- Farm Hall
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Farm Hall ist ein englischer Landsitz in der Nähe des Dorfes Godmanchester 16 km nordwestlich von Cambridge. Während des Zweiten Weltkriegs wurde es vom britischen Geheimdienst zur Ausbildung von Agenten genutzt.
Vom 3. Juli 1945 bis zum 3. Januar 1946 waren auf Farm Hall zehn deutsche Kernphysiker interniert.
Inhaltsverzeichnis
Internierung deutscher Kernphysiker
Die Maßnahme trug den Codenamen Operation Epsilon und war Teil der Alsos-Mission.
Ziel war, durch versteckte Abhöreinrichtungen herauszufinden,- wie weit das deutsche Uranprojekt fortgeschritten war,
- welche Rolle die internierten Wissenschaftler hatten, und
- wie die Kooperationsbereitschaft den Alliierten gegenüber einzuschätzen war. Dies war insbesondere für Großbritannien interessant, das zu diesem Zeitpunkt noch keine Atommacht war.
Ein Team von insgesamt acht Personen unter Leitung von Major Th. H. Rittner war für das Abhören, Aufnehmen, Abschreiben und Übersetzen verantwortlich (sog. Farm Hall Transkripte). Nur relevante technische oder politische Informationen, etwa zehn Prozent aller abgehörten Worte, wurden aufgezeichnet, transkribiert und übersetzt. Die Aufzeichnungen erfolgten mit sechs bis acht Maschinen auf Schellack-überzogene Metallscheiben. Nach Transkription wurden die Scheiben gelöscht und erneut verwendet. Die schriftlich fixierten Transkripte wurden dem Leiter des Manhattan-Projekts, General Leslie R. Groves, in Form von 24 Berichten auf mehr als 250 Seiten nach Washington übermittelt.
Erst durch die 1962 erschienene Monografie von Groves über das von ihm geleitete Projekt kam anhand seiner ausführlichen Zitierungen – auch für die deutschen Physiker selbst – erstmals heraus, dass Transkriptionen ihrer persönlichen Gespräche in der Internierung existierten.
Während ihrer Internierungszeit in Farm Hall wurde den deutschen Physikern auch die Nachricht über den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki überbracht, die sie, insbesondere aber Otto Hahn, tief erschütterte.
Groves äußerte sich in seiner Biografie überzeugt davon, dass die später unter anderem von Heisenberg und von von Weizsäcker bekundeten moralischen Bedenken gegen den Bau einer Atombombe eine Post-Festum-Argumentation waren, das heißt ein vorgeschobener Grund. Heisenberg habe die Menge der für eine Atombombe benötigten kritischen Masse von Uran-235 in den Jahren zuvor fehlerhaft in Tonnen statt in Kilogramm kalkuliert, damit sei eine zeitnahe Herstellung von genügend Material für eine Bombe nicht denkbar erschienen.
Die Protokolle sind nur in ihrer englischen übersetzten Fassung erhalten. Sie wurden erst 1991 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, nachdem eine Reihe hochrangiger Wissenschaftler, unter anderem die Präsidenten der Royal Society und der British Academy sowie zum Beispiel Rudolf Peierls, sich an den britischen Lordkanzler gewandt hatten.
Liste der internierten Forscher
- Erich Bagge
- Kurt Diebner
- Walther Gerlach
- Otto Hahn
- Paul Harteck
- Werner Heisenberg
- Horst Korsching
- Max von Laue
- Carl Friedrich Freiherr von Weizsäcker
- Karl Wirtz
Quellen
- Leslie R. Groves: Now it can be told – The story of the Manhattan Project. Da Capo Press, 1962.
- Paul Lawrence Rose: Heisenberg and the Nazi Atomic bomb project: a study in German culture. University of California Press, Berkeley 1998.
- Jeremy Bernstein, David C. Cassidy: Hitler’s Uranium Club: The Secret Recordings at Farm Hall. 2. Auflage.
- Dieter Hoffmann: Operation Epsilon. Die Farm-Hall Protokolle oder die Angst der Alliierten vor der deutschen Atombombe, Rowohlt 1993 ISBN 3-87134-082-0 (deutsche Übersetzung der Protokolle von Hoffmann).
- Charles Frank (Herausgeber, Vorwort): Operation Epsilon. The Farm Hall Protocols, University of California Press, Institute of Physics, 1993
Weblinks
http://www.aip.org/history/heisenberg/p11a.htm
Siehe auch
Kategorien:- Kriegsgefangenenlager
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