Deutsche Ideologie

Deutsche Ideologie

Die Deutsche Ideologie ist ein Textkonvolut, das hauptsächlich von Karl Marx, assistiert von Friedrich Engels und zeitweilig auch von Moses Hess, in den Jahren 1845-1847 verfasst, damals aber nur zu einem sehr geringen Teil veröffentlicht wurde. Der Großteil der Schrift erschien erst 1932. Eine neuerliche Bearbeitung der deutschen Ideologie im Rahmen der MEGA führte unter anderem zu einer Aufnahme zweier weiterer Texte, eines anonym erschienenen, aber Marx zugeschriebenen Artikels in der Zeitschrift Gesellschaftsspiegel, sowie eines Artikels von Joseph Weydemeyer aus dem Westphälischen Dampfboot, den dieser unter Mitarbeit von Marx in Brüssel verfasst hatte.[1]

Inhaltsverzeichnis

Hauptaussagen

Bruno Bauer und Max Stirner wurden auf Wilhelm Kaulbachs Gemälde Die Hunnenschlacht (1834-1837) von Marx und Engels wiedererkannt.[2]

Das Werk enthält Kritiken an den junghegelianischen Philosophen Ludwig Feuerbach, Bruno Bauer und Max Stirner sowie an zeitgenössischen deutschen Sozialisten.

In Die Deutsche Ideologie stellen die Autoren einen Zusammenhang zwischen den Lebensverhältnissen der Menschen und ihren Gedanken her. Insbesondere sind die Gedanken von Menschen einer bestimmten Epoche, Region und gesellschaftlichen Stellung über Moral, ethische Vorstellungen, Schönheitsideale usw. immer eine Widerspiegelung der spezifischen Lebensverhältnisse dieser Epoche, Region und Gesellschaftsklasse (und Schicht etc.). Vereinfacht kann man sagen: Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein. Die Lebensverhältnisse der Menschen einer bestimmten Epoche und einer Region sind sehr unterschiedlich, was sich in einer hierarchischen Ordnung der verschiedenen Klassen zeigt. Die Gedanken der Mitglieder aller Klassen fungieren hierbei zur Absicherung von Herrschaft derjenigen Klasse, welche am meisten von der jeweiligen Gesellschaftsstruktur profitiert. Die herrschenden Gedanken sind immer die Gedanken der Herrschenden. Die Interessen der herrschenden Klasse werden als die vorgeblich gemeinsamen aller Mitglieder der Gesellschaft dargestellt. Wird von Interessen der herrschenden Klasse geleitetes Wissen als allein gültiges Wissen dargestellt, so bezeichnen Marx und Engels dieses Wissen bzw. diese Gedanken als Ideologie. Ideologie kann nur durch Kritik aufgedeckt werden.

Die Deutsche Ideologie markiert die Grenze zwischen dem sogenannten frühen und dem reifen Marx, d. h. seine Lösung von dem humanistischen Materialismus Feuerbachs. Sie enthält, wie Engels schrieb, die erste Formulierung von Marx' "grosser Theorie", dem Historischen Materialismus.

Theoretische Einordnung

Marx und Engels

In der Vorrede von Zur Kritik der Politischen Ökonomie von 1859 thematisiert Marx den Entstehungshintergrund der Arbeit:

„Friedrich Engels, mit dem ich seit dem Erscheinen seiner genialen Skizze zur Kritik der ökonomischen Kategorien (in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern) einen steten schriftlichen Ideenaustausch unterhielt, war auf anderm Wege (vergleiche seine Lage der arbeitenden Klasse in England) mit mir zu demselben Resultat gelangt, und als er sich im Frühling 1845 ebenfalls in Brüssel niederließ, beschlossen wir, den Gegensatz unsrer Ansicht gegen die ideologische der deutschen Philosophie gemeinschaftlich auszuarbeiten, in der Tat mit unserm ehemaligen philosophischen Gewissen abzurechnen. Der Vorsatz ward ausgeführt in der Form einer Kritik der nachhegelschen Philosophie. Das Manuskript <Die deutsche Ideologie> [Anm.: in < > gesetzter Text ist eine Anmerkung der Marx-Engels-Werke], zwei starke Oktavbände, war längst an seinem Verlagsort in Westphalen angelangt, als wir die Nachricht erhielten, daß veränderte Umstände den Druck nicht erlaubten. Wir überließen das Manuskript der nagenden Kritik der Mäuse um so williger, als wir unsern Hauptzweck erreicht hatten - Selbstverständigung.“[3]

Engels äußerte sich 1888 in einer Vorbemerkung zu Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie über das Manuskript folgendermaßen:

„Ehe ich diese Zeilen in die Presse schicke, habe ich das alte Manuskript von 1845/46 nochmals herausgesucht und angesehn. Der Abschnitt über Feuerbach ist nicht vollendet. Der fertige Teil besteht in einer Darlegung der materialistischen Geschichtsauffassung, die nur beweist, wie unvollständig unsre damaligen Kenntnisse der ökonomischen Geschichte noch waren. Die Kritik der Feuerbachschen Doktrin selbst fehlt darin; für den gegenwärtigen Zweck war es also unbrauchbar. Dagegen habe ich in einem alten Heft von Marx die im Anhang abgedruckten elf Thesen über Feuerbach gefunden. Es sind Notizen für spätere Ausarbeitung, rasch hingeschrieben, absolut nicht für den Druck bestimmt, aber unschätzbar als das erste Dokument, worin der geniale Keim der neuen Weltanschauung niedergelegt ist.“[4]

Auszug

  • „Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht. Die Klasse, die die Mittel zur materiellen Produktion zu ihrer Verfügung hat, disponiert damit zugleich über die Mittel zur geistigen Produktion, so daß ihr damit zugleich im Durchschnitt die Gedanken derer, denen die Mittel zur geistigen Produktion abgehen, unterworfen sind. Die herrschenden Gedanken sind weiter Nichts als der ideelle Ausdruck der herrschenden materiellen Verhältnisse, die als Gedanken gefaßten herrschenden materiellen Verhältnisse; also der Verhältnisse, die eben die eine Klasse zur herrschenden machen, also die Gedanken ihrer Herrschaft.“[5]

Weblinks

Quellenverzeichnis

  1. Marx-Engels-Jahrbuch auf der Webseite der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft.
  2. Der Abschnitt „Das Leipziger Konzil“ beginnt: „Im dritten Bande der Wigand'schen Vierteljahrsschrift für 1845 ereignet sich die von Kaulbach prophetisch gemalte Hunnenschlacht wirklich. Die Geister der Erschlagenen, deren Grimm auch im Tode sich nicht beruhigt, erheben ein Getöse und Heulen in der Luft, wie von Kriegen und Kriegsgeschrei, von Schwertern, Schilden und eisernen Wagen. Aber es handelt sich nicht um irdische Dinge. Der heilige Krieg wird geführt nicht um Schutzzölle, Konstitution, Kartoffelkrankheit, Bankwesen und Eisenbahnen, sondern um die heiligsten Interessen des Geistes, um die ‚Substanz‘, das ‚Selbstbewußtsein‘, die ‚Kritik‘, den ‚Einzigen‘ und den ‚wahren Menschen‘. Wir befinden uns auf einem Konzil von Kirchenvätern. Da sie die letzten Exemplare ihrer Art sind und hier hoffentlich zum letzten Mal in Sachen des Allerhöchsten, alias Absoluten, plädiert wird, so lohnt es sich, über die Verhandlungen procès-verbal <Protokoll> aufzunehmen.“ MEW Bd.3 S.78
  3. Marx, MEW 13: 10
  4. Engels, MEW 21: 264
  5. Marx, Engels, MEW 3: 46

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