- Muse (Mythologie)
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Die Musen (griechisch Μοῦσαι, Einzahl Μοῦσα, Mousa) sind in der griechischen Mythologie Schutzgöttinnen der Künste. Die Überlieferung der uns heute bekannten neun Musen stammt von Hesiod.
Inhaltsverzeichnis
Die Musen
Homer bzw. die unter seinem Namen überlieferten Epen Ilias und Odyssee rufen in ihren Proömien jeweils eine (namenlose) „Göttin“ bzw. „Muse“ an.
Die neun olympischen Musen
Hesiod (6. Jh. v. Chr.) legt in seiner Theogonie[1] die Zahl der Musen auf neun fest, nach ihm sind sie die Töchter der Mnemosyne, der Göttin der Erinnerung, und des Zeus und auch die von ihm genannten Namen sind kanonisch. Sie werden die Mnemoniden oder olympische Musen genannt.[2]
Allerdings wies Hesiod ihnen noch keine speziellen Zuständigkeitsbereiche und Attribute zu, diese werden erst später unterschieden, doch auch dann wechselten die Zuschreibungen von Funktionen und Attributen noch einigermaßen willkürlich. Erst in spätester Zeit gab es eine sich festigende Zuordnung von Name, Funktion und Attribut:
- Klio (Κλειώ), die Rühmende, ist die Muse der Geschichtsschreibung (Attribute: Papierrolle und Schreibgriffel)
- Melpomene (Μελπομένη), die Singende, ist die Muse der Tragödie (Attribut: ernste Theatermaske, Weinlaubkranz, wahrscheinlich auch ein Schwert oder eine Keule)
- Terpsichore (Τερψιχόρα), die fröhlich im Reigen Tanzende, ist die Muse für Chorlyrik und Tanz (Attribut: Leier)
- Thalia (Θάλεια), die Festliche, die Blühende, ist die Muse der Komödie (Attribut: lachende Theatermaske, Efeukranz und Krummstab (denn auch die heitere bukolische Poesie gehört zu ihr))
- Euterpe (Ἐυτέρπη), die Erfreuende, ist die Muse der Lyrik und des Flötenspiels (Attribut: Aulos, die Doppelflöte)
- Erato (Ἐρατώ), die Liebevolle, Sehnsucht Weckende, ist die Muse der Liebesdichtung (Attribut: Saiteninstrument, Leier)
- Urania (Οὐρανία), die Himmlische, ist die Muse der Astronomie (Attribut: Himmelskugel und Zeigestab)
- Polyhymnia (Πολύμνια), die Hymnenreiche (Liederreiche). Sie ist die Muse des Gesangs mit der Leier (kein spezifisches Attribut, manchmal die Leier)
- Kalliope (Καλλιόπη), die mit der schönen Stimme, ist die Muse der epischen Dichtung, der Rhetorik, der Philosophie und der Wissenschaft (Attribut: Schreibtafel und Schreibgriffel)
Anhand der folgenden Eselsbrücke, in welcher nur der Name der Muse Klio vollständig enthalten ist, lassen sich ihre Namen leicht merken: Klio, Me, Ter, Thal, Eu, Er, Ur, Po, Kal (KLIOMETERTHAL EUER URPOKAL) bzw. (EUER URPOKAL KLIO METERTHAL)
Die drei/vier titanischen Musen
Bevor es zu der Überlieferung von 9 Musen gekommen ist, hat es nach Pausanias (um 115–180 n. Chr.) jedoch eine Trias von 3 Musen gegeben:
Es ist allerdings zu beachten, dass Pausanias eine wesentlich spätere Quelle aus der Mitte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts ist, Hesiods Theogonie dagegen einer der ältesten griechischen Quellen überhaupt ist, und Pausanias diese Überlieferung selbst in Frage stellt.[3] Sie wurden auch die vier titanischen Musen (Mousai Titanides)[4] genannt, Cicero etwa gibt:[5]
- Thelxinoe (die Herzerfreuende)
- Aoede (Aoide) (der Gesang)
- Arche (der Beginn)
- Melete (die Übung/Fertigkeit)
Sie sollen die Töchter von Zeus (oder Uranos) und der Plusia gewesen sein, daher der Name. Platon gibt Hesiods Terpsichore, Erato, Kalliope und Urania im Sinne dieser „Besetzung“.[6]
Die drei/vier apollonischen Musen
Die drei apollonischen Musen (Mousai Apollonides)[2] oder auch Delphische Musen wurden drei Töchter des Apollon genannt:
Sie sollen die drei Saiten der Lyra des Apollo dargestellt haben, und auf dem Helikon gewohnt haben. Der erste Namensatz geht auf Eumelos von Korinth (7. Jh. v. Chr.) zurück[7], der zweite auf Plutarch[8], letzter gibt dort auch eine vierte Muse:
- Polymatheia (die Belesenheit, Gelehrsamkeit)
Diese (Nete, Mese, Hypate) spielen als Tetraktys in der Musik der griechischen Antike eine Rolle, die vierte der „Vierheit“ war die Paramese – da sich Musiktheorie wie auch Saitenzahl der Lyra verändert haben, kommen dahingehend auch andere Anzahlen vor.
Die sieben/neun pireischen Musen
In anderer Tradition gab es dann noch eine Gruppe von sieben Musen, die nach Johannes Tzetzes von Epicharmos (5. Jh. v. Chr.) erwähnt worden sein sollen, die Pieriden:[9]
- Neilo (Νειλώ),
- Tritone (Τριτώνη)
- Asopo (Ἀσωπώ)
- Heptapora (Ἑπτάπορα)
- Achelois
- Tipoplo (Τιποπλώ)
Diese sollen die Kinder des Pieros, Stammvater der makedonischen Pieria-Thraker[10] und einer Pimpleischen Nymphe namens Antiope (nach Cicero) gewesen sein.
Bei Ovid[11] sind die pireischen Musen neun, ihre Mutter soll dort Euippe gewesen sein, und sie stammen von Ägypten: Sie fordern die „jüngeren“ olympischen Musen heraus (Wettstreit der Mnemoniden und Pieriden).
Diese neun Töchter des Pieros wurden auch Vögeln gleichgesetzt (Colymbas, Lyngx, Cenchris, Cissa, Chloris, Acalanthis, Nessa, Pipo, und Dracontis).
Rezeption der Musen
Während die Namen der Musen bei Hesiod lediglich Aspekte der Tanz- und Dichtkunst betonen, werden sie in der späteren Antike auf unterschiedliche Musikinstrumente und Gattungen bezogen, woraus die angegebene kanonische Zuordnung von „Aufgabengebieten“ der Musen hervorgeht.
Die zum Gefolge Apollons zählenden Musen sollen am Berg Helikon bei der Quelle Hippokrene zu finden sein, die durch einen Hufschlag des geflügelten Musenrosses (Pegasus) freigelegt wurde. Daher rührt der zum Teil für sie benutzte verkünstelte Name Helikoniades. Anderen Angaben zufolge wohnen die Musen auf dem Berg Parnass (der Apollon geweiht ist), bei der Kastalischen Quelle, deren Wasser Begeisterung und Dichtergabe verleihen soll.
Die Heiligtümer der Musen heißen Museion (woraus das heutige Wort Museum entstand), auch das deutsche Wort Musik - die ‚Kunst der Musen‘ - verdankt seinen Namen den Göttinnen.
Die Römer setzten die Musen mit den Camenae gleich.
Der Musenanruf in der Dichtung
Am Anfang antik-griechischer Epen und Hymnen steht oft eine Anrufung der Muse. Homers Odyssee beginnt mit den Versen: Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes, / Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung. Auch viele römische Dichter bitten die Muse um Inspiration (Vergil in der Aeneis), oder um Dauer für ihr Gedicht (Catull in den Carmina). Nach der Ächtung der Musen durch die mittelalterliche Kirche folgen Dichter der Neuzeit wieder diesem Gebrauch (Dante, Shakespeare, Milton).[12] Die neun Gesänge von Goethes Hermann und Dorothea tragen die Namen der neun Musen. Klopstock ruft im Messias statt der Muse die unsterbliche Seele an: Sing’, unsterbliche Seele, der Menschheit Erlösung. Vladimir Nabokov macht im Titel seiner autobiographischen Schrift Speak, Memory von der Form des Musenanrufs Gebrauch und spielt zugleich auf Mnemosyne, Göttin der Erinnerung und Mutter der Musen an.[13]
Literatur
- Oskar Bie: Musen. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,2, Leipzig 1897, Sp. 3238–3295 (Digitalisat).
- Pierre Boyancé: Le culte des Muses chez les philosophes grecs. Paris 1937.
- Maria Teresa Camilloni: Le Muse. Editori riuniti, Rom 1998. ISBN 8835945348
- Ernst Robert Curtius: Die Musen im Mittelalter. In: Zeitschrift für romanische Philologie 59. 1939. S. 129-188.
- Maximilian Mayer: Musai. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XVI,1, Stuttgart 1933, Sp. 680–757.
- Walter F. Otto: Die Musen und der göttliche Ursprung des Singens und Sagens. Düsseldorf 1954.
- A. Queyrel: Mousa, Mousai. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC). Band VI, Zürich/München 1992, S. 657–681.
Siehe auch
Weblinks
Wiktionary: Muse – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenCommons: Musen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Mousai, TheoiProject
Einzelnachweise
- ↑ Hesiod: Theogonie 76-80; 917.
- ↑ a b Mousai Apollonides, theoi.com
- ↑ Pausanias 9,29,2
- ↑ Mousai Titanides, theoi.com
- ↑ Cicero: De Natura Deorum 3.21
- ↑ Plato: Phaedrus 259
- ↑ Eumelus: Frag 35, Tzetzes
- ↑ Plutarch: Symposium 9.14
- ↑ Johannes Tzetzes: Über die Entstehung der Götter zu Hes. 23
- ↑ Pieriden. Myth Index
- ↑ Ovid: Metamorphosen 5. Buch
- ↑ Vgl. en:Muse#Function in literature
- ↑ Vgl. en:Speak, Memory#Various publications
Kategorien:- Muse
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