- Deutschrussisch
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Einige russischsprachige Einwanderer in Deutschland sprechen untereinander ihre eigene Mischsprache, indem sie deutsche Wörter in grammatische Strukturen des Russischen einbauen. Das Russische fungiert also als Substratsprache und enthält je nach Sprecher unterschiedliche Mengen des deutschen Vokabulars. In seltenen Fällen können deutsche Wörter bis zur Hälfte der Mischsprache ausmachen. Das Deutschrussische ist vornehmlich eine mündliche Sprache, deshalb gibt es keine einheitliche schriftliche Norm.
Inhaltsverzeichnis
Schriftnormen
Da die russische und deutsche Sprache verschiedene Alphabete benutzen, gibt es generell zwei Möglichkeiten, die gemischtsprachigen Ausdrücke aufzuschreiben. Als korrekt gilt es, konsequent deutsche Bestandteile mit dem lateinischen Alphabet und russische Bestandteile mit dem kyrillischen Alphabet aufzuschreiben. Der Wechsel innerhalb eines Wortes, beispielsweise beim Übergang vom deutschen Stamm zur russischen Endung oder bei zusammengesetzten Worten, wird dabei mit dem Apostroph angezeigt (zum Beispiel: Qwe'ля)
In der Praxis hält man sich allerdings manchmal nicht daran, so dass die gemischtsprachigen Ausdrücke komplett mit dem kyrillischen Alphabet geschrieben werden. Bei der Umschreibung von deutschen Bestandteilen geht man dann nach phonetischen Gesichtspunkten vor. Zum Beispiel: квeля. Im Internet geschieht das meist durch die Schwierigkeiten, mehrere Tastaturbelegungen zu handhaben. Es gibt auch Bestrebungen, den phonetischen Klang der Wörter möglichst gut auszusprechen und für Leute lesbar zu machen, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen können. Dies führt zu einer russischen Schreibweise von deutschen Wörtern.
Merkmale
Je nach Sprecher können folgende Merkmale vorgefunden werden:
- Übernahme und eventuell eine leichte Abänderung von Begriffen für deutsche Realia, zum Beispiel: Arbeitsamt, Sozial (für Sozialhilfe), Termin, Vertrag, Mietvertrag, Miete, Antrag, Schulamt, Arbeitslosengeld I und II, Beamter (für Beamte), Sprachi (für Sprachkurse vom Arbeitsamt), Bewerbung, Gebietska (für eine Gebietskrankenkasse in Österreich).
- Willkürliche Übernahme vom deutschen Alltagsvokabular. Dies geschieht oft unter anderem, wenn das entsprechende deutsche Wort weniger Silben hat als das russische. Vermehrt ist dieses Phänomen bei Menschen russischer Abstammung anzutreffen, die als kleine Kinder nach Deutschland kamen, und sich seitdem hauptsächlich der deutschen Sprache als Alltagssprache bedienten.
- Wörtliche Übersetzungen aus dem Deutschen ins Russische, zum Beispiel: „Поставить антраг“ (Postawit Antrag) für „Antrag stellen“, „Сделать абитур“ (Sdelat Abitur) für „Abitur machen“, „Замельдоваться“ (Sameldowatsa) für „sich anmelden“. Bezeichnend ist dabei, dass wiederum die Wörter für die entsprechenden deutschen Realia direkt oder in einer abgeänderten Form übernommen werden. Das heißt, sie werden nicht ins Russische übersetzt.
- Anlehnung an das Deutsche bei der Aussprache deutscher Eigennamen im Russischen (im Gegensatz zu der im Russischen üblichen Vokalverschiebung, die sich nach der Schreibung richtet). Zum Beispiel: А́йнштайн statt Эйнште́йн für Einstein, Ляйпциг statt Лейпциг für Leipzig, Фройд statt Фрейд für Freud, Ойро statt Евро für Euro
In größerer oder geringerer Ausprägung lassen sich diese Merkmale sowie die weiter unten erläuterten Grammatikveränderungen in der Sprache fast jeden russischen Muttersprachlers in Deutschland beobachten, der schon seit einigen Jahren in diesem Land lebt.
Grammatik
- Das Geschlecht der übernommenen deutschen Begriffe kann sich nach dem Geschlecht im Deutschen richten (zum Beispiel: какая хорошая Überraschung); oft werden Wörter mit der Endung „-ung“ wie männliche Substantive gebraucht, da im Russischen nur männliche Substantive mit einem harten Konsonanten enden.
- Vermehrter Gebrauch der im Russischen unüblichen Hilfsverben иметь (haben) und быть (sein).
Beispiele
- Übernahme von Begriffen für deutsche Realia Spielhalle:
- Я сижу в шпильхалле (Spielhalle)
- Гельдшайны тут я векселяю ( Geldscheine, wechseln)
- И мюнцы тут я засыпаю (Münzen)
- В блестящий Шпилёмат (Spielomat)
- Willkürliche Übernahme deutschen Alltagsvokabulars (dies geschieht unter anderem oft, wenn das entsprechende deutsche Wort weniger Silben hat als das russische. Jedoch geschieht es auch oft aufgrund mangelnden Vokabulars, insbesondere bei Personen, die russisch nur über das Sprechen erlernt haben und keinen Schulunterricht in dieser Sprache hatten). Verben werden dabei oft „eingerussischt“. Die deutschen Endungen -(e)n des Infinitivs werden durch die russische Endung mit dem weichen -t' ersetzt (spüren - spürat') und im Satz wie russische Verben benutzt.
В келлере термин
- А не томи мою ты зелю (Seele)
- Не сверли в ней лох (Loch)
- А не души мою ты квелю (Quelle)
- Ох как я шпюраю подвох (spüren)
Kreative Wortschöpfungen
- "Arbeits´слёзы" bedeutet: "Arbeitslosengeld". Unwillkürlich und unvollständig ausgesprochen wird das Wort "Arbeitslosengeld" zu "Arbeitslose" reduziert und wegen der phonetischen Ähnlichkeit als "Arbeits´слёзы" umschrieben. Cлёзы bedeutet dabei auf Russisch "Tränen". So hat sich ein vollständig neues Wort gebildet.
- Beliebt ist auch der Ausdruck "Tschüssik", bei dem das deutsche Wort "Tschüss" in der russischen Verniedlichungsform (mit der Endung -ik) gebraucht wird.
Weblinks
- Nemrus Wörterbuch der russischen Sprechart in Deutschland (auf russisch)
- Quelia - Ein Extrem-Beispiel der Vermischung. Das Projekt enthält eine recht große Sammlung von Ausdrücken und einige Liedtexte. Die Mischsprache wird hier "Quelia" (rus.: квeля, quelia: Qweля) genannt, wobei der Name vermutlich je nach Ansicht vom deutschen "Quelle" oder "quälen" abstammt.
- Mischsprachen und kulturelle Identität auf den Seiten des Goethe-Instituts
Siehe auch:
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