Adolf Lenz

Adolf Lenz

Adolf Lenz (* 17. Januar 1868 in Wien; † 28. Oktober 1959 ebenda) war ein österreichischer Kriminologe und Strafrechtler, der vor allem als Gründer und Vorsitzender der „Kriminalbiologischen Gesellschaft“ (ab 1937) und als Leiter des Kriminologischen Instituts der Universität Graz bekannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Seine Promotion zum Doktor der Rechtswissenschaften erfolgte im Jahre 1891 an der Universität Wien, wo er sich 1894 auch habilitierte. In den Jahren 1900/1901 war er Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Freiburg im Breisgau Von 1902 bis 1910 war er als ordentlicher Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Czernowitz (Chernivtsi) tätig. Von 1903 bis 1904 war er Dekan der dortigen Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Im Jahre 1909 ging er nach Graz, wo er von 1922 bis 1923 als Rektor der Universität und mehrmals als Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät fungierte. An der Universität Graz war er Nachfolger des Kriminologen und Untersuchungsrichters Hans Gross und akademischer Lehrer des Kriminologen Ernst Seelig.

Adolf Lenz forschte vor allem in den Bereichen des Völkerrechts, des Strafrechts und der Kriminologie. Sein Hauptwerk war die Begründung der ganzheitlich ausgerichteten Kriminalbiologie. Lenz vermeinte, mittels "intuitiver Schau" die Persönlichkeit von Kriminellen unmittelbar ergründen zu können. Diese irrational-einfühlenede Methode ergänzte er mit Körpervermessungen. Angelehnt an die Konstitutionsbiologie von Ernst Kretschmer versuchte er, bestimmten Körperbautypen bestimmte Temperamentsformen zuzuschreiben. Das Ziel von Lenz' Kriminalbiologischen Untersuchungen war die Feststellung der "Persönlichkeitsschuld" von Kriminellen. Lenz strebte es an, Täter nicht mehr allein für ihre Taten zu bestrafen, sondern dafür, dass sie eben sind, wie sie sind. Aus heutiger Sicht ist diese ganzheitlich-intuitive Form der Kriminalbiologie als unwissenschaftlich zu bezeichnen.

In den Jahren 1929–1931 ist der Beginn seiner psychologischen Forschungen über die Persönlichkeit von Mördern zu vermuten, die in der 1931 veröffentlichten Gemeinschaftsstudie Mörder: die Untersuchung der Persönlichkeit als Beitrag zur Kriminalbiologischen Kasuistik und Methodik gipfelten.

Lenz war außerdem politisch engagiert: Im Österreich der Ersten Republik und im Ständestaat war er Mitglied der Heimwehren und ab 1934 als Vertreter der Wissenschaft im Bundeskulturrat Mandatar des Schuschnigg-Regimes. Dem Nationalsozialismus stand er ablehnend gegenüber, sodass seine Bedeutung nach 1938 schwand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er zwar zum Ehrenvorsitzenden der neu gegründeten "Kriminalbiologischen Gesellschaft" ernannt, trat aber wissenschaftlich und politisch nicht mehr in Erscheinung.

Werke (Auswahl)

  • Der strafrechtliche Schutz des Pfandrechts. Ein Beitrag zur Geschichte und Dogmatik des Schuldrechts. Stuttgart 1893.
  • Die Zwangserziehung in England. (The Reformatory and Industrial Schools.) Eine criminal-politische Studie. Stuttgart 1894.
  • Die anglo-amerikanische Reformbewegung im Strafrecht. Eine Darstellung ihres Einflusses auf die kontinentale Rechtsentwickelung, Stuttgart 1908.
  • Der Wirtschaftskampf der Völker und seine internationale Regelung, Stuttgart 1920.
  • Grundriss der Kriminalbiologie, Berlin 1927.
  • Mörder: die Untersuchung der Persönlichkeit als Beitrag zur Kriminalbiologischen Kasuistik und Methodik, Graz 1931 (gemeinsam mit Ernst Seelig, Martin Kalmann, Gustav Müller und Alfred Pokorn).

Sekundärliteratur

  • Christian Bachhiesl, Zur Konstruktion der kriminellen Persönlichkeit: Die Kriminalbiologie an der Karl-Franzens-Universität Graz (=Rechtsgeschichtliche Studien, Bd. 12), Hamburg: Verlag Dr. Kovac 2005.
  • Christian Bachhiesl, Der Fall Josef Streck. Ein Sträfling, sein Professor und die Erforschung der Persönlichkeit (=Feldforschung, Bd. 1), Wien u.a.: LIT 2006; ²2010.
  • Christian Bachhiesl, Die Grazer Schule der Kriminologie. Eine wissenschaftsgeschichtliche Skizze, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 91, 2 (April 2008), S. 87-111.
  • Christian Bachhiesl, Das Jahr 1938 und die Grazer Kriminologie. Gebrochene Kontinuitäten in einer aufstrebenden Wissenschaftsdisziplin, in: Friedrich Bouvier, Nikolaus Reisinger (Red.), Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Bd. 38/39, Graz: Medienfabrik 2009, S. 93-120.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Lenz (Familienname) — Relative Häufigkeit des Namens Lenz in Deutschland (Stand: Juni 2010) Lenz ist ein Familienname. Bekannte Namensträger Inhaltsverzeichnis A B …   Deutsch Wikipedia

  • Adolf Friedrich von Schack — Adolf Friedrich Graf von Schack Adolf Friedrich Graf von Schack …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Joachim Lenz — Lenz steht für: Frühling eine Variante des männlichen Vornamens Lorenz, der wiederum eine Variante des lateinischen Vornamens Laurentius ist. Lenz (Zeitschrift) für ab 60 Jährige Lenz (Modelleisenbahn) Markenname der Modelleisenbahn der Deutschen …   Deutsch Wikipedia

  • Adolf-Hitler-Schule — Ordensburg Sonthofen Die Adolf Hitler Schulen (AHS) waren den Napolas ähnliche nationalsozialistische Ausleseschulen in Form von Internaten. Sie sollten als Vorschulen für die Ordensburgen dienen und wurden nach erfolgreicher fünfjähriger… …   Deutsch Wikipedia

  • Adolf-Hitler-Schulen — Ordensburg Sonthofen Die Adolf Hitler Schulen (AHS) waren den Napolas ähnliche nationalsozialistische Ausleseschulen in der Form eines Internats. Sie sollten als Vorschulen für die Ordensburgen dienen und wurden nach erfolgreicher fünfjähriger… …   Deutsch Wikipedia

  • Adolf Kratzer — B. Adolf Kratzer [ The book (Hettema, 2001, p. 199) published the article On the Interpretation of Some Appearances in the Molecular Spectra , by Friedrich Hund in Göttingen. The paper cites the article: B. A. Kratzer “Die Gesetzmässigkeiten in… …   Wikipedia

  • Fritz Lenz — (* 9. März 1887 in Pflugrade; Kreis Naugard, Pommern; † 6. Juli 1976 in Göttingen) war ein deutscher Anthropologe, Humangenetiker und Eugeniker. In der Zeit der Weimarer Republik und im nationalsozialistischen Deutschen Reich war er einer der… …   Deutsch Wikipedia

  • Christian Lenz — Christian Guido Lenz (* 11. Mai 1938 in Heidenau (Sachsen) bei Dresden) ist ein deutscher Kunsthistoriker. Biografie Der in Sachsen gebürtige Lenz übersiedelte 1955 in die Bundesrepublik. 1958 machte er sein das Abitur und ging anschließend zur… …   Deutsch Wikipedia

  • Hilde Adolf — (* 13. Mai 1953 in Bremerhaven; † 16. Januar 2002 bei Schwanewede) war eine deutsche Politikerin (SPD) und Bremer Senatorin. Inhaltsverzeichnis 1 Biografie 1.1 Ausbildung und Beruf 1.2 P …   Deutsch Wikipedia

  • Max Lenz — Max Lenz, 1897 Max Lenz (* 13. Juni 1850 in Greifswald; † 6. April 1932 in Berlin; vollständiger Name: Max Albert Wilhelm Lenz) war ein deutscher Historiker. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”