Vivian Maier

Vivian Maier

Vivian Maier (* 1. Februar 1926 in New York City; † 21. April 2009 in Chicago) war eine amerikanische Amateur-Straßenfotografin.

Ihre Fotografien blieben unbekannt und die meisten ihrer Filme unentwickelt, bis sie von einem Heimatforscher im Jahr 2007 bei einer Zwangsversteigerung entdeckt wurden. Die Würdigung von Maiers Werk begann erst nach ihrem Tod.[1] Seither sind ihre Bilder in Zeitschriften in Italien, Argentinien und England erschienen und wurden in Gruppenausstellungen in Dänemark und Norwegen gezeigt. Maiers erste Einzelausstellung wird am Chicago Cultural Center von Januar bis April 2011 gezeigt.[2] Vom 27. Januar 2011 bis zum 28. April 2011 waren ihre Fotografien in der Hamburger Galerie Hilaneh von Kories erstmals in Deutschland zu sehen.[3] Vom 10. Oktober bis 9. Dezember 2011 werden sie im Amerika Haus München gezeigt.[4]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Maier wuchs in Frankreich auf und arbeitete nach ihrer Rückkehr in die Vereinigten Staaten während eines Zeitraums von 40 Jahren in Chicago als Kindermädchen. In dieser Zeit machte sie etwa 100.000 Aufnahmen, in der Hauptsache von Menschen und Stadtansichten. Sie fotografierte überwiegend in Chicago, bereiste aber die ganze Welt und nahm auch an jedem ihrer Reiseziele Bilder auf.

Maiers Lebensumstände werden gegenwärtig noch erforscht. Obwohl zuerst angenommen wurde, dass ihr Geburtsort in Frankreich lag,[5] ergaben weitere Nachforschungen, dass sie in New York City als Tochter der Französin Maria Jaussaud und des Österreichers Charles Maier geboren wurde. Sie zog mehrmals zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich hin und her. Ihre damaligen Wohnorte in Frankreich sind zur Zeit noch unbekannt.

Maiers Vater scheint die Familie aus noch unbekannten Gründen um 1930 verlassen zu haben. Bei der Volkszählung in diesem Jahr wurde die zu Beginn der 1900er Jahre preisgekrönte Porträt-Fotografin Jeanne Bertrand – eine Bekannte von Gertrude Vanderbilt Whitney, der Gründerin des Whitney Museum of American Art – als Haushaltsvorstand angegeben.[2]

Im Jahr 1951, im Alter von 25 Jahren, zog Vivian Maier von Frankreich nach New York und arbeitete für einige Zeit in einem Sweatshop. Sie zog 1956 in die nördlichen Vororte von Chicago in der Metropolregion Chicago und arbeitete in den folgenden 40 Jahren als Kindermädchen, davon 14 Jahre bei einer einzelnen Familie.

Die Berichte der Familien, für die Maier arbeitete, schildern sie als sehr zurückgezogene Frau. Maier verbrachte offenbar den größten Teil ihrer Freizeit damit, durch die Straßen von Chicago zu laufen und – meist mit einer zweiäugigen Rolleiflex – Fotos aufzunehmen.[6]

John Maloof, der die Arbeiten Maiers bei einer Zwangsversteigerung entdeckte, fasst die Schilderungen der Erwachsenen, die als Kinder von Maier betreut wurden, zusammen:

„She was a Socialist, a Feminist, a movie critic, and a tell-it-like-it-is type of person. She learned English by going to theaters, which she loved. She wore a men's jacket, men's shoes and a large hat most of the time. She was constantly taking pictures, which she didn't show anyone.“

„Sie war Sozialistin, Feministin, Filmkritikerin und eine Art Sagen-wir-es-wie-es-ist-Mensch. Sie lernte Englisch, indem sie Theater besuchte, und sie liebte das Theater. Sie trug ein Herrenjackett, Herrenschuhe und meistens einen großen Hut. Sie machte ständig Fotos und zeigte sie niemandem.“

John Maloof[7]

Zwischen 1959 und 1960 reiste Maier nach Los Angeles, Manila, Bangkok, Beijing, Ägypten, Italien und in den Südwesten der Vereinigten Staaten. An allen diesen Orten machte sie Aufnahmen. Sie finanzierte die Reise wahrscheinlich durch den Verkauf eines Bauernhofs der Familie im Elsaß.

In den 1970er Jahren arbeitete Maier für kurze Zeit als Kindermädchen für den US-amerikanischen Fernsehjournalisten Phil Donahue.

Im Lauf ihres Lebens sammelte Maier immer mehr Kisten mit ihrem Besitz und brachte sie zu jeder neuen Arbeitsstelle mit. Im Haus eines Arbeitgebers verstaute sie schließlich 200 Kisten mit ihrem Material, meist Abzüge oder Negative; sie sammelte aber auch andere Objekte wie etwa Zeitungen.[2] Einige Male nahm sie auch Unterhaltungen auf, die sie mit den Menschen führte, die von ihr fotografiert wurden.[6]

Zum Ende ihres Lebens war Maier möglicherweise einige Zeit wohnungslos. Sie lebte von US-amerikanischer Sozialhilfe und hatte vielleicht noch eine andere Einkommensquelle. Die Erwachsenen, die Maier als Kinder in den 1950er Jahren betreut hatte, kauften ihr schließlich ein Appartement und zahlten ihre Rechnungen.

Im Jahr 2008 rutschte Maier auf eisglattem Boden aus und schlug ihren Kopf auf. Von diesem Unfall erholte sie sich nicht mehr völlig und starb im Jahr darauf.[5][2]

Fotografie

Viele von Maiers Bildern zeigen Straßenszenen im Chicago und New York der 1950er und 1960er Jahre. Ein Artikel in The Independent beschreibt ihre Fotografien so:

„The well-to-do shoppers of Chicago stroll and gossip in all their department-store finery before Maier, but the most arresting subjects are those people on the margins of successful, rich America in the 1950s and 1960s: the kids, the black maids, the bums flaked out on shop stoops.“[5]

Maiers fotografisches Erbe – einige 100.000 Negative, von denen ein großer Teil bisher nicht entwickelt worden war – wurde von dem seinerzeit 26 Jahre alten Makler John Maloof entdeckt. Er war zugleich Vorsitzender der Jefferson Park Historical Society in Chicago und arbeitete an einem Buch über die Gegend von Portage Park in Chicago.[8]

Maloof kaufte 30.000 Abzüge und Negative von einem Auktionshaus, das die Fotografien vom Betreiber eines Mietlagers erhalten hatte, nachdem Maier die Miete nicht mehr zahlen konnte.[1] Nachdem er den ersten Posten von Maiers Fotografien im Jahr 2007 erworben hatte, kaufte er den restlichen Bestand von einem anderen Käufer derselben Auktion.[9][1][2]

Maloof entdeckte zwar Maiers Namen in einer früheren Phase seiner Recherchen, es gelang ihm aber nicht, weitere Einzelheiten über Maier zu erfahren, bis er schließlich ihre Todesanzeige in der Chicago Tribune fand.[10]

Im Jahr 2009 veröffentlichte Maloof einige von Maiers Fotografien in einem Blog und kündigte an, dass er ein Buch über ihr Leben und Werk verfassen wolle.[11] Dieses Buch wird voraussichtlich im Herbst 2011 erscheinen.

Ein Dokumentarfilm mit dem Titel Finding Vivian Maier über Maier und die Entdeckung Maloofs soll im Jahr 2012 veröffentlicht werden.[12]

Maiers Fotografien und die Umstände ihrer Entdeckung weckten international Aufmerksamkeit in den Publikumsmedien.[5][13] [14][1]

Quellen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Vivian Maier. WTTW (22. Dezember 2010). Abgerufen am 8. Januar 2011. Beitrag in Chicago Tonight.
  2. a b c d e Nora O'Donnell (Januar 2011): The Life and Work of Street Photographer Vivian Maier. Chicago Magazine. Abgerufen am 4. Januar 2011.
  3. Galerie Hilaneh von Kories. http://www.galeriehilanehvonkories.de/de/maier/twinkle/. Abgerufen am 31. Januar 2011
  4. http://www.amerikahaus.de
  5. a b c d Little Miss Big Shot. The Independent (1. November 2009). Abgerufen am 4. Januar 2011.
  6. a b Mary Houlihan (2. Januar 2011): A developing picture: The story of Vivian Maier. The Chicago Sun-Times. Abgerufen am 8. Januar 2011.
  7. Unfolding the Vivian Maier mystery …. John Maloof (22. Oktober 2009). Abgerufen am 14. November 2009. Blogeintrag.
  8. Newsletter Nr. IX (PDF). Jefferson Park Historical Society of 2002 (Januar 2009). Abgerufen am 7. März 2011. „… we celebrated the publishing of a new book, ‚Portage Park‘, authored by JPHS executive board members Dan Pogorzelski and John Maloof“ S. 2
  9. John Maloof (Oktober 2009): Unfolding the Vivian Maier mystery …. Abgerufen am 14. November 2009.
  10. FAZ vom 14.August 2010, Seite Z3: Von ihrem Leben blieb nur ihr Blick auf die Welt
  11. John Maloof: Vivian Maier – Her Discovered Work. Abgerufen am 11. Januar 2011.
  12. Finding Vivian Maier – a feature length documentary film. Kickstarter. Abgerufen am 4. Januar 2011.
  13. Cecilia Profetico (22. Oktober 2009): Tras una subasta, encuentran 40.000 negativos escondidos en un mueble. Clarín. Abgerufen am 7. März 2011.
  14. Line Thorén (9. November 2009): Hemlös fotograf slår igenom – efter sin död. Aftonbladet. Abgerufen am 4. Januar 2011.

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