Cladh Hallan

Cladh Hallan

Cladh Hallan ist ein archäologischer Fundplatz auf der Schottischen Insel South Uist der äußeren Hebriden. Er ist der einzige Fundplatz in Großbritannien, an dem prähistorische Mumien gefunden wurden, die gleichzeitig die ältesten Mumien Europas sind.

Inhaltsverzeichnis

Ausgrabung

Zwischen 1988 und 2002 wurden in Cladh Hallan drei bronzezeitliche Rundhäuser ausgegraben, die zu einer Siedlung mit etwa sieben Gebäuden gehören. 2001 fanden Archäologen unter den Hausböden zweier Rundhäuser mehrere menschliche Skelette. Zunächst war den Forschern nicht ersichtlich, dass ehemalige Mumien vorlagen, da die Toten augenscheinlich eine konventionelle Erdbestattung erhalten hatten und sämtliche Weichgewebe vergangen waren. Die ungewöhnlich stark kauernde Haltung der Leichen erinnerte den Grabungsleiter Mike Parker Pearson von der University of Sheffield an peruanische Mumien. Ungewöhnlich war ebenfalls der relativ gute Erhaltungszustand der Skelette, die in einem anatomisch korrekten Verbund lagen.

Die sterblichen Überreste sowie die übrigen archäologischen Funde aus Cladh Hallan werden in Labors in Schottland, England und Wales untersucht. Sie sollen nach Abschluss der Untersuchungen und Veröffentlichung der Ergebnisse einem schottischen Museum überstellt werden. An der Fundstelle informieren Schautafeln über die Baubefunde und erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen.

Baubefunde

Der Bau der Häuser begann etwa 1000 v. Chr., dabei wurden die schon mehrere hundert Jahre alten Mumien eines Mannes und einer Frau zusammen mit einem Schaf unter dem nördlichen Haus bestattet. Etwa zur gleichen Zeit wurde unter dem mittleren Haus ein nicht mumifiziertes, etwa 13-jähriges Mädchen bestattet, das erst kurz vorher verstorben war. Im südlichen Haus fand sich die Mumie eines Säuglings. Nach einigen Jahrzehnten wurde im nördlichen Haus die Asche einiger Kinder zusammen mit zerschlagenen Keramikgefäßen und drei zerbrochenen Mahlsteinen deponiert. Die Wände einiger Häuser wurden mit ungebrannten Keramikgefäßen angefüllt. Die Häuser wurden mehrfach abgebrochen, um wenige Meter versetzt wieder aufgebaut zu werden. So wurde um 900 v. Chr. im nördlichen Haus erneut ein Kind bestattet und kurz danach das Gebäude um zwei Meter versetzt. Das nördliche und mittlere Haus wurden über mehrere hundert Jahre für kultische Zwecke genutzt, in ihnen wurden Keramikgefäße, Geräte aus Knochen und Horn sowie Tierbestattungen niedergelegt. Um 700 v. Chr. wurde das nördliche Haus aufgegeben, wogegen das mittlere erst gegen 400 v. Chr. aufgegeben wurde und damit zu den am längsten genutzten Gebäuden im prähistorischen Großbritannien zählt. Die Eingänge aller Häuser, bis auf eines, wiesen nach Westen. Alle Häuser wiesen eine zentrale Feuerstelle auf. Nach dem Auflassen dieses Platzes verlegten die Bewohner ihre Siedlung etwa 300-400 Meter nach Norden und Süden.

Mumien

Aus den Fußböden der Häuser wurden bisher fünf Skelette vermutlich mumifizierter Menschen geborgen:

  1. Die Bestattung eines aus drei Individuen zusammengesetzten Skelettes, eines etwa 20-jährigen Mannes, der etwa 1600 v. Chr. verstarb, der
  2. - den Schädel und Halswirbel eines zweiten, erst 1500-1400 v. Chr. verstorbenen, männlichen Individuums trug, sowie
  3. - den Unterkiefer eines dritten Mannes.
  4. Eine etwa 40-jährige Frau, die etwa 1300 v. Chr. verstarb und ein für ihre Zeit relativ hohes Lebensalter erreichte. Nach dem Tode wurden ihrem Oberkiefer zwei Schneidezähne (Zahnformel 12, 22) entnommen und in ihre Hand gelegt.
  5. Ein etwa drei Monate alter Säugling, der etwa 1400-1300 v. Chr. verstarb.

Aufgrund der Baubefunde sowie den Ergebnissen der forensischen Untersuchungen wurden alle diese Körper etwa um das Jahr 1000 v. Chr. in den Erdgräbern bestattet, also 300 bis 600 Jahre nach den per Radiokohlenstoffdatierung ermittelten Sterbedaten der Individuen. Zu diesem Zeitpunkt wurde vermutlich auch das aus verschiedenen männlichen Individuen bestehende Skelett zusammengefügt.

Die Überreste der Toten deuten an, dass sie auf künstliche Weise konserviert waren. Nach bisherigen Erkenntnissen mussten sie kurz nach ihrem Tod für etwa 6 bis 18 Monate in einem Moor gelagert worden sein. Die Verweildauer der Leichen im Moor war gerade so lang, dass ihre Weichteile durch die Moorsäure gegerbt wurden, die Knochen dabei jedoch kaum demineralisiert wurden. Nur die äußeren zwei Millimeter der Knochenmasse wiesen eine Demineralisierung auf. Anscheinend wurden die so konservierten Moorleichen daraufhin wieder geborgen, in die häuslichen Bereiche zurückgebracht und an einem warmen und trockenen Ort aufbewahrt, so dass sie die weiteren 300 bis 600 Jahre bis zu ihrer endgültigen Beisetzung überstanden.

Eine quecksilberporosimetrische Analyse der Knochen ergab, dass diese nur schwach von den körpereigenen Bakterien aus dem Verdauungstrakt zersetzt waren, was auf eine mögliche Entfernung der inneren Organe nach dem Ableben hindeutet. Möglicherweise wurden die Leichen, insbesondere die der Frau, durch Bandagen in die enge kauernde Haltung gebracht.

Deutung

Dieser Fundkomplex wirft Fragen auf, die aus dem Fundmaterial nur schwer zu beantworten sind. Nach Lage der Funde wurde die Ansiedlung nicht nur zu Kult- sondern auch zu Wohnzwecken genutzt. Ob die besondere Behandlung der Leichen in einem rein kultischen Zusammenhang steht, oder eine regional begrenzt übliche Bestattungsform war, lässt sich nicht mehr sicher nachweisen. Eben so wenig ist klar, warum die Körper erst Jahrhunderte später endgültig begraben wurden. Möglicherweise hatten die Verstorbenen eine hohe gesellschaftliche Rolle inne und waren Gegenstand des Ahnenkultes. Höchstwahrscheinlich wurden sie in einem eigens errichteten Bau aufbewahrt. Ob den Bestatteten unter den Fußböden eine Funktion als Bauopfer zukam ist eben so wenig belegbar. Die Entfernung der Mumien aus dem vorherigen Bereich, durch deren Bestattung, lässt auf einen grundlegenden Wandel der religiösen Vorstellungen schließen.

Literatur

Weblinks

57.171817-7.410343

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Cladh Hallan — (Scottish Gaelic pronunciation: [kʰlˠ̪ɤɣ ˈhalˠ̪an]) is an archaeological site on the island of South Uist in the Outer Hebrides in Scotland. It is significant as the only place in Great Britain where prehistoric mummies have been found.… …   Wikipedia

  • Клад-Халланские мумии — Клад Халлан (гэльск. Cladh Hallan)  археологический памятник на острове Саут Юйст (en:South Uist) на Внешних Гебридских …   Википедия

  • Клад-Халлан — Клад Халлан, гэльск. Cladh Hallan  археологический памятник на острове Сайт Юйст en:South Uist на Внешних Гебридских островах в Шотландии. Известен как единственное место в Великобритании, где были обнаружены доисторические мумии. Раскопки… …   Википедия

  • Hebrides — The Hebrides (PronEng|ˈhɛbrɨˌdiːz HEB ri deez , Gaelic: Innse Gall ) comprise a widespread and diverse archipelago off the west coast of Scotland. There are two main groups, the Inner and Outer Hebrides. These islands have a long history of… …   Wikipedia

  • Outer Hebrides — Eilean Siar and Western Isles redirect here. The term Na h Eileanan Siar (Western Isles), which redirects here, can also refer to the whole of the Hebrides. For the Scottish Parliament constituency, see Western Isles (Scottish Parliament… …   Wikipedia

  • South Uist — Infobox Scottish island GridReference=NF786343 celtic name= Uibhist a Deas norse name= meaning of name= From inni vist , Old Norse for dwelling . area=32,026 ha area rank=9 highest elevation= Beinn Mhor 620 m Population=1,818 population rank=9… …   Wikipedia

  • Fir Bhreige — Na Fir Bhreige (which can be translated from Gaelic into English as The False Men ) is a set of three standing stones on the Isle of North Uist in the Outer Hebrides. They lie on the northwestern slope of Blashaval. The stones are set in a line… …   Wikipedia

  • Aufbewahrung der inneren Organe — Menschliche Mumie aus dem 16. Jhdt., Venzone, Norditalien. Tierisch …   Deutsch Wikipedia

  • Mumifiziert — Menschliche Mumie aus dem 16. Jhdt., Venzone, Norditalien. Tierisch …   Deutsch Wikipedia

  • Hommes des tourbières — L homme de Grauballe au musée de Moesgaard (Danemark). On appelle hommes des tourbières les restes humains momifiés mis au jour dans les tourbières du Nord de l Europe (Scandinavie, îles britanniques notamment). À la différence des cadavres de… …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”