 28. Februar 2002; United Jewish Communities.
- ↑ Meili, Ch. (Interview aufgezeichnet von Diermeier, P.): Christoph Meili, Die Weltwoche 38/03; 2003.
- ↑ Facts, Der Bumerang, Facts 05/11, p. 10; 17. März 2005.
- ↑ Basler Zeitung: Holocaust-Gelder - neue Vorwürfe gegen UBS, 14. April 2004
- ↑ SF DRS, 10 vor 10, Fernsehnachrichten vom 15. April 2004.
- ↑ a b c Basler Zeitung: [1], 14. Mai, 2005
- ↑ Basler Zeitung: Banken-Coup: Christoph Meili möchte die Uhr zurückdrehen, Oktober 2006.
- ↑ 20minuten.ch, 16. Januar 2009: Christoph Meili: «Jetzt wohne ich im Auto»
- ↑ 20minuten.ch, 5. April 2009
- ↑ 20minuten.ch, 6. April 2009
Weblinks
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