Cornelia Schlosser

Cornelia Schlosser
Cornelia um 1770. Zeichnung von J. L.  E. Morgenstern
Familie Goethe in Schäfertracht 1762. Cornelia ganz rechts

Cornelia Friederica Christiana Schlosser (geb. Goethe; * 7. Dezember 1750 in Frankfurt am Main; † 8. Juni 1777 in Emmendingen) war eine Briefautorin und Schwester von Johann Wolfgang von Goethe.

Leben

Cornelia Friederica Christiana Goethe wurde als zweites Kind der Katharina Elisabeth Textor und des Kaiserlichen Rates Johann Caspar Goethe geboren. Ihr Bruder Johann Wolfgang war 15 Monate älter als sie. Die beiden Geschwister wurden gemeinsam erzogen, was für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich war, sollten doch die Mädchen eigentlich auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereitet werden. Cornelia wurde schon mit drei Jahren in die „Spielschule“ geschickt und lernte dort bei Magdalena Hoff Lesen und Schreiben. Ab ihrem siebten Lebensjahr erhielt sie gemeinsam mit Johann Wolfgang Unterricht durch einen Hauslehrer. Als Sprachen lernte sie zunächst Latein und Griechisch, zwei Jahre später begann der Unterricht in Französisch. Weitere Fächer waren Englisch, Italienisch, Rechtswissenschaft, Geographie, Mathematik und Schönschreiben, außerdem Gesangs- und Klavierunterricht sowie Zeichnen. Cornelia lernte außerdem Fechten und Reiten und erhielt Lektionen in Anstandslehre und Tanz. Ihre Freizeit war äußerst streng bemessen, ermöglichte es ihr aber, literarischen Interessen und Diskussionen dazu mit dem Bruder nachzugehen, der für sie der wichtigste Ansprechpartner war.

Cornelia durfte als Frau trotz ihrer sorgfältigen Ausbildung nicht wie der Bruder studieren und blieb, als Johann Wolfgang 1765 in Leipzig sein Studium aufnahm, zu Hause in Frankfurt. Sie bemerkte, wie die Einstellung des Bruders zu Frauen sich in Leipzig änderte, wo er sich in die damals vorherrschende männliche Vorrangstellung einlebte. Seine Briefe spiegeln die Unterschiede wider, die damals zwischen den Geschlechtern bestanden: Er verweist sie darin auf ihre weiblichen Pflichten wie „die Haushaltung, wie nicht weniger die Kochkunst zu studiren“. Aus dieser Zeit sind Briefe vorhanden, die Cornelia in französischer Sprache an ihre damalige Freundin Katharina Fabricius geschrieben hat. Cornelia litt an ihrer Zurücksetzung als Frau, sah jedoch keine Alternative zur Ehe: „Es ist offensichtlich, daß ich nicht immer Mädchen bleiben kann, überdies wäre es sehr lächerlich, sich das vorzunehmen.“

Cornelia Schlosser

Cornelia war zu dieser Zeit insgeheim in einen jungen Engländer verliebt, der sich seit 1764 in Frankfurt aufhielt, dieses aber 1768 verließ, ohne sich von ihr zu verabschieden. Sie unterstützte ihren Bruder, als dieser während der folgenden Jahre wieder in Frankfurt weilte, bei seiner Arbeit und ermunterte ihn unter anderem dazu, den Götz von Berlichingen zu dramatisieren.

Cornelia blieb, als Johann Wolfgang 1772 eine Anstellung am Reichskammergericht in Wetzlar annahm, in Frankfurt zurück und verlobte sich mit dem Juristen Johann Georg Schlosser, einem Freund des Bruders. Sie vermutete in Schlosser den gleichen Geist wie in ihrem Bruder und heiratete ihn am 1. November 1773. Ihr Mann erhielt eine hohe Beamtenstelle in der Markgrafschaft Baden, so dass die beiden zunächst nach Karlsruhe und dann nach Emmendingen zogen.

Cornelia Schlosser konnte sich zunächst mit ihrer Rolle als Ehefrau anfreunden und schrieb am 13. Dezember 1773 aus Karlsruhe an Caroline Herder: „Alle meine Hoffnungen, alle meine Wünsche sind nicht nur erfüllt – sondern weit, weit übertroffen. Wen Gott lieb hat, dem geb er so einen Mann –.“ Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die stolze Cornelia zugegeben hätte, nicht aus Liebe geheiratet zu haben. Johann Georg Schlosser schrieb zu dieser Zeit in einem Brief an seinen Bruder: „Ihr ekelt vor meiner Liebe!“, und auch Goethe berichtete in einem Gespräch mit Eckermann: „Der Gedanke, sich einem Manne hinzugeben, war ihr widerwärtig, und man mag denken, daß aus dieser Eigenheit in der Ehe manche unangenehme Stunde hervorging. Frauen, die eine gleiche Abneigung haben oder ihre Männer nicht lieben, werden empfinden was dieses sagen will. Ich konnte daher meine Schwester auch nie als verheiratet denken, vielmehr wäre sie als Äbtissin in einem Kloster recht gehalten.“

Schlossers Wohnsitz in Emmendingen (heute Stadtbibliothek)

Schon bald zeigte sich tatsächlich, dass die Ehe nicht glücklich war. Cornelia vereinsamte in der kleinen Provinzstadt Emmendingen, in der ihr Mann seine religiösen Ideen durchsetzen wollte und staatsreformerisch wirkte. Schlosser sah in ihr nur die Hausfrau, die die gesellschaftlichen Verpflichtungen erfüllen sollte. Frauen betrachtete er als untergeordnete Geschöpfe, die jede wissenschaftliche Betätigung überfordern musste und denen deswegen nur leichte geistige Unterhaltung angeboten werden sollte. Cornelia fing an, kränklich zu werden, und führte ihren Haushalt nur widerwillig. Schlosser schrieb: „Jeder Wind, jeder Wassertropfen sperrt sie in die Stube und vor Keller und Küche fürchtet sie sich noch zuviel“.

Abwechslung führten allenfalls Begegnungen mit Persönlichkeiten herauf, zu denen Schlosser Kontakt hatte und die ihn in Emmendingen besuchten. Auch verband sie ein inniges Verhältnis mit Jakob Michael Reinhold Lenz, der ihr und Schlosser vom Bruder „in Pflege gegeben“ worden war. So spricht Lenz in mehreren Dichtungen von Cornelia als seiner „Muse Urania“. Sie bestimmte ihn zum Paten ihrer zweiten Tochter, der er das Gedicht Willkommen kleine Bürgerin zur Geburt schrieb.

Cornelia entging bei der Geburt der ersten Tochter Maria Anne Louise („Lulu“) am 28. Oktober 1774 nur knapp dem Tode, erholte sich nur sehr langsam und lag fast zwei Jahre lang im Bett. Sie schrieb: „... was das heißt, als Frau und Mutter zwei Jahre lang im Bette zu liegen ohne im Stand zu seyn sich selbst einen Strumpf anzuziehen ...“ Sie wurde 1776 wieder schwanger und notierte in einem Brief: „Da schleiche ich denn ziemlich langsam durch die Welt, mit einem Körper der nirgend hin als ins Grab taugt.“ Ihre zweite Tochter Catharina Elisabeth Julie („Juliette“) wurde am 10. Mai 1777 geboren. Cornelia starb nur vier Wochen später im Alter von 26 Jahren.

Literatur

  • Georg Witkowski: Cornelia, die Schwester Goethes. Rütten & Loening, Frankfurt a. M. 1903 (2. Aufl. 1924; Nachdruck bei Lang, Bern 1971)
  • Melanie Baumann (Hrsg.): Cornelia Goethe, Briefe und Correspondance secrete 1767–1769. Kore, Freiburg 1990, ISBN 3-926023-22-8.
  • Ulrike Prokop: Die Illusion vom Großen Paar. Weibliche Lebensentwürfe 1750–1770. Fischer, Frankfurt 1991, ISBN 3-596-27397-8.
  • Ulrike Prokop: Die Illusion vom großen Paar. Band 2: Das Tagebuch der Cornelia Goethe. Fischer, Frankfurt/Main
  • Walfried Linden: Marie, Gretchen, Helena. Goethe und seine Schwester Cornelia im Spiegel seiner Frauengestalten. In: Jahrbuch der Psychonalalyse. 27, 1991, S. 224–238.
  • Sigrid Damm: Cornelia Goethe. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1992, ISBN 3-458-33152-2.
  • Stephanie Fleischer: Literatur und Lebensgestaltung. Cornelia als Leserin zeitgenössischer Briefromane. In: Welfengarten. Jahrbuch für Essayismus 6, 1996, S. 69–82.
  • Ilse Nagelschmidt: Briefe und Tagebücher als Effekt Biographischen Erzählens. Zwei Frauen im Spiegel des Textes. Cornelia Goethe. Brigitte Reimann. In: Regina Fasold (Hrsg): Begegnung der Zeiten. Festschrift für Helmut Richter zum 65. Geburtstag. Universitätsverlag, Leipzig 1999, S. 277–291, ISBN 3-933240-79-4.
  • Gerlinde Kraus: Cornelia Goethe – Ein typisches Frauenleben im 18. Jahrhundert? Porträt einer Frankfurter Bürgerin. Schroeder Verlagsbuchhandlung, Mühlheim am Main 2010, ISBN 978-3-9811251-8-4

Weblinks


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