Volksbegehren „Schlanker Staat ohne Senat“

Volksbegehren „Schlanker Staat ohne Senat“

Das Volksbegehren „Schlanker Staat ohne Senat“ war ein Volksbegehren in Bayern, das in den Jahren 1996 und 1997 von der ÖDP organisiert worden war. Beim entsprechenden Volksentscheid am 8. Februar 1998 stimmten 69,2 % der Wähler für die Abschaffung des bayerischen Senats, der daraufhin im Jahr 1999 aufgelöst wurde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Planung

Im Oktober 1996 hatte die bayerische ÖDP auf ihrem Landesparteitag einen Grundsatzbeschluss gefasst, wonach ein Volksbegehren gestartet werden sollte, das die Abschaffung des bayerischen Senats zum Ziel hat.[1] Obwohl dies in der Presse zunächst eher wenig Beachtung gefunden hatte, erhielt die Partei ein Schreiben von Walter Schmitt-Glaeser, dem damaligen Senatspräsidenten, der ihr nahelegte, dieses Vorhaben zu überdenken.[1]

Unterschriftensammlung und Eintragungsfrist

Nachdem die ÖDP einen entsprechenden Gesetzesentwurf ausgearbeitet hatte, sammelte sie in den Folgemonaten die hierfür benötigten 25.000 Unterschriften, um diese bereits zum Politischen Aschermittwoch im Februar 1997 der Öffentlichkeit zu präsentieren.[2] Zum Erreichen dieses Ziels wurde die Unterschriftensammlung selbst bei extremen Temperaturen durchgeführt.[2] Unterstützung erhielt die ÖDP auch von anderen Organisationen, unter anderem von SPD, GRÜNEN, FDP, der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Junglehrer und Animal 2000.[2][3]

Cover einer Mini-CD, von den Jungen Ökologen anlässlich des Volksbegehrens an die Senatoren verschickt

Danach musste die von 10. bis 23. Juli andauernde Eintragungsfrist überwunden werden, bei der sich zehn Prozent aller Wahlberechtigten in den Rathäusern eintragen mussten. Dies war die Voraussetzung dafür, damit das Volksbegehren durchgeführt werden konnte. Um für das Volksbegehren zu werben, veranstaltete die ÖDP Infostände, bei denen einzelne Parteimitglieder als römische Senatoren verkleidet waren und mit Geld um sich warfen.[4] Damit sollte symbolisiert werden, dass der Senat dem Steuerzahler jährlich viel Geld koste und mittels seiner Existenz „Geld zum Fenster hinausgeworfen“ werde.[4]

Durchführung

Prominente Unterstützer außerhalb der Partei waren unter anderem Renate Schmidt (SPD), Hildegard Hamm-Brücher (FDP) und der Schauspieler Robert Atzorn.[2] Am Stichtag hatten sich insgesamt 928.652 Bürger[3] – und damit 10,5 % aller Wahlberechtigten – eingetragen. Regional fiel die Zustimmung dabei sehr unterschiedlich aus. Hatten in Cham sich weniger als sechs Prozent eingetragen, so waren es in der Landeshauptstadt München 11,6 %; landesweiter Spitzenreiter war Memmingen, wo mehr als 22 % hatten mobilisiert werden können.[3]

Die CSU präsentierte derweil einen Gegenvorschlag, wonach der Senat einer Reform unterzogen werden sollte. Demnach sollte beispielsweise die Zusammensetzung der dort vertretenen Verbände verändert, die Frauenquote erhöht und das Mindestalter von vierzig Jahren aufgehoben werden.[5]

Der Volksentscheid selbst fand am 8. Februar 1998 statt und verlief erfolgreich. An der Abstimmung beteiligten sich 39,9 % der Stimmberechtigten. Von den gültigen Stimmen entfielen 69,2 % auf den Gesetzentwurf des Volksbegehrens. Das entsprach einer Zustimmung von 27,3 % der insgesamt Stimmberechtigten. Auf den Gesetzentwurf des Landtags zur Reform des Senats entfielen 23,6 % der gültigen Stimmen.[6]

Klage der Senatoren

Die insgesamt 60 Senatoren klagten in der Folgezeit zunächst vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen die Auflösung des Senates; dieser erklärte jedoch am 17. September 1999 den Volksentscheid für gültig.[7] Der Senat wurde daraufhin mit Wirkung vom 1. Januar 2000 aufgelöst.

Auf der anderen Seite legte das Gericht jedoch fest, dass die Quoren für erfolgreiche Volksbegehren in diesem Bundesland künftig auf 25 Prozent erhöht werden; demnach muss ein verfassungsändernder Volksentscheid in Zukunft von 25 Prozent aller Wahlberechtigten abgesegnet werden.[7] Vonseiten der ÖDP wurde gemutmaßt, dass diese Urteilsentscheidung – die überflüssig war, da das Volksbegehren ein Quorum von 27,3 % erreicht hatte – eine Art Trostpreis für die CSU darstellen sollte. Daraufhin strengte erstere ein Volksbegehren „Unabhängige Richter/innen“ an, wonach die Richter des bayerischen Verfassungsgerichtshof künftig mit Zweidrittelmehrheit des Landtags – analog der Wahl der Bundesverfassungsrichter durch den Bundestag – gewählt werden müssen.[8] Dies scheiterte jedoch.

Siehe auch

Volksgesetzgebung in Bayern

Literatur

  • Raphael Mankau (Hrsg.): 20 Jahre ÖDP – Anfänge, Gegenwart und Perspektiven ökologisch-demokratischer Politik. dolata verlag, Rimpar 1999, ISBN 3-344-70790-6.

Einzelnachweise

  1. a b Mankau, S. 185
  2. a b c d Mankau, S. 186
  3. a b c Raphael Mankau: Erfolgreiches Volksbegehren in Bayern – 928.652 Menschen für schlanken Staat. In: ÖkologiePolitik. September 1997 (Online, abgerufen am 25. September 2008).
  4. a b Mankau, S. 188
  5. Gesetzentwurf zur Reform der Bayerischen Verfassung, den Senat betreffend – Senatsreformgesetz –, Bayerischer Landtag, Drucksache 13/9097
  6. Bekanntmachung des Landeswahlleiters des Freistaates Bayern vom 18. Februar 1998, StAnz Nr. 8 vom 20. Februar 1998 S. 3
  7. a b Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 17. September 1999, Vf. 12-VIII-98, Vf. 14-VII-98 und Vf. 15-VII-98
  8. Urban Mangold: Bayerns ÖDP zum Senats-Urteil des Verfassungsgerichts – Sieg und Niederlage. In: ÖkologiePolitik. November 1999 (Online, abgerufen am 25. September 2008).

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