- Die Wiesenburg
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Der Berliner Asylverein für Obdachlose wurde 1868 von Berliner Würdenträgern gegründet und organisierte Unterkünfte für Obdachlose, der Volksmund nannte das Asyl "Die Wiesenburg".
Die Erkenntnis, dass Wohnungslosigkeit nicht persönliches Verschulden sein müsse, weshalb auch das Polizeigewahrsam für Obdachlose wohl nicht die richtige Unterkunft sei, führte am 30. November 1868 dazu, dass engagierte Vertreter des Berliner Bürgertums den Asylverein für Obdachlose mit dem Ziel der Errichtung eines Asyls (Unterkunft), das die Unglücklichen liebevoll beherbergen soll, gründeten. Zu den Gründern gehörten bedeutende Persönlichkeiten der Berliner Bürgerschaft wie der Industrielle August Borsig, der Stadtverordnetenvorsteher Friedrich Kochhann, der Prediger Friedrich Gustav Lisco, Rudolf Virchow und andere.
Bereits am 7. Dezember schloss dieser einen Mietvertrag über Räume in einem ehemaligen Artilleriewerkstattsgebäude in der Dorotheen- Ecke Wilhelmstr. ab. Am 12. Dezember, wurde ein Aufruf an die Berliner Bevölkerung herausgegeben, in dem diese aufgefordert wurde, dem Verein beizutreten oder ihn durch Beiträge zu bereichern. Bereits zum Jahresende 1868 war die Einrichtung des Frauenasyls weitestgehend nutzbar. In dieser Zeit hatte das Asyl bereits die Kapazität zur Aufnahme von 60 Personen, die hier auf Bettgestellen mit Spiralmatratzen, die der in anderen ähnlichen Etablissements üblichen Unreinlichkeit der hölzernen Betten entgegenwirken sollten, übernachten konnten.
Der Verein hatte einige Jahre Bestand. Im Dezember 1897 wurde, nach Einrichtungen in verschiedenen Berliner Bezirken, ein eigener Neubau in der Wiesenstraße in Gesundbrunnen fertig, der immerhin 700 Personen Obdach bieten konnte. Die Wiesenburg wurde vom Architekten Georg Toebelmann (1835–1909) entworfen. Neben den Schlafsälen und dem Speisesaal bot das noch heute (wenn auch in einem erbärmlichen, baufälligen Zustand) bestehende Gebäude auch Wohn- und Konferenzräume für die Aufseher und den Verein.
Der Kurator des Männerasyls in der Wiesenstraße blieb wie bisher der Sozialdemokrat Paul Singer. Auch dieses Gebäude konnte noch auf einige Jahre erfolgreichen Bestehens blicken. 1906 wurde noch eine Erweiterung um 400 Schlafstellen für Frauen vorgenommen. Erst mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges begann eine Funktionsänderung des Gebäudes zu militärischen Zwecken.
Das Besondere des Vereins war, das hohe Aufkommen von hochrangigen und exponierten Vertretern der Berliner Gesellschaft. Die Statuten sahen unter anderem auch die Anwesenheit der Vereinsmitglieder bei der täglichen Arbeit vor. Wie häufig dies durch die genannten bekannten Personen passierte, ist allerdings unklar, doch charakterisiert dieses Beispiel die Wesenszüge des liberalen Bürgertums der damaligen Zeit.
Diese Verortung des Vereins in den reicheren Gesellschaftsschichten war ein wichtiger Grund, weshalb der Verein lange sowohl wirtschaftlich als auch in seiner Funktion existieren konnte. Erst später, nachdem sich der Blick der Gesellschaft auf die Armen verändert hatte und die Demokratie auch in Deutschland Einzug gehalten hatte, wurden diese Aufgaben von staatlichen Stellen wahrgenommen.
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