Diebner

Diebner
Kurt Diebner.

Kurt Diebner (* 13. Mai 1905 in Obernessa bei Naumburg; † 13. Juli 1964 in Oberhausen) war ein deutscher Kernphysiker.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Jahre und Studium

Diebner studierte Physik an den Universitäten Innsbruck und Halle/Saale. In Halle gehörte er der studentischen Verbindung 'Halloren' an. 1931 promovierte er.[1] Die Arbeit zeigte, dass seine Stärken auf dem Feld der Experimentalphysik lagen.

Arbeit im Uranverein

Kurz nachdem er den Doktortitel erhalten hatte, wechselte er zur PTR (Physikalisch-Technischen Reichsanstalt) und 1934 zur Forschungsabteilung des Heereswaffenamtes (HWA). Dort arbeitete er unter der Leitung von Professor Dr. Erich Schumann an der Initialzündung von Sprengstoffen mit Hilfe von radioaktiven Strahlen.[2] Ab Sommer 1939 übernahm Diebner die Leitung des neu gegründeten Referats für Atomphysik bei der Gruppe Wa F I (Physik) des HWA in Kummersdorf bei Berlin.

Nach dem Beginn des 2. Weltkrieges strebte das HWA an, alle Forschungen zur Kernspaltung für Rüstungszwecke zu kontrollieren. Wichtigster Schritt in dieser Richtung war die Übernahme des KWI (Kaiser-Wilhelm-Institut) für Physik in Berlin-Dahlem. Peter Debye, seit 1935 Leiter des KWI für Physik, lehnte das Angebot ab, das Institut weiter zu führen, da dies mit der Auflage verbunden war, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. An seiner stelle trat Diebner die Stelle des Geschäftsführer des KWI für Physik an und besetzte diesen Posten von Januar 1940 bis September 1942. Durch Unterstützung Erich Bagges gelang es Diebner, Werner Heisenberg zur Mitarbeit am durch das HWA geleitete deutsche Uranprojekt zu überreden. Als die Verantwortung für das Uranprojekt an den Reichsforschungsrat überging, musste Diebner seinen Posten als Geschäftsführer des KWI für Physik jedoch räumen.[3]

Parallel zu den Arbeiten am KWI für Physik begann Diebner Ende 1939 mit dem Aufbau einer eigenen Atomforschungsgruppe an der Versuchsstelle des HWA in Gottow. Die Arbeit des Uranvereins war wesentlich durch das spannungsvolle Verhältnis zwischen Kurt Diebner und Werner Heisenberg geprägt. Unbestritten ist heute, dass Diebner mit dem Würfel-Konzept über ein qualifizierteres Reaktorkonzept als Heisenberg mit seinem Platten-Konzept verfügte. Nach mehreren dokumentierten Reaktorversuchen kam es im Frühjahr 1944, das genaue Datum ist nicht bekannt, in Gottow zu dem Versuch G III b mit 564 Kilogramm Uranwürfeln und knapp sechshundert Liter schwerem Wasser. Die Auswertung der Versuche ergab für G III b eine Neutronenvermehrung um 106 Prozent. Diese Werte lagen deutlich über allen zuvor erreichten Ergebnissen. Diebners Reaktorkonzept hatte seine Tauglichkeit bewiesen. Im Herbst 1944 begann Diebner in Gottow mit einem neuen Reaktorversuch, dessen Umstände bis heute nicht eindeutig geklärt sind. Offensichtlich muss es dabei zu einem Unfall gekommen sein, in dessen Folge Mitarbeiter verstrahlt worden sind.

Im Januar 1944 kehrte Diebner als Stellvertreter des Beauftragten des Reichsforschungsrates für die kernphysikalische Forschung, Prof. Walther Gerlach, ins Harnack-Haus zurück. Mittlerweile gab es neben den Reaktorversuchen einen weiteren Forschungsschwerpunkt. Nachgewiesen sind Diebners Versuche, 1943-44 mittels Hohlladungen thermonukleare Reaktionen einzuleiten. Diese Versuche waren nach seiner Aussage nicht erfolgreich. Seine Teilnahme an Tests von nuklearen Versuchsanordnungen im März 1945 ist nicht sicher belegt. Allerdings nennt ihn Werner Grothmann, Chefadjutant von Reichsführer SS Heinrich Himmler, als durchführenden Verantwortlichen für diese Versuche.[4]

Bekannte Arbeitsstätten waren das Heereswaffenamt Berlin, Hardenbergstraße, die Heeresversuchsstelle Kummersdorf[5], südlich von Berlin, ab Herbst 1944 ein Versuchslabor in den Räumlichkeiten der Mittelschule in Stadtilm Thüringen.

Im Mai 1945, nach einer abenteuerlichen Überführung des Labors Stadtilm nach Bayern wurde Diebner von US-Soldaten verhaftet und gemeinsam mit den Nobelpreisträgern Werner Heisenberg und Otto Hahn, Walther Gerlach, Erich Bagge und anderen im englischen Farm Hall interniert. Nach sechs Monaten konnten die Wissenschaftler in ihre Heimat zurückkehren.

Nach dem 2. Weltkrieg

1947 gründete er in Hamburg die Firma Durag. Mit Erfindung des Dämmerungsschalters (patentiert) verbesserte sich die wirtschaftliche Situation der Familie.

Ab Mai 1955 meldete Diebner gemeinsam mit Prof. Erich Bagge zahlreiche Reaktorpatente an. Darunter befinden sich unter anderem Patente zu (Schnellen Brütern), sowie zur Plutoniumgewinnung und -separation. Zwei Patentanmeldungen erfolgten 1955 zusammen mit Dr. Friedwardt Winterberg zu thermonuklearen Bomben (Mininuke, boosted weapon), deren Zündung und Anwendung zieht er allerdings wieder zurück. An den Patentanmeldungen seines früheren Chefs Erich Schumann über Bau und Zündung thermonuklearer Bomben ist er nicht beteiligt.

1957 (4. März) erscheint Diebners Name in der deutschen Presse mit der Ankündigung, dass er das „Geheimnis der Kernverschmelzung“ enträtselt habe. Am 20. März 1957 erhält er noch einen großen Artikel im Nachrichtenmagazin „Spiegel“, doch kann er die wissenschaftlichen Erwartungen nicht erfüllen. Die Erforschung der Fusion bleibt dennoch auch weiterhin sein Thema und führt zu weiteren Patentanmeldungen.[6]

Diebner fungiert ab 1955 als Initiator und Herausgeber verschiedener Zeitschriften wie „Kerntechnik“. Er ist einer der Gründer der „Studiengesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt“, die letztlich in die Gründung der GKSS in Geesthacht führt.

Arbeiten zu Diebners Schaffen

Diebners Rolle im Heereswaffenamt und bei der Entwicklung einer Nuklearwaffe im 3. Reich ist Gegenstand einer Publikation von Dr. Rainer Karlsch „Hitlers Bombe“[7], die in der deutschen Presse zu heftigen Kontroversen führte.[8] Der US-Historiker Prof. Mark Walker hat im Herbst 2005 eine wissenschaftliche Arbeit im Auftrag der Max-Planck-Gesellschaft publiziert, die den neuen Forschungsstand bewertet.[3]

Literatur

  • Rainer Karlsch Hitlers Bombe, 2005, München, DVA, ISBN 3-421-05809-1
  • Rainer Karlsch, Heiko Petermann Hrsg. Für und Wider Hitlers Bombe, 2007 Waxmann Verlag Münster/New York, ISBN 9-783830-91893-6
  • Mark Walker, German National Socialism and the Quest for Nuclear Power 1939-49, Cambridge UP 1989, ISBN 9-780-52136413-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Annalen d. Physik. F. 5, Bd. 10.
  2. Kurt Diebner, Erich Bagge, Kenneth Jay „Von der Uranspaltung bis Calder Hall“, Hamburg 1957, S. 21.
  3. a b Mark Walker „Eine Waffenschmiede? Kernwaffen- und Reaktorforschung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik“ Download (PDF-Datei).
  4. Wolf Krotzky „Gespräche mit Werner Grothmann“, unveröffentlichtes Manuskript der Interviews 2000-2001.
  5. Günter Nagel „Atomversuche in Deutschland“, Heinrich-Jung-Verlag Zella-Mehlis 2002 ISBN 3-930588-59-5.
  6. Patent 1414759 „Verfahren zur Verwertung der Fusionsenergie von Deuterium und Tritium mit Hilfe konvergenter, periodischer Verdichtungsstöße“.
  7. Rainer Karlsch „Hitlers Bombe“, DVA München 2005, ISBN 3-421-05809-1.
  8. Strahlentelex, Artikel 4: Zeit-Fragen Nr. 13 vom 29. März 2005 [1], [2].

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