- Drehmomentschlüssel
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Drehmomentschlüssel ist die allgemeine Bezeichnung für ein handgeführtes Schraubwerkzeug, mit dem ein definiertes Anzugsmoment auf ein Verbindungselement wie Schraube oder Mutter ausgeübt werden kann, um die notwendige Klemmkraft zwischen den zu verbindenden Bauteilen auch während des Einsetzen der maximalen Betriebskräfte zu gewährleisten. Nach DIN EN ISO 6789 unterscheidet man anzeigende Drehmomentschlüssel (Meßschlüssel) von auslösenden Typen (Klick- oder Knackschlüssel).
Drehmomentschlüssel gibt es in verschiedenen Größen und Ausführungen, die jeweils einen bestimmten Drehmomentbereich abdecken. Das maximal erreichbare Anzugsmoment ist zum einen begrenzt durch die Kraft, die ein Mensch durchschnittlich aufbringen kann, und zum anderen durch die Hebellänge, bis zu der ein manuelles Werkzeug handhabbar bleibt (ca. 1,5 Meter). Hiernach liegt die theoretische Grenze bei etwa 1500 Nm. In der Praxis sind Schlüssel mit über 1300 Nm selten anzutreffen. Höhere Drehmomente können durch Kombination von Drehmomentschlüssel mit Drehmomentvervielfältiger oder hydraulischen Schraubern (siehe hierzu Hydraulikschrauber) erzeugt werden. Umgangssprachlich werden Drehmomentschlüssel fälschlicherweise auch als Nussknacker, Kraftschlüssel oder Kiloschlüssel bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Anwendungsgebiete
Die Verschraubung ist eine im Maschinenbau häufig genutzte Verbindung. Zum Schließen der Verbindungselemente müssen geeignete Montagewerkzeuge eingesetzt werden. Mit den genormten und in der Praxis üblichen Schraubwerkzeugen, zum Beispiel mit Maul-, Ring- und Steckschlüsseln können die meisten Verschraubungsfälle bei Herstellung und Instandhaltung von Produkten durchgeführt werden. Das bei der Verwendung handgeführter Werkzeuge zu übertragende Moment ist hierbei abhängig von der physischen Kondition des Benutzers und dessen individuellem Empfinden. Hinzu kommt, dass bei größeren Schlüsselweiten der genormte Hebelarm so bemessen wurde, dass das Übertragen des notwendigen Drehmomentes ohne Hilfsmittel nicht möglich ist. Werden die Ansprüche für eine Schraubverbindung angehoben und die Forderung gestellt, dass die Schraube mit einer definierten Kraft vorgespannt wird, macht dies ein geeignetes Werkzeug erforderlich. Das gilt nicht nur für Verschraubungen, die mit großen Vorspannkräften belastet werden sollen, sondern auch für solche, die nur mit geringen Momenten vorgespannt werden dürfen. Die Montage empfindlicher halbleiterbestückter Platinen aus dem Bereich des Mobilfunks oder der Mikroelektronik sind ein Beispiel dafür. Der konsequente Leichtbau in der Automobilindustrie sorgt ebenfalls für eine Zunahme der mit einem exakt definierten Moment vorzuspannenden Verbindungen, da der verstärkte Einsatz von neuen Konstruktionswerkstoffen wie Magnesium, Aluminium und Kunststoff dazu führt, dass die Zahl empfindlicher Schraubverbindungen stetig zunimmt. Die geringere Zugfestigkeit dieser Leichtbau-Werkstoffe im Vergleich zu Stahlwerkstoffen führt bei einer Überbeanspruchung der Schraubverbindung zu Beschädigungen des Gewindes und damit zu Schäden.
Kfz-Halter verbinden den Begriff Drehmomentschlüssel meist mit dem Anzug der Radschrauben von Aluminiumfelgen bei einem Radwechsel. Die Automobilindustrie gibt für jedes Fahrzeugmodell, auch beim Einsatz von Stahlfelgen, exakt einzuhaltende Anzugsmomente vor.
Ein anderes Anwendungsgebiet ist die Implantationsmedizin, wo Verschraubungen von Zahnimplantaten oder künstlichen Hüftgelenken mit Hilfe von Drehmomentschlüsseln erfolgen. Aber auch in der Luft- und Raumfahrtindustrie wird drehmomentgenau verschraubt. In der modernen Montagetechnik haben Drehmomentschlüssel einen festen Platz, und es ist anzunehmen, dass die Verwendung von Verschraubungen in Leichtbau-Komponenten oder empfindlichen mechanischen oder elektronischen Bauteilen auch in Zukunft zunehmen wird.
Um ein Überdehnen oder Überdrehen von Verschraubungen zu verhindern, finden verschiedene Konzepte Anwendung. Zum einen gibt es drehwinkelgesteuerte Anzugsverfahren, zum anderen drehmomentgesteuerte Verfahren. Beim drehwinkelgesteuerten Anzugsverfahren wird die Schraube mit einem definierten Drehwinkel angezogen, was über einen mechanischen oder elektronischen Messaufnehmer geschieht. Beim drehmomentgesteuerten Anzugsverfahren wird das Drehmoment beim Anziehen gemessen und beim Erreichen eines vorgegebenen Sollwertes eine Aktion ausgelöst.
Drehmomentschlüssel-Typen
Drehmomentschlüssel gibt es in verschiedenen mechanischen oder elektronischen Ausführungen mit unterschiedlichen Funktionsprinzipien. In der Gruppe der mechanischen Drehmomentschlüssel gibt es die so genannten Knickschlüssel, die bei Erreichen des gewünschten Drehmoments durchknicken oder abbrechen und somit eine weitere Einleitung eines Momentes verhindern. Ebenfalls zu den mechanischen Drehmomentschlüsseln gehören die auslösenden Drehmomentschlüssel (Knack-Schlüssel) und die Slipper.
Knack-Schlüssel erfordern eine sachkundige Handhabung durch den Anwender, da nach dem Auslösesignal die Einleitung des Momentes durch den Anwender gestoppt werden muss. Bei Slippern ist die Auslösegenauigkeit unabhängig von der Fertigkeit des Benutzers, da sie bei Erreichen des Grenzmomentes durchschlupfen und eine weitere Momenteinleitung verhindern. Bei elektronischen Drehmomentwerkzeugen ist wiederum eine sichere Handhabung durch den Anwender erforderlich, da eine optische oder akustische Anzeige des Anzugsmomentes signalisiert, wann das Aufbringen eines Momentes gestoppt werden muss.
Damit die Verschraubungsqualität von Drehmomentwerkzeugen sichergestellt werden kann, erfordern diese eine hohe Auslösegenauigkeit beim Erreichen des eingestellten Drehmoments mit einer entsprechenden Reproduzierbarkeit der Werte (Wiederholgenauigkeit). Hierzu sind ein deutlich erkennbares Auslösesignal sowie möglichst geringer Einfluss von Handhabungsunterschieden, beispielsweise durch schnelles oder langsames Anziehen, notwendig.
Auslösende Drehmomentschlüssel
Bei auslösenden Drehmomentschlüsseln wird mittels einer Skala oder unter Zuhilfenahme eines Prüfgerätes ein bestimmtes Soll- oder Zielmoment eingestellt. Sobald der Drehmomentschlüssel am Antriebsteil (Kraftachse) das voreingestellte Drehmoment erreicht, wird dies durch ein hörbares, fühlbares und/oder sichtbares Signal angezeigt, meist durch ein spürbares Klicken/Knacken oder durch einen herausspringenden farbigen Indikator.
Die gängigsten Ausführungen bestehen aus einem meist verchromten Stahlrohr, dessen Länge auf den abzudeckenden Bereich abgestimmt ist, mit dem darin untergebrachten Auslösemechanismus sowie einer mit dem Griffstück verbundenen Einstellvorrichtung samt Skala. Als Werkzeugträger ist oft eine umschaltbare oder umsteckbare Knarre (auch Ratsche genannt) integriert. Der Antrieb erfolgt dann über einen Vierkantzapfen mit Abmessungen im Zollsystem (1/4, 3/8, 1/2, 3/4, 1 oder 1 1/2"), auf den verschiedene Steckschlüsseleinsätze (Stecknüsse) aufgesteckt werden können. Andere verbreitete Werkzeugträger sind beispielsweise die Rechteckaufnahme oder die Schwalbenschwanzführung (engl.: Dovetail) für auswechselbare Werkzeugköpfe in verschiedenen Profilen wie Maul-, Ring-, Offenring- oder Sechskantschlüssel u. a.
Im Jahre 1938 wurde der erste selbstauslösende Drehmomentschlüssel der Welt zum Patent angemeldet und auf den Markt gebracht (Saltus-Werk Max Forst, Solingen).
Anzeigende Drehmomentschlüssel
Bei anzeigenden Drehmomentschlüsseln wird über eine mechanische Skala, Messuhr oder elektronische Anzeige der Wert des Drehmomentes angegeben, der von dem Werkzeug am Abtriebsteil aufgebracht wird. Viele Ausführungen verwenden massive Hebel mit einem Torsionsstab als Antrieb, dessen Verdrehung gegenüber einer mit dem Hebel gekoppelten Skala als Maß für das Drehmoment abgelesen werden kann.
Die einfachste Form dieses Typs besteht aus einem langen Hebelarm zwischen Griff und Schlüsselkopf, bestehend aus einem Material das sich unter Anzugsmoment elastisch biegt. Ein zweiter kleinerer Stab mit einem Indikator ist am Kopfende fixiert und verläuft parallel zum Hebelarm. Dieser zweite Arm bleibt ohne Belastung und somit gerade. Eine kalibrierte Skale ist am Griffende angebracht, und die Biegung des Hauptarms bewirkt eine Bewegung auf der Indikatorskala. Wenn das gewünschte Drehmoment angezeigt wird, stoppt der Bediener das Aufbringen der Kraft. Der Schlüssel ist einfach, dauerhaft genau und kostengünstig.
Die Ursprünge des Flachstabschlüssels, wie er heute bekannt ist, gehen zurück in die frühen 1930er, als Walter Percy Chrysler für die Chrysler Corporation und die Micromatic Hone Corporation einen Drehmomentschlüssel entwickelte, der dann durch die Cedar Rapids Engineering Company gefertigt und verkauft wurde. Deren regionaler Vertriebsleiter, der junge Ingenieur und Sportflieger Paul Allen Sturtevant aus Elmhurst (IL), entwickelte Chryslers unvollkommene Idee weiter, patentierte seine eigene Erfindung 1938 und vermarktete sie mittels seiner eigenen P. A. Sturtevant Company, Addison (IL).
Elektronische Drehmomentschlüssel
Bei elektronischen (digital anzeigenden) Drehmomentschlüsseln erfolgt die Messung mittels eines Dehnungsmessstreifen (DMS) am Torsionsstab. Das gewonnene Messsignal wird per Messwertverstärker in die anzuzeigenden Krafteinheit (Nm, lbf•ft usw.) umgerechnet und auf der digitalen Anzeige (Display) dargestellt. Es können hierbei mehrere unterschiedliche Schraubfälle (Verschraubungsdaten oder Grenzwerte) hinterlegt werden. Diese einprogrammierten Grenzwerte werden während des Verschraubungsanzuges permanent mittels LED oder Display visualisiert. Parallel können diese Art von Drehmomentschlüssel alle getätigten Messungen in einen internen Messwertspeicher ablegen. Dieser Messwertspeicher kann dann jederzeit wieder per Schnittstelle (RS232) ausgelesen oder direkt auf einen angeschlossen Drucker gedruckt werden. Häufige Anwendung dieser Art von Drehmomentschlüssel ist bei der produktionsbegleitender Dokumentation oder QS-Verfahren.
Elektronische Drehmomentdrehwinkelschlüssel
Die Drehmomentmessung erfolgt wie beim elektronischen Drehmomentschlüssel, zusätzlich wird ein Winkel ab einem Fügemoment/Schwellwert ermittelt. Die Messung des Winkels erfolgt mit der Hilfe eines Winkelsensors bzw. elektronischen Gyroskops. Anhand der Winkelmessung lassen sich bereits verschraubte Verbindungen erkennen. Mittels des internen Messwertspeichers können statistische Auswertungen durchgeführt werden. Kurvenverläufe können mittels Software über den integrierten Kurvenverlaufsspeicher (Kraft/Weg Diagramm) analysiert werden. Diese Art von Drehmomentschlüssel kann ebenfalls das Losbrechmoment, Weiterdrehmoment und Enddrehmoment eines Schraubverlaufes ermitteln. Auch kann über ein spezielles Messverfahren die Streckgrenze angezeigt werden (streckgrenzengesteuertes Anziehen). Vorrangig wird dieser Drehmomentschlüssel von Automobilherstellern zur Dokumentation bei drehmoment-drehwinkelgesteuerten Verschraubungen benutzt, da hier zu der Drehmomentvorgabe (Nm) noch ein Winkel auf die zu verschraubenden Verbindung (Schraube) aufgebracht werden muss. (z. B. 50 Nm + 90°; hierbei ist 50 Nm = Fügemoment/Schwellwert und +90°= der noch weiterzuziehende Winkel ab dem Schwellwert)
Saltus-Werk Max Forst meldete im Jahre 1995 den ersten elektronischen Drehmomentschlüssel mit referenzarmloser Winkelmessung zur internationalen Patentierung an.
Mechatronische Drehmomentschlüssel
Die Drehmomentmessung erfolgt wie beim auslösenden Drehmomentschlüssel, zusätzlich erfolgt eine digitale Messung des Drehmomentes (Klick- und Enddrehmomentes) wie bei dem Elektronische Drehmomentschlüssel. Es handelt sich also um eine Kombination von elektronischer und mechanischer Messung. Per Datenfunk werden alle Messungen übertragen und dokumentiert.
Sonstiges
Häufig ist neben der auf SI-Einheiten basierenden Nm-Skala noch eine zweite angebracht, beispielsweise mit der Einheit „ft.lbs“ (Pfund · Fuß). Das angloamerikanische Maß- und Gewichtssystem wird in einigen internationalen technischen Bereichen (Luft- und Raumfahrt) noch häufig eingesetzt. 1 Nm entspricht 0,73756215 lbf·ft (Pound-force foot), oder umgekehrt 1 lbf·ft entspricht 1,3558179 Nm. Die nicht mehr gültige Einheit kp·m (Kilopond Meter) oder kgf·m (auch m·kg) ist nur noch selten anzutreffen. 1 kp·m entspricht 9,80665 Nm, oder umgekehrt 1 Nm entspricht 0,10197162 kgf·m.
Praktikable Größenordnungen für den Werkstattbetrieb beginnen bei etwa 0 bis 6 Nm und reichen bis ca. 200 bis 800 Nm.
Ein allgemein bekanntes Beispiel für den Einsatz ist das Anziehen der Radmuttern oder -schrauben an Kraftfahrzeugen. Dies soll nicht bis zum Höchstmöglichen von Hand, sondern „schonend, aber fest“ mit einem Drehmomentschlüssel erfolgen. Bei zu kleinem Anzugsmoment können sich die Räder lösen, bei zu hohem droht vor dem sichtbaren Abreißen der Schrauben oder Bolzen deren Überdehnung, die Verspannung von Bremsenteilen, Radnaben und Felgen. Dies ist nicht sofort ersichtlich und deshalb gefährlich, da das Rad bei hohen Geschwindigkeiten blockieren oder sich lösen kann. Typische Anzugsmomente für Pkw bewegen sich im Bereich zwischen 40 und 150 Nm (Gewinde zwischen M 10 x 1,25 und M 14 x 1,5).
Eine Sonderform des Drehmomentschlüssels ist das Torsiometer, eine sehr präzise Ausführung, mit der mechanische Reibungswiderstände, beispielsweise in Lenkgetrieben gemessen werden können.
Für feste Drehmomentwerte bei stetig wiederholten Arbeitsschritten, wie in der Großserienfertigung, an Taktstraßen, im Fahrzeugbau usw. kommen neben sogenannten Produktionsschlüsseln bevorzugt Druckluft- oder Elektrowerkzeuge (Schrauber) zum Einsatz, bei denen ein Drehmomentbegrenzer integriert oder als Vorsatz angebaut ist.
Drehmomentwerkzeuge unterliegen der Norm EN ISO 6789:2003. Diese empfiehlt ein Rekalibrierintervall nach einer Gebrauchsdauer von 12 Monaten oder ca. 5000 Lastwechseln. Dies ist erforderlich, da Feder und Begrenzungsmechanismus dem Verschleiß unterliegen.
Siehe auch
Weblinks
Commons: Drehmomentschlüssel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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