Deutscher Bildungsrat

Deutscher Bildungsrat

Der Deutsche Bildungsrat bestand 1966 bis 1975 als eine Kommission für Bildungsplanung. Der Rat wurde 1965 von Bund und Ländern gegründet, um Bedarfs- und Entwicklungspläne für das deutsche Bildungswesen zu entwerfen, Strukturvorschläge zu machen, den Finanzrahmen zu berechnen und Empfehlungen für eine langfristige Planung auszusprechen.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Aufgrund der Kulturhoheit der Länder gelten in den deutschen Bundesländern im Bildungsbereich unterschiedliche Gesetze, Verordnungen und Lehrpläne. Zur Koordination und gegenseitigen Anerkennung der Abschlüsse haben sich die Länder zur Kultusministerkonferenz (seit 1949) zusammengeschlossen. Dennoch treten weiter Probleme und Komplikationen auf, etwa für Schüler und Studenten, die über die Ländergrenzen hinweg umziehen. Bund und Länder gründeten mit dem Deutschen Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen (1953-1965), dem Wissenschaftsrat (seit 1957), dem Deutschen Bildungsrat (1965-1975) und der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (seit 1970) Gremien auf der nationalen Ebene. Ab 1. Januar 2008 wurden die Aufgaben der BLK teilweise von der neu gegründeten Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz übernommen.

Vorgeschichte

In den 1950er Jahren war der Begriff der Bildungsplanung praktisch unbekannt: Die Geburtenzahlen stiegen nach 1945 kontinuierlich an, und es war klar, dass sich dieser Trend verstärken würde, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 1930er Jahre das Elternalter erreichten. Aber erst anfangs der 1960er Jahre geriet der bevorstehende, für die Ausbildung der Jugend bedrohliche Kapazitätsengpass bei Schulen und Hochschulen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Der Deutsche Bildungsrat wurde daraufhin als politische nationale Körperschaft für die Planung des gesamten Bildungssystems eingerichtet.

Zusammensetzung

Die Bildungskommission des Deutsche Bildungsrates bestand aus 18 Mitgliedern, 14 davon wurden von den Ländern, 4 vom Bund vorgeschlagen. Diese vertraten zugleich Interessengruppen wie Kirche, Industrie oder Gewerkschaft oder waren Wissenschaftler. Den Vorsitz hatte der Kieler Historiker Karl Dietrich Erdmann.

Mitglieder (Auswahl, mit Zeitraum der Mitgliedschaft): der Mathematikdidaktiker Heinrich Bauersfeld, Hellmut Becker, Ralf Dahrendorf (1966–1968), Willy Dehnkamp (1968–1972, Bremer Bildungssenator), Hermann Krings (1966–1975, Philosoph), Hans Maier (1966–1970), Theodor Pfizer (1966–1975, zuvor bereits Vorsitzender des Deutschen Ausschusses), Ludwig Rosenberg (1966–1968, Gewerkschafter), der Pädagoge Heinrich Roth (1966–). Zwei von 18 Mitgliedern waren Frauen: die Soziologin Renate Mayntz sowie nach 1970 als einzige die Bremerin Emilie Stahl, die den Ausschuß für vorschulische Erziehung leitete.

Außerdem gab es eine "Regierungskommission", in der Regierungsvertreter (aus Bund, Ländern und Kommunen) mitarbeiteten. Diese musste aber lediglich angehört werden und hatte daher nur ein geringes Gewicht (im Unterschied zum Wissenschaftsrat, in dem auch Regierungsvertreter Stimmrecht haben). Daher wird in diesem Artikel die Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates zur Vereinfachung auch selbst als "Bildungsrat" bezeichnet.

Arbeit des Deutschen Bildungsrats bis 1970

Für seine Arbeit bildete der Deutsche Bildungsrat Ausschüsse und Unterausschüsse zu Einzelthemen wie „Finanzen“, „Vorschulische Erziehung“, „Begabtenförderung“, „Zeit der Differenzierung“, „Lehrerbildung“, „Chancengleichheit“, "Erwachsenen- und Weiterbildung" und „Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsrat“.

Dies war eine arbeitsintensive, ursprünglich nicht vorgesehene Arbeitsform. Da die Mitglieder in anderweitige berufliche Positionen eingebunden waren und nur nebenamtlich für den Bildungsrat tätig waren, wurden wissenschaftliche Assistenten beantragt und von Bund und Ländern bewilligt. Der Deutsche Bildungsrat berief insgesamt 55 weitere Mitglieder in die Ausschüsse und holte insgesamt 98 externe Gutachten ein.

Konzeptionell wurden wichtige Leitlinien entwickelt wie die Wissenschaftsorientierung des Lernens schon in der Grundschule, die deutliche Impulse für die Entwicklung des Sachunterrichts als Fach gab und Prinzipien, das Lernen zu lernen. Der Deutsche Bildungsrat hat sich eindeutig für exemplarisches Lehren und Lernen ausgesprochen.

Wichtige Veröffentlichungen gab es in der ersten Amtsperiode (bis 1970) zu den Themen Lehrermangel (1967), Finanzplanung (1967/68), Ganztagsschulen (1968), Gesamtschulen (1969), Begabung und Lernen (1969), Lehrlingsausbildung (1969), Abschlüsse im Sekundarschulwesen (1969) und Strukturplan für das Bildungswesen (1970).

Die vom Deutschen Bildungsrat maßgeblich eingeführten Definitionen und Systematiken, z.B. zum Begriff der Weiterbildung, werden heute häufig in der Fachliteratur herangezogen.

Änderung der "Gemeinschaftsaufgaben Bund und Länder" 1969/1970

Im Jahre 1969 wurde das Grundgesetz geändert: Der Bund wirkte nun beim Hochschulbau mit, Bund und Länder konnten bei der Bildungsplanung auf Grund von Vereinbarungen zusammen wirken.

Neu eingerichtet wurde ein Bundesbildungsministerium, welches 1970 den "Bildungsbericht ’70" vorlegte, der in engem Zusammenhang mit dem fast gleichzeitig veröffentlichten Strukturplan für das Bildungswesen des Deutschen Bildungsrats stand. Gleichfalls 1970 wurde die Bund-Länder-Kommission gegründet, die aus Verwaltungsvertretern bestand und damit eine politisch legitimierte Planung durchführen konnte.

Arbeit des Deutschen Bildungsrats ab 1970

In seiner zweiten Amtsperiode (1970–1974) sah sich der Deutsche Bildungsrat als ein Kreis unabhängiger Sachverständiger, der selbst beschließen konnte, welche Probleme er als vordringlich ansah. Es wollte bewusst eine Distanz zur "Tagespolitik" schaffen und sich bisher nicht behandelten zentralen Problembereichen zuwenden. Später wurde er dafür kritisiert, in den siebziger Jahren aktuell werdende Probleme wie Finanzierung, Numerus clausus oder Jugendarbeitslosigkeit nicht (bzw. in seiner zweiten Amtsperiode nicht mehr) behandelt zu haben. Er wollte außerdem keine "Zwischenprodukte" mehr publizieren - zwischen Frühjahr 1970 und Frühjahr 1973 wurde zwar intensiv gearbeitet, aber nichts publiziert. Dafür wurden 1973/74 sehr viele Berichte, Empfehlungen und Gutachten vorgelegt, insgesamt etwa doppelt so umfangreich wie die der gesamten ersten Amtsperiode.

Eine Empfehlung zum Thema "Verstärkte Selbständigkeit der Schule und Partizipation von Lehrern, Eltern und Schülern" (1973) traf auf schwere Bedenken bei Verwaltung und Politikern nicht nur der CDU-regierten Länder. Der Deutsche Bildungsrat verlor schlagartig seine Reputation. Hier wirkte sich die geringe Einbindung der Verwaltungsvertreter sehr negativ aus. Andere Entwürfe, die ähnlich argumentierten, wurden vom Bildungsrat selbst kritisiert und von einer "Empfehlung" zum "Bericht" herabgestuft.

1974 wurde seine Amtsperiode um ein Jahr verlängert, damit Bund und Länder Zeit für Verhandlungen gewannen. Einige waren für ersatzlose Auflösung, andere für die Neukonstruktion eines Beratungsgremiums, das aber nicht mehr die Macht haben sollte, seine Themen und Arbeitsweisen selbst zu bestimmen. Ohne Einigung wurde 1975 der Deutsche Bildungsrat aufgelöst.

Abschließend (1975) wurde als Rückblick einer der ersten Versuche einer umfassenden Bildungsberichterstattung veröffentlicht.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Deutscher Bildungsrat (1969): Einrichtung von Schulversuchen mit Gesamtschulen. Stuttgart: Klett Verlag.
  • Deutscher Bildungsrat (1970): Strukturplan für das Bildungswesen. Stuttgart: Klett Verlag
  • Deutscher Bildungsrat (1975): Bericht '75 - Entwicklungen im Bildungswesen. Bonn.

Literatur

  • Klaus Hüfner und Naumann, Jens: Konjunkturen der Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Band I: Der Aufschwung (1960 - 1967). 1. Auflage 1977. Ernst Klett Verlag, Stuttgart.
  • Klaus Hüfner u.a. (1986): Hochkonjunktur und Flaute. Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Ernst Klett Verlag, Stuttgart (S.149ff.).

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