- Disclaimer
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Der Begriff Disclaimer wird im Internet-Recht als Fachausdruck für einen Haftungsausschluss verwendet. Dabei kommen Disclaimer vorwiegend in E-Mails und auf Webseiten vor. Er stammt ursprünglich vom englischen „to disclaim“ ab, was soviel bedeutet wie „abstreiten“ oder „in Abrede stellen“.
Inhaltsverzeichnis
E-Mail-Disclaimer
Ein E-Mail-Disclaimer hat häufig zum Inhalt, dass der Lesende, sollte er die E-Mail versehentlich erhalten haben und nicht der gemeinte Empfänger sein, den Inhalt der betreffenden E-Mail sofort wieder vergessen möge und die E-Mail wahlweise an den Absender zurück oder an den gewünschten Empfänger senden soll. Der Disclaimer hat nichts mit der gesetzlich für Geschäftsleute vorgeschriebenen Signatur zu tun.
Beispiel:
HINWEIS: Dies ist eine vertrauliche Nachricht und nur für den Adressaten bestimmt. Es ist nicht erlaubt, diese Nachricht zu kopieren oder Dritten zugänglich zu machen. Sollten Sie diese Nachricht irrtümlich erhalten haben, bitte ich um Ihre Mitteilung per E-Mail oder unter der oben angegebenen Telefonnummer.Rechtliche Bewertung
Allerdings dürften solche E-Mail-Disclaimer nach überwiegender Ansicht unter Juristen unwirksam sein. Die Unwirksamkeit begründet sich aus zwei Umständen:
Erstens ist es sehr schwierig, einen Dritten zu veranlassen, Gelesenes zu vergessen. Zweitens würde es sich bei diesen Disclaimern nach überwiegender Ansicht um AGB handeln. Allerdings müssten diese vor dem Öffnen der E-Mail dem Adressaten zugänglich gemacht worden sein, ansonsten sind sie kein Vertragsbestandteil. Meistens befinden sich solche Textabschnitte auch erst unterhalb des Inhaltes einer Nachricht, was jegliche rechtliche Relevanz ausschließt.
Website-Disclaimer
Aus Angst, für gesetzte Links haftbar gemacht zu werden, findet sich auf zahlreichen Homepages (auch von Anwälten) ein Hinweis auf das Urteil vom 12. Mai 1998 des Landgerichts Hamburg mit dem Aktenzeichen: 312 O 85/98. Unter Berufung auf dieses Urteil wird behauptet, man müsse sich von allen Links distanzieren, um nicht dafür haftbar zu sein.
Beispiel:
Mit dem Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man durch die Anbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seiten ggf. mit zu verantworten hat. Dies kann nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesem Inhalt distanziert. Für alle Links auf dieser Homepage gilt: Ich distanziere mich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller verlinkten Seitenadressen auf meiner Homepage und mache mir diese Inhalte nicht zu eigen.Gründe für Distanzierungen
Distanziert man sich von Links, so stellt sich die Frage, warum man sie überhaupt angibt. Ein Link stellt eine Empfehlung oder die Angabe einer Quelle dar. Von ersterer ist eine Distanzierung kaum möglich, von zweiterer distanziert sich in aller Regel bereits der zugehörige Text.
Gründe, sich vom Link zu distanzieren, jedoch diesen zu belassen, kann es allerdings mehrere geben:
- auf der verlinkten Seite gibt es viele interessante Informationen, welche überwiegen
- Unsicherheit, ob die verlinkten Informationen straf- bzw. zivilrechtlich zu beanstanden sind
- Verlinkung, ohne Durchsicht aller Seiten der verlinkten Seite
- mögliche zwischenzeitliche Änderungen auf der verlinkten Seite
Der letzte Punkt der Aufzählung dürfte dabei zugleich der wichtigste sein. Da die verlinkte Seite nicht unter der eigenen Verwaltung steht, hat man somit keinerlei Kontrolle, ob der entsprechende Inhalt später rechtlich bedenkliche Textpassagen enthält.
Rechtliche Bewertung
In rechtlicher Hinsicht ist ein solcher Disclaimer kaum haltbar. Insbesondere wird das Urteil des Landgerichts Hamburg [1] fehlzitiert: Die Richter haben in einem konkreten Fall entschieden, dass der bloße Hinweis darauf, dass der Linksetzer keine Haftung für eventuelle Rechtsverletzungen auf der Zielseite übernehmen wolle, nicht ausreicht. Der Beklagte hatte in einer Zusammenstellung von Hyperlinks ausschließlich auf Seiten mit ehrverletzenden Äußerungen über den Kläger verlinkt. Nach Ansicht des Gerichts wurde durch den Gesamtkontext erkennbar, dass er sich diese Äußerungen zu eigen mache. Durch seine Erklärung, er hafte nicht, ändere sich daran nichts. Diese Aussage des Urteils ist eigentlich keine spektakuläre Erkenntnis, denn es gilt ganz allgemein, dass bestehende gesetzliche Haftungen nicht einseitig durch denjenigen, der eine Verletzungshandlung begeht, ausgeschlossen werden können. Allerdings ist die Entscheidung ganz überwiegend dahingehend missverstanden worden, dass man sich nun durch eine weitergehende (verbale) Erklärung auch vom Inhalt der Linkziele distanzieren müsse, also nicht mehr nur noch einseitig die Haftung ausschließe. Dabei wird übersehen, dass im entschiedenen Fall der Linksetzer selbst auf seiner Seite in ähnlicher Weise argumentiert hatte, wie dies auf der Seite geschah, auf die sein Link verwies. Für den unbefangenen Leser stellte es sich daher so dar, dass der Autor der Ausgangsseite sich auch den Inhalt der Zielseite zu eigen machte. Daher stellte seine Haftungsfreistellungsklärung auch keine echte Distanzierung dar, sondern war allenfalls ein Lippenbekenntnis. Es kommt deshalb in jedem Fall auf die Würdigung der gesamten Umstände an. Wenn also beispielsweise auf den Seiten einer antifaschistischen Organisation ein Link auf Seiten mit nationalsozialistischer Propaganda zu finden ist, könnte das lediglich als Beleg einer bestimmten Behauptung oder Quellenangabe verstanden werden. Umgekehrt dürfte ein entsprechender Link von einer Webseite aus, auf der ohnehin Sympathie für entsprechendes Gedankengut geäußert wird, eine Haftung begründen, unabhängig davon, ob der Disclaimer verwendet wird oder nicht.
Das aktuelle Telemediengesetz normiert nach Ansicht vieler Autoren eine Haftungsprivilegierung in den §§ 8 und 9 für die Fälle, in denen der Linksetzer keine positive Kenntnis von unerlaubten Inhalten hatte, allerdings nur dann, wenn sich der Seitenbetreiber die Inhalte der Links nicht zu eigen macht. „Zu eigen machen“ heißt, den Eindruck zu erwecken, es handle sich um eigene Aussagen. Das lässt sich aber durch entsprechende Darstellung der Links problemlos erreichen. Wikipedia zum Beispiel markiert externe Links besonders. Der Bundesgerichtshof hat jedoch mit Urteil vom 17. Juli 2003, AZ: I ZR 259/00 – Paperboy [2] entschieden, dass die früher in § 5 Telemediengesetz geregelten Haftungsfreistellungen, denen die heutigen §§ 8 und 9 entsprechen, weder unmittelbar noch analog auf das Setzen von Hyperlinks anwendbar sind, da der Gesetzgeber bei der Novellierung des Teledienstegesetzes die Haftung für Hyperlinks bewusst nicht regeln wollte. Daher ist die Rechtslage weiterhin ungeklärt. Dies betrifft vor allem die Frage, ob auch eine fahrlässige Haftung in Betracht kommt, wenn der Hyperlink ursprünglich auf ein rechtlich unbedenkliches Dokument verwies, das ohne Wissen des Linksetzers geändert wurde und nunmehr einen rechtswidrigen Inhalt hat. Das Oberlandesgericht München hat in einem Urteil vom 15. März 2002, Az. 21 U 1914/02 [3] die Auffassung vertreten, dass das Setzen eines Hyperlinks eine Gefahrenquelle eröffne und der Linksetzer daher verpflichtet sei, auch nach dem Setzen des Hyperlinks zu überprüfen, auf welche Inhalte der Hyperlink verweist. Mit Urteil vom 30. März 2006 hat der Bundesgerichtshof entschieden, AZ: I ZR 24/03 [4], dass Disclaimer auf Webseiten jedoch grundsätzlich zu beachten sind, solange sie ernst gemeint und gut sichtbar für den Nutzer angebracht sind.
Nach Ansicht des BGH [5] kann der Werbende das Verbreitungsgebiet der Werbung im Internet durch einen Disclaimer einschränken, in dem er ankündigt, Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu beliefern. Um wirksam zu sein, muss dieser Disclaimer eindeutig gestaltet und aufgrund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen sein und vom Werbenden auch tatsächlich beachtet werden.
Technischer Ansatz zur Vermeidung der Zurechnung fremder Ansichten
Den bisherigen Ausführungen des Artikels folgend, die Aussage der uneinheitlichen Rechtsprechung berücksichtigend, bestehen unter anderem folgende Möglichkeiten, Links zu setzen, um eine möglichst starke Trennung von eigenen und fremden Ansichten zu erreichen:
- Klare Kennzeichnung von externen Links
- Öffnen von externen Links in neuen Browser-Fenstern (allerdings macht man sich mit dieser Methode bei vielen Besuchern unbeliebt, Empfehlungen für Benutzerfreundlichkeit sprechen sich dagegen aus, ebenso die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung – sie verlangt mindestens einen Hinweis auf das Öffnen eines neuen Fensters; genutzt wird ein als missbilligt eingestuftes HTML-Attribut, das in den Strict-Varianten von HTML 4.01 und XHTML 1.0 entfiel)
- Kein Setzen von „Deep-Links“, also immer auf die Startseite einer Webpräsenz verlinken (ebenfalls wenig nutzerfreundlich)
- Kennzeichnen, wann ein Link gesetzt wurde. Dieses erreicht, dass bei einem Inhaberwechsel der verlinkten Internet-Präsenz dort auch noch der intendierte Inhalt vorhanden war und noch nicht die ggf. rechtswidrigen Inhalte. Auch bei nachträglichem Erscheinen eines rechtswidrigen Inhalts auf der verlinkten Seite kann dies ggf. vor Haftungsansprüchen schützen [6].
Literatur
E-Mail-Disclaimer
- Fred Andresen: Vorsicht: Kleingedrucktes. in: Linux-Magazin 01/2004, S. 68 f., Linux New Media, München 2004
Web-Disclaimer
- Joerg Heidrich: Über Sinn und Unsinn von Web-Disclaimern.
- Golla: Zwölf hartnäckige Irrtümer - Die neuen "Klassiker" juristischer Fehleinschätzungen bei Homepages, DFN Infobrief 09/2010, 2 ff.
Quellen
Weblinks
Commons: Disclaimer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateienzu E-Mail-Disclaimern
zu Web-Disclaimern
- Das Urteil des LG Hamburg
- Das Märchen vom „Link-Urteil“ Dokumentation zur Fehlverbreitung des Urteils des LG Hamburg mit kuriosen Beispielen
- Das Märchen vom Disclaimer
- Law Podcasting Rechtliche Bewertung des Disclaimers
- Muster-Disclaimer zur kostenlosen Verwendung in eigenen Sites
- Disclaimer-Muster mit rechtlichen Erläuterungen
- www.disclaimer.de
Rechtsprechung
- BGH-Entscheidung - Entschränkung des Verbreitungsgebietes einer Website über Disclaimer
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