- Die Türkin
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Die Türkin ist ein 1999 erschienener Roman von Martin Mosebach. Der Autor wurde für das Buch 1999 mit dem Heimito von Doderer-Literaturpreis ausgezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Handlung
Das Buch ist ein Liebesroman. Ein deutscher Philologe und frisch gekürter Doktorand ohne Namen verbringt drei Wochen in einem Dorf in der Türkei und beschreibt, was er dort erlebt. Nur kurz sieht und spricht der am Anfang einer Karriere stehende, frisch gekürte Doktorand mit Jasmin Calik, „der blauen Blume Lykiens“[1], Angestellte bei ihrem Adoptivonkel Hüssein, in einer Wäscherei in Frankfurt.
Frankfurt
In Gedanken nennt er Jasmin Pupuseh. Pupuseh ist eine adoptierte Waise des Clanführers Muzafer Calik aus Girmeler. Einer früher mit Lykien bezeichneten historische Landschaft in der heutigen Türkei. Hüssein will sich von seiner Frau scheiden und die attraktive und jüngere Jasmin heiraten, dieses weiß aber der unbedarfte Akademiker noch nicht. Zeynab Calik, Jasmins Vertraute und Cousine, arrangiert ein Treffen im nebenanliegenden Frankfurter Frisörsalon, in dem sie arbeitet. Am nächsten Tag ist Pupuseh verschwunden. Statt in New York seine Stelle beim jüdischen Kunsthändler Hirsch, auf Vermittlung des Doktorvaters Ryschen anzutreten, fliegt der 36 jährige Ich-Erzähler kurzentschlossen nach Antalya.
Lykien
Nach einer vierstündigen Autofahrt erreicht er Yakaköy in Lykien am Fuße des Taurusgebirges. In Yakaköy war man über mehrere Jahre die Anwesenheit ausländischer Archäologen gewohnt gewesen. Erst gruben die Franzosen einen großen Thermensaal eines Günstlings von Kaiser Hadrian frei, danach fanden die Italiener eine aus minderwertigem Mauerwerk bestehende byzantinische Basilika und die Deutschen beschäftigten sich mit dem spätrömischen Theater. Jetzt war schon jahrelang nichts mehr geschehen, obwohl unter den Feldern und Viehweiden von Yakaköy eine antike Großstadt begraben lag. Aber der Ort liegt auch gegenüber von Girmeler das Dorf von Muzafer Calik und Pupuseh.
In Yakaköy lernt er Justus Palm, Rentner und wissenschaftlicher Rat a. D. kennen. Nach einem erfolglosen Versuch sich in dem Fach Archäologie zu habilitieren, einem chimärischen Kampf zwischen deutschen und türkischen Behörden um Ausgrabungsziele, blieb er in Yakaköy hängen. Vor seiner Pensionierung hatte er in seinem akademischen Leben eine wissenschaftliche Halbstelle inne. Justus wohnt in Yakaköy bei den Resten eines Zeustempels in einem Forum aus der Hadrianszeit und fühlt sich wie ein römischer Legionär einer Einmannarmee, auf einem abgelegenen verwaisten archäologischen Außenposten. Er trinkt Raki als Ausdruck eines christlichen Privilegs, das man in Anspruch nehmen muss, in einer Umgebung in der der Prophet den Genuss von Alkohol verboten hat. Zuletzt blieb ihm das Leben eines Einsiedlers, der sich aus Weltekel in diese osmanische Wüstenei zurückgezogen hat. Dort in der Einsamkeit trotzte er den Großangriffen seiner Erinnerungen an seine total gescheiterte akademische Existenz. Als einer der wenigen Bewohner Yakaköys besitzt Justus ein Motorrad, das der Protagonist und Justus zu Ausflügen ins nahe Taurusgebirge in Anspruch nehmen. Dort lernen sie auch die Ingenieure Turhan und Ünal kennen, die beide an einer Universität in Deutschland Tier- und Landwirtschaft studiert haben nun in der Türkei im Auftrag einer dänischen Firma Forellen züchten. Beide rauchen aus Heimatverbundenheit die türkische Zigarettenmarke Birinci und nicht ein westliches Produkt. Bürgermeister Muzafer Calik der Adoptivvater von Jasmin würde bestimmt nicht einen stellungslosen deutschen Akademiker in seinen wirtschaftlichen Verband aufnehmen. Auch Justus würde das nicht tun, niemand. Deshalb tauchte in den Phantasien des Protagonisten die Entführung aus dem Serrail-Option auf. Ein Rückentführung nach Frankfurt oder New-York.
Bayram
Molochs Menschenopfer der Phönizier, Baal, Iphigenie wurde auf den Altar gelegt, um die Ausfahrt der Griechen nach Troja zu begünstigen. Curtis sprang mit seinem Pferd in eine unheimliche Erdspalte auf dem Forum Romanum. Die Kelten schlachteten Jungfrauen, Gott fordert von Abraham das Opfer seines einzigen rechtgeborenen Sohnes. Mohammed der Religionskompilator stellt die Sache auf den Kopf. Nein, Jesus ist nur zum Schein erblasst, Engel hätten ihn, den letzten Vorläufer des Propheten vom Schreckensort Golgotha entrückt.
Alles wartete auf den noch ganz jungen Iman. Er wurde von einem Metzger begleitet, der die Opfertiere an Bayram fachgerecht zerlegte und verarbeitete. Es war Pupuseh, die das Messer dem Iman reichte. Nihat grub mit einem Spaten ins fette Ackerland einen kleinen Schacht. In einer einzigen Bewegung wurde der Bock überwältigt. Der Iman schnitt ihm die Kehle durch. Die Zeremonie war zu Ende, die Gesellschaft in Muzafers Haus aß noch das gebratene Fleisch des Ziegenbocks.
Osternacht
Nihat, der Besitzer der Pension in Yakaköy, in der der Philologe wohnt, kannte noch aus seines Vaters Erzählungen die verbauerten Griechen und ihr christliche orthodoxes Osterfest. Besonders unheimlich war ihm die Osternacht vorgekommen. Mitten in der Nacht zogen Männer und Frauen mit Kerzen in die Kirche um an die Geburt ihres fleischgewordenen Menschgottes zu denken. Sie schlossen sich in der Kirche ein. Heraus drang nur trüber Lichtschein und langgezogene Gesänge, und alle, die die Kirche verließen, küssten sich anschließend. Da mussten schaudererregende Orgien gefeiert werden. Alle Männer fielen da über die Frauen her?
Handlungsarmut und Beobachtungsgabe
Auf den nächsten zweihundert Seiten verfolgt Mosebach die aktive Strategie der Handlungsverweigerung und streift durch die lykische Landschaft des Taurusgebirges, das vor ihm schon Kreuzritter auf ihrem Weg ins Heilige Land und noch viel früher Perser, Griechen und Römer durchquert haben. Auch Hüsseins der Wäschereibesitzer aus Frankfurt taucht in den Ruinen der Griechen und Römer auf, in denen er dem Haupthandlungsträger seine Liebe zu Jasmin gesteht und stirbt. Vorher traf sich der Doktorand noch einmal mit Jasmin und sagte zu ihr in einem Traum: Ich liebe Dich. Umarmte und küsste sie ein einziges Mal auf den Mund. In den nächsten Tagen heiratet Jasmin den treuen verlässlichen Ünal. Der Ich-Erzähler reist darauf nach Frankfurt zurück. Das Schicksal erspart dem Paar den holprigen Weg einer interkulturellen Ehe.
Zusammenfassung
Mosebach schildert die Liebesabsichten eines Schreibtisch-Menschen, der in ein zunächst unverbindliches Liebesabenteuer hineinschlittert. Das Liebesabenteuer endet als einfache Pauschalreise. Muzafer der ehrwürdige, alte, türkische Patriarch setzt sich durch. Das Leben bleibt in den gewohnten Bahnen und es ist für beide, Jasmin und den Ich-Erzähler, besser so. Mosebach schildert eindrücklich beide Kulturen, die säkulare ehemalige langsam sich verlierende abendländische Kultur und die atatürkisch-aufgeklärte, aufstrebende inmitten antiker Ruinen sich emanzipierende Türkei, ohne eine Kultur der anderen vorzuziehen.
Einzelnachweise
- ↑ FAZ: Die sorglose Pumphose 23. März 1999
Weblinks
- FAZ: Die sorglose Pumphose 23. März 1999
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