Erich Bagge

Erich Bagge

Erich Rudolf Bagge (* 30. Mai 1912 in Neustadt bei Coburg; † 5. Juni 1996 in Kiel) war ein deutscher Kernphysiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Studium der Physik in München und Berlin wurde Bagge 1938 bei Werner Heisenberg an der Universität Leipzig[1] mit der Arbeit „Beiträge zur Theorie der schweren Atomkerne“ promoviert. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik am deutschen „Uranprojekt“. Durch seine Vermittlung gelang es Kurt Diebner, Werner Heisenberg zur Mitarbeit am Uranprojekt, das durch das Heereswaffenamt (HWA) geleitet wurde, zu überreden. Zwischen 1941 und 1943 entwickelte er die Isotopenschleuse, ein Gerät zur Anreicherung von Uran. Diese meldete er im März 1942 zum Patent an (dabei half ihm Erich Habann).

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war er von den Alliierten im Rahmen der Operation Epsilon zusammen mit neun weiteren Physikern (Kurt Diebner, Walther Gerlach, Otto Hahn, Paul Harteck, Werner Heisenberg, Horst Korsching, Max von Laue, Carl Friedrich von Weizsäcker und Karl Wirtz) in Farm Hall (England) interniert.

Nach dem Krieg wurde er 1948 zum außerordentlichen Professor und Abteilungsleiter des Physikalischen Staatsinstituts an der Universität Hamburg berufen, wo er sich insbesondere mit der Nutzung der Atomenergie für Handelsschiffe beschäftigte. Er gehört 1956 mit Kurt Diebner zu den Gründern der Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt GmbH (GKSS) in Geesthacht.

1957 wurde er zum Leiter des von ihm gegründeten Instituts für Reine und Angewandte Kernphysik der Christian-Albrechts-Universität in Kiel berufen. Er baute dieses Institut in einer Zeit auf, als sich ein großes Potenzial für die friedliche Nutzung der Kernenergie in Deutschland abzuzeichnen begann. In dieser Zeit entwickelte Erich Bagge gemeinsam mit Kurt Diebner zahlreiche Reaktor-Patente, darunter zu Schnellen Brütern sowie zur Plutoniumgewinnung und -separation. Durch Bagge bestand von Beginn an eine enge Verbindung mit dem Forschungsreaktor Geesthacht, den die GKSS später als Trägerorganisation betrieb. Bagge trieb in seinem Institut insbesondere die Erforschung der Höhenstrahlung voran, sodass das Kieler Institut für reine und angewandte Kernphysik mit ungezählten Ballonstarts weltweit bekannt wurde.

Der Bau des ersten deutschen mit Atomkraft betriebenen Forschungsschiffs, des Erzfrachters Otto Hahn, wurde von der GKSS ausgeschrieben und 1963 bis 1968 in Kiel ausgeführt. Das Schiff war als Symbol einer "strahlenden" Zukunft gedacht, blieb aber schließlich das einzige deutsche Schiff mit Kernenergieantrieb.

Bedeutung

Bagge gehörte zu den zehn nach dem Zweiten Weltkrieg internierten Deutschen Kernphysikern in Farm Hall (England) im Rahmen der Operation Epsilon der Alliierten. Er war sowohl experimenteller als auch theoretischer Physiker. Von Bedeutung waren seine Weiterentwicklungen des Funkenzählers, die weltweit in viele Laboratorien Einzug hielten.

Erich Bagge fasste die theoretische Physik nicht als ein festgefügtes Lehrgebäude auf, sondern machte seine Schüler immer wieder darauf aufmerksam, was in der Theorie der Kern- und Astrophysik noch ungeklärt oder gar widersprüchlich war. Er regte seine Studenten sogar zu neuer Theoriebildung an, indem er selbst durchaus gewagte Theorien zur räumlichen Ausdehnung der Elementarteilchen oder gar zur Existenz von Neutrinos ausarbeitete und veröffentlichte.[2] Es ist darum nicht verwunderlich, daß nicht wenige seiner Schüler später weltbekannt wurden wie etwa Joachim Trümper.

Eine besondere Anwendung der Kernphysik war Bagges methodische Entwicklung der Kohlenstoffdatierung. Sein Labor für C14 und Massenspektrometrie war in zahlreiche Kollaborationen mit archäologischen, geologischen, paläontologischen und klimatologischen universitären und außeruniversitären Instituten eingebunden.

Bagge war 1992 wissenschaftlicher Berater bei dem Fernsehfilm "`Das Ende der Unschuld"'. Dabei überließ er dem Stadtarchiv Haigerloch Kopien von Originalarbeiten zur deutschen Kernforschung in der Zeit von 1939 bis 1945.[3]

Schriften (Auswahl)

  • Erich Bagge, Der Massendefekt der Atomkerne und das relativistische Mehrkörperproblem, in: Zeitschrift für Naturforschung 1946.
  • Erich Bagge, Gibt es angeregte Zustände bei Elementarteilchen? Bilokale Quantentheorie des Elektrons, in: Zeitschrift für Physik, 1953.
  • Erich Bagge, Kurt Diebner, Kenneth Jay, Von der Uranspaltung bis Calder Hall, Rowohlt, Hamburg 1957.
  • Erich Bagge, Die Nobelpreisträger der Physik (Gebundene Ausgabe), Verlag Moos 1964.
  • Erich Bagge, Die Entstehung der kosmischen Ultrastrahlung und das Expansionsphänomen der Welt, Verlag Karl Thieme, München 1966.

Einzelnachweise

  1. Ivan Supek, Leipzig in der Zeit Heisenbergs und Hunds. Aus dem Roman Otkrice u izgulbljeom vremenu (Entdeckung in der verlorenen Zeit). Zagreb 1987. In: Manfred Schroeder (Hrsg.): Hundert Jahre Friedrich Hund. Ein Rückblick auf das Wirken eines bedeutenden Physikers. Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen II. Math.-Nat. Klasse, Jg. 1996 Nr. 1, S. 32-52.
  2. Erich R. Bagge: What Really Happens in Pair Production and Beta Decay? Why Neutrinos Don't Exist. In: Fusion, November-December 1985, S. 29-38
  3. Geheimberichte aus der Zeit von 1939-45 zur deutschen Kernforschung im Stadtarchiv Haigerloch. Inhaltsverzeichnis:

Quellen

  • Erich Bagge, Kurt Diebner Kenneth Jay Von der Uranspaltung bis Calder Hall, Hamburg Rowohlt 1957
  • "Schweres Wasser kostete soviel wie Gold", ein Gespräch mit Erich Bagge, in: Michael Schaaf: Heisenberg, Hitler und die Bombe. Gespräche mit Zeitzeugen, GNT-Verlag, Diepholz/Berlin 2001. ISBN 978-3-928186-60-5.

Weblinks


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