Wir sind ein Volk

Wir sind ein Volk

Der deutsche Ruf „Wir sind ein Volk“ hebt auf die Einheit Deutschlands und des deutschen Volkes ab. Er ging zur Wende aus der Parole „Wir sind das Volk“ hervor.

Inhaltsverzeichnis

Wir sind das Volk – Wir sind ein Volk

Wir sind das Volk“ war das Motto bei den Leipziger Montagsdemonstrationen im Jahr 1989. Zehntausende Demonstranten skandierten den Ausruf verstärkt während der Friedlichen Revolution in regelmäßiger Wiederholung. Erstmalig gerufen wurde er bei einer Leipziger Großdemonstration am 9. Oktober 1989.[1] Als die Demonstrationen sich nachfolgend auf andere ostdeutsche Städte ausweiteten, wurde diese Losung überall gebräuchlich.

Durch den späteren Austausch eines einzigen Wortes zu „Wir sind ein Volk“ bekam der Demonstrationsruf eine weitreichende politische Tragweite, die nachfolgend weltpolitisch starke Auswirkungen hatte. Der Wechsel der Demonstrationsparole zeigte den Willen der ostdeutschen Bürger zur deutschen Wiedervereinigung an, den westdeutsche Politiker, vor allem Bundeskanzler Helmut Kohl, dazu nutzten, die Einheit Deutschlands mit den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges auszuhandeln.

Entstehungsgeschichte des Wechsels der Demonstrationsparole

Es ist bis zum heutigen Tag nicht geklärt, wann der Wechsel der Demonstrationsparole erstmalig erfolgte, vermutlich aber erst nach der Maueröffnung am 9. November 1989.

Auf einem Flugblatt vom 9. Oktober 1989 ist der Satz „Wir sind ein Volk“ gesperrt geschrieben vermerkt. Das Schreiben wendete sich aber an die Volkspolizisten und forderte diese zum Gewaltverzicht auf – die Wiedervereinigung Deutschlands war damit nicht gemeint.[2]

Am 11. November 1989 titelte die Bild (Untertitel: „Die Wiedervereinigung Deutschlands – Das ist unser Auftrag!“):

„Wir sind das Volk“ rufen sie heute – „Wir sind ein Volk“ rufen sie morgen![3]

Dadurch wurde der Ruf erstmals großflächig verbreitet und mit der Forderung zur staatlichen Vereinigung verbunden. Bei der ersten Montagsdemonstration nach der Maueröffnung in Leipzig am 13. November 1989 wurde Augenzeugenberichten zufolge von kleineren Gruppen erstmalig der neue Demonstrationsruf skandiert. Da die Berliner Mauer offen gewesen ist, bleibt ungeklärt, ob dieser Ausruf von West- oder Ostdeutschen ausging.

Nachfolgend ließ die CDU Plakate, Handzettel und Autoaufkleber mit dem neuen Schlachtruf in Hunderttausender Auflage drucken. Von Mitte Januar 1990 an wurde der Ruf in der DDR flächendeckend plakatiert. Der Spitzenkanditat der CDU in der DDR, Lothar de Maizière, ließ sich zur Volkskammerwahl 1990 auf Wahlplakaten so in Szene setzen, dass der Eindruck entstand, der Satz sei von ihm.[4][5]

Deutschland einig Vaterland

Auf den Demonstrationen, die sich an die Maueröffnung anschlossen, soll Augenzeugenberichten zufolge der Satz „Wir sind ein Volk!“ seltener gerufen worden sein als der Satz „Deutschland einig Vaterland!“. Zuletzt genanntes Motto ist der Nationalhymne der DDR entnommen.[6]

Nach Recherchen des Deutschlandradios ist der Slogan „Deutschland einig Vaterland“ ebenso wie „Wir sind ein Volk“ von Westdeutschland aus in den Leipziger Montagsdemonstrationen platziert worden. Auf Initiative des 1976 vom Westen aus der DDR freigekauften Schriftstellers und Systemkritikers Siegmar Faust wurde er noch vor dem Mauerfall einem Leipziger Senioren, der in den Westen reisen durfte, anvertraut. Dafür erhielt der Rentner angeblich 1000 DM. Stattgefunden habe diese Absprache am Rande eines Kongresses der rechtskonservativen Paneuropa-Union in West-Berlin.[7]

Einzelnachweise

  1. Länderreport Deutschlandradio Kultur, 29. September 2005
  2. Länderreport Deutschlandradio Kultur, 29. September 2005
  3. Länderreport Deutschlandradio Kultur, 29. September 2005
  4. Länderreport Deutschlandradio Kultur, 29. September 2005
  5. Feier anlässlich des 70. Geburtstages von Dr. Lothar de Maizière, Webseite des INFRANEU-Hauptverbandes
  6. Länderreport Deutschlandradio Kultur, 29. September 2005
  7. Thilo Schmidt: Deutsche Rufe (3): Deutschland, einig Vaterland, Deutschlandradio Kultur, 23. September 2009.

Literatur

  • Vanessa Fischer: „Wir sind ein Volk“. Die Geschichte eines deutschen Rufes. Länderreport Deutschlandradio 2005.

Weblinks


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