- De Consolatione Philosophiae
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Der Trost der Philosophie (Consolatio Philosophiae) ist eines der Hauptwerke von Boëthius und gilt als eines der letzten bedeutenden philosophischen Werke der Spätantike. Entstanden im Jahr 524, handelt es sich zugleich um einen der wichtigsten Texte der frühchristlichen Philosophie und Theologie. Es hat einen außerordentlichen Einfluss auf die spätere Scholastik ausgeübt, so z. B. auf Anselm von Canterbury und Thomas von Aquin. Boëthius selbst ist seinerseits stark von der Philosophie der Antike, insbesondere von Platon, Aristoteles und dem Neuplatonismus, beeinflusst. Boëthius verfasste das Werk, während er im Gefängnis saß. Er war auf Geheiß des Ostgotenkönigs Theoderich von einem senatorischen Gericht wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden - seines Erachtens zu Unrecht -, und wartete nun auf seine Hinrichtung.
Das Buch erzählt, wie ihm in dieser Situation die allegorische Gestalt der Philosophie erscheint. Es entspinnt sich ein Dialog, in dem Boëthius die Rolle des Schülers, die Philosophie die Rolle der Lehrmeisterin spielt. Auf diese Weise wird eine Reihe von grundlegenden philosophisch-theologischen Problemen behandelt, darunter:
- die Theodizee, also die Frage nach der Vereinbarkeit von göttlicher Allmacht mit der Existenz des Übels,
- die Definition des Glücks
- das Problem der Willensfreiheit und insbesondere die Vereinbarkeit von freiem Willen mit der göttlichen Allwissenheit und Vorsehung.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsangabe
Erstes Buch
Im ersten Buch erscheint die Philosophie und vertreibt als erstes die Musen der Dichtkunst, die sich an Boëthius Lager versammelt haben: „Wer hat diese Bühnendirnen zu diesem Kranken gelassen, dass sie seine Schmerzen nicht nur durch Heilmittel nicht lindern, sondern mit süßem Gift auch noch nähren“ (1. Buch, 1.Prosa). Sie weist auf eine Reihe von Philosophen hin, die ein ähnliches Schicksal wie Boëthius haben, darunter Anaxagoras, Sokrates, Zenon und Seneca. Boëthius bekommt Gelegenheit, die Geschehnisse, die ihn ins Gefängnis gebracht haben, zu schildern und sich zu rechtfertigen (1. Buch, 4. Prosa). Dann wendet der Dialog sich den philosophischen Fragestellungen zu, die seinen weiteren Fortgang bestimmen sollen. Die Philosophie stellt fest, dass Boëthius weiß, woraus die Welt hervorgegangen ist, nämlich aus Gott. Er ist sich jedoch nicht bewusst darüber, was ihr Ziel ist. Daran macht sie sein momentanes Leiden fest und beschließt, das Ziel im kommenden Dialog mit ihm gemeinsam zu formulieren.
Zweites Buch
Die Philosophie tröstet Boëthius zunächst einmal damit, dass er im Ganzen gesehen doch ein glückliches Leben hatte: „Wenn du Zahl und Maß des Frohen und Trüben erwägst, kannst du nicht leugnen, dass du noch glücklich bist. Wenn du aber deshalb nicht glückbegünstigt zu sein glaubst, weil, was damals froh schien, gewichen ist, so hast du keinen Grund, dich für elend zu halten, denn auch das, was jetzt trüb scheint, geht ja vorüber.“ (2. Buch, 3. Prosa). Sie erörtern dann gemeinsam die Frage, was Glück überhaupt ist. Es werden eine ganze Reihe von möglichen Antworten untersucht: Das Glück ist Reichtum (2. Buch 5. Prosa), Schönheit der Natur (ebd.), äußerliche Schönheit wie Gewänder (ebd.), treue Diener (ebd.), Würden (2. Buch, 6. Prosa), Macht (ebd.), Ruhm (2. Buch, 8.Prosa). Aber alle diese Kandidaten weisen gewisse Defizite auf: Sie sind vergänglich, sie können ihrem Besitzer schaden und ihnen fehlt der Zug der inneren Befriedigung (so ruft beispielsweise Reichtum nur den Wunsch nach noch mehr Reichtum hervor). Sie können daher nicht mit dem wahren Glück identifiziert werden.
Drittes Buch
Am Anfang des dritten Buches steht eine Definition des Glücks: „Dies ist aber das Gute, nach dessen Erreichung niemand etwas Weiteres zu ersehnen vermag“ (3. Buch, 2. Prosa). Wie schon im 2. Buch wird von einer Reihe potentieller Glücksgüter gezeigt, dass sie der Definition des wahren Glücks nicht genügen: Besitz (3. Buch, 3. Prosa), Ämter (3. Buch, 4. Prosa), Macht (3. Buch, 5. Prosa), Ruhm (3. Buch, 6. Prosa), Adel (ebd.) und körperliche Genüsse (3. Buch, 7. Prosa). Das Glück ist vielmehr mit Selbstgenügsamkeit zu identifizieren (3. Buch, 9. Prosa), eine Auffassung, die sich bereits in Aristoteles Nikomachischer Ethik findet. Selbstgenügsamkeit steht ihrerseits im Einklang mit Macht, Ruhm, Ehrwürdigkeit und Lust, wenn diese in einem vernünftigen Sinne verstanden werden (ebd.). Ferner ist das Glück identisch mit Gott. Boëthius nimmt in diesem Zusammenhang Anselms berühmte Gottes-Definition aus dem Proslogion vorweg: „Denn da sich nichts ausdenken lässt, was besser wäre als Gott, wer könnte dann zweifeln, dass dasjenige, worüber hinaus nichts besser ist, gut ist?“ (3. Buch 10. Prosa). Gott beherrscht die Welt im Sinne des Guten, gleichzeitig streben auch alle Dinge von sich aus zum Guten, woraus sich eine Art „prästabilierte Harmonie“ ergibt: „Gott [lenkt] alles mit dem Steuer der Güte und da ebenso alles […] aus natürlichem Triebe zum Guten eilt, kann man da etwa bezweifeln, dass es […] sich von selbst zum Winke des Ordners wendet […]?“ (3. Buch 12. Prosa). Gottes Existenz wird über einen kosmologischen Gottesbeweis abgesichert: „Diese Welt wäre nicht aus so verschiedenen und gegensätzlichen Teile in eine einzige Form zusammengekommen, wenn nicht einer wäre, der so Entgegengesetztes verbände. […] Dieses, was es auch sei, wodurch das Geschaffene bleibt und bewegt wird, nenne ich mit dem allen gebräuchlichen Namen Gott“ (ebenda).
Viertes Buch
Das vierte Buch beginnt mit der Frage der Theodizee, also der Frage, warum „Schlechtes, obwohl es einen guten Lenker der Welt gibt, erstens überhaupt existieren kann und zweitens ungestraft ausgeht.“ (4. Buch, 1. Prosa). Es wird zunächst festgestellt, dass die Schlechten eigentlich schwach sind, denn sie handeln aus Unkenntnis und mangelnder Willenskraft (4. Buch, 2. Prosa). Man kann sogar sagen, dass das Schlechte gar nicht im eigentlichen Sinne existiert, da es ein Mangel des Guten ist: „[…] so würde ich zugestehen, dass die Lasterhaften zwar schlecht sind, dass sie aber ohne Einschränkung sind, das könnte ich nicht bekennen“ (ebd.). Es ergibt sich die Folgerung, dass „die unglücklicher sind, die Unrecht tun, als die es leiden“ (3.Buch, 4. Prosa), eine Theorie, die offensichtlich von Platon beeinflusst ist (vgl. dessen Dialog Gorgias). Am Ende des vierten Buches gibt Boëthius eine Antwort auf die Frage der Theodizee, die an die spätere Lösung von Leibniz erinnert: Das Schlechte hat seine Funktion im göttlichen Plan und dient letztendlich dem Guten, nur kann dies der begrenzte menschliche Geist nicht erfassen: „Allein die göttliche Macht ist es nämlich, der auch das Schlechte gut ist, indem sie durch gemäßen Gebrauch die Wirkung von etwas Gutem aus ihm hervorlockt. […] [F]ür den Menschen ist es nicht erlaubt, alle Vorrichtungen des göttlichen Mühens im Geist zu erfassen […].“ (4. Buch, 6. Prosa)
Fünftes Buch
Das fünfte Buch behandelt ein neues Problem: Wenn Gott in seiner Allwissenheit in die Zukunft blicken kann, dann kennt er auch die Handlungen der Menschen, bevor sie eintreten. Es scheint, dass diese sich also nicht frei entscheiden, sondern vielmehr so verhalten müssen, wie die Vorsehung dies vorschreibt. [„Z]u sehr entgegensetzt zu sein und zu widerstreiten […] scheinen die Behauptungen, dass Gott alles im Voraus kennt und dass eine Willensfreiheit besteht.“ (5. Buch, 3. Prosa). Die Aufhebung der Willensfreiheit hätte jedoch eine Reihe von verheerenden Konsequenzen: die Praxis, für Gut und Böse Belohnung und Strafe zu verhängen, wäre nutzlos, für die menschlichen Laster müsste konsequenterweise Gott verantwortlich gemacht werden und Hoffen oder Beten hätten keinen Sinn mehr (5. Buch, 3. Prosa). Die Lösung dieser Schwierigkeit liegt in einer genauen Charakterisierung der göttlichen Ewigkeit begründet: „Ewigkeit ist der ganze zugleich und vollkommene Besitz eines unbegrenzbaren Lebens“ (5. Buch 6. Prosa). Diese Definition findet sich später u. a. bei Thomas von Aquin wieder. Gottes Ewigkeit ist also mehr als bloß unbegrenzte Dauer. Er steht insofern außerhalb der Zeit, dass er die Reihe der Zeitpunkte nicht sukzessive, sondern alle zugleich erlebt. Daher besteht auch kein Widerspruch darin, dass er die menschlichen Handlungen kennt, auch wenn diese zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht festgelegt sind.
Literatur
Ausgaben
- Claudio Moreschini (Hrsg.), De consolatione philosophiae. Opuscula theologica, ed. altera, Monachii u. a.: Saur, 2005, ISBN 3-598-71278-2.
Übersetzungen
- Boëthius, Der Trost der Philosophie, lat.-dt., hg. von Ernst Gegenschatz und Olof Gigon, München und Zürich 2004, ISBN 3-7608-1379-8.
- Boethius, Trost der Philosophie, übers. von Karl Büchner, Stuttgart 1997, ISBN 3-15-003154-0.
Weitere Literatur
- Matthias Baltes, Gott, Welt und Mensch in der Consolatio Philosophiae des Boethius, in: Vigiliae Christianae 34 (1980), S. 313–340.
- Joachim Gruber: Kommentar zu Boethius, De consolatione philosophiae. 2. erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin und New York 2006. ISBN 3-11-017740-4
- Frank Regen, Praescientia: Vorauswissen Gottes und Willensfreiheit des Menschen in der Consolatio Philosophiae des Boethius, Göttingen: Duerkohp&Radicke, 2001, ISBN 3-89744-163-2.
- Helga Scheible, Die Gedichte der Consolatio Philosophiae des Boethius, Heidelberg 1972, ISBN 3-533-02247-1.
- Volker Schmidt-Kohl, Die neuplatonische Seelenlehre in der Consolatio Philosophiae des Boethius, Meisenheim a. Glan: Hain, 1965.
Weblinks
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