Agrarbehörde

Agrarbehörde

Die Agrarbehörden sind in Österreich für die Vollziehung aller Angelegenheiten der Bodenreform zuständig. Sie sind neben den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung als Sonderbehörden eingerichtet. Gleichwohl sind sie Verwaltungsbehörden, auch wenn sie in bestimmten Fällen über Angelegenheiten entscheiden, die außerhalb agrarbehördlicher Verfahren in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallen. Für die Agrarbehörden gilt ein anderer Instanzenzug als für die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung: Auch in zweiter und dritter Instanz sind spezielle Agrarbehörden (Landesagrarsenate und Oberster Agrarsenat) für die Entscheidungen zuständig.

Inhaltsverzeichnis

Verfassungsrechtliche Grundlagen

In den Angelegenheiten der Bodenreform ist laut Artikel 12 Absatz 1 Ziffer 3 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes

  • Bundessache: die Grundsatzgesetzgebung,
  • Landessache: die Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung.

Das bedeutet: Der Bundesgesetzgeber stellt Grundsätze auf, die im jeweiligen Bundesland vom Landesgesetzgeber (Landtag) näher auszuführen sind. Der Nationalrat erlässt also ein so genanntes „Grundsatzgesetz“, worauf die einzelnen Landtage so genannte „Ausführungsgesetze“ erlassen müssen.

Auch die Vollziehung ist Landessache. Das heißt: Die jeweiligen Ausführungsgesetze werden von Landesbehörden angewendet. (Mit einer Ausnahme: Der Oberste Agrarsenat, siehe dazu weiter unten.)

In diesen Ausführungsgesetzen müssen natürlich die vorgegebenen Grundsätze eingehalten werden. Den Landtagen steht es andererseits aber frei, zum Beispiel aus mehreren Möglichkeiten auszuwählen, die das Grundsatzgesetz vorsieht, oder Angelegenheiten im Rahmen der gegebenen Grundsätze so zu regeln, wie dies für das eigene Bundesland am günstigsten erscheint.

Agrarbehörden I. Instanz

Bei der Einrichtung der Agrarbehörden I. Instanz sieht das Grundsatzgesetz (Wiederverlautbarung: Bundesgesetzblatt Nr. 1/1951 in der Fassung BGBl. Nr. 902/1993) eine Auswahlmöglichkeit vor: Der Ausführungsgesetzgeber kann entscheiden zwischen der Einrichtung

  • von Agrarbezirksbehörden oder
  • dem Amt der jeweiligen Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (dies ist einer der wenigen Fälle, in denen das Amt der Landesregierung – sonst bloß Hilfsorgan der Landesregierung – selbst Behördenstatus besitzt).

Die Bundesländer haben für ihren Bereich die Behördenstruktur mit den jeweils angegebenen Landesgesetzen so geregelt:

  • Burgenland: Amt der Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (Landesgesetzblatt [LGBl.] Nr. 10/1949), Sitz in Eisenstadt
  • Kärnten: Amt der Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (LGBl. Nr. 3/2011)
  • Niederösterreich: Agrarbezirksbehörde (LGBl. 6075), Sitz in St. Pölten, Außenstellen in Baden und Hollabrunn
  • Oberösterreich: Agrarbezirksbehörde (LGBl. Nr. 56/2000), Dienststellen in Gmunden und Linz
  • Salzburg: Amt der Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (LGBl. Nr. 75/1986), Sitz in Salzburg
  • Steiermark: Agrarbezirksbehörde (LGBl. Nr. 10/2003), Sitz in Graz, Dienststellen in Leoben und Stainach
  • Tirol: Amt der Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (LGBl. Nr. 32/1948), Sitz in Innsbruck
  • Vorarlberg: Agrarbezirksbehörde (LGBl. Nr. 1/1949 in der Fassung LGBl. Nr. 35/1995) in Bregenz
  • Wien: Amt der Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (LGBl. Nr. 6/1971)

Grundsatzgesetzlich geregelt ist für die Agrarbezirksbehörden (also nicht auch für das Amt der Landesregierung!), dass sie

  • einen Amtsvorstand,
  • rechtskundige,
  • agrartechnische und
  • sonstige

Bedienstete haben müssen. Der Amtsvorstand muss laut Grundsatzgesetz kein Jurist sein (bis auf die Agrarbezirksbehörde in Vorarlberg ist das aber – Stand Juli 2006 – doch jeweils ein Jurist).

Die einheitliche Leitung der Agrarbezirksbehörde ist Sache des Amtsvorstands. Die agrartechnischen Bediensteten unterstehen aber in fachlicher Hinsicht (und nur in dieser) einem Technischen Leiter.

Agrarbehörden II. Instanz: Landesagrarsenate

In allen Bundesländern bestehen die so genannten Landesagrarsenate (LAS) beim Amt der jeweiligen Landesregierung als Agrarbehörden II. Instanz. In jedem Land gibt es nur einen einzigen LAS.

Die LAS entscheiden über Berufungen gegen Bescheide der Agrarbehörden I. Instanz, und das zum Teil endgültig.

Zur Zusammensetzung und zum Instanzenzug siehe weiter unten.

Agrarbehörde III. Instanz: Oberster Agrarsenat

Als – in manchen Angelegenheiten – letzte Verwaltungsinstanz fungiert der Oberste Agrarsenat (OAS). Er hat seinen Sitz im Landwirtschaftsministerium (korrekte Bezeichnung - Stand Juni 2007 -: „Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft“).

Das Bemerkenswerte an dieser Behörde ist, dass sie zwar beim Bund und daher zentral für ganz Österreich eingerichtet ist, dennoch aber nach dem jeweiligen Landesrecht entscheiden muss, je nachdem, aus welchem Bundesland der betreffende Berufungsfall stammt. Weil das aus dem sonst üblichen Rechtssystem in Österreich ganz heraus fällt (die Vollziehung der Ausführungsgesetze ist ja Landessache, also wirkt hier eine Bundesbehörde bei Vollziehungsaufgaben der Länder mit), musste der OAS ausdrücklich im Bundes-Verfassungsgesetz verankert werden (Artikel 12 Absatz 2).

Zur Zusammensetzung und zum Instanzenzug siehe weiter unten.

Zusammensetzung der Senate

LAS und OAS bestehen jeweils aus acht Mitgliedern, die für die Dauer von fünf Jahren bestellt werden (während dieser Zeit können sie nicht abgesetzt werden):

  • Vorsitzender (rechtskundiger Landesbeamter)
  • drei Richter
  • Berichterstatter (rechtskundiger Landesbeamter mit Erfahrung in den Angelegenheiten der Bodenreform)
  • Agrartechniker (erfahrener Landesbeamter des höheren Dienstes)
  • Forstwirt (Landesbeamter des höheren Dienstes mit Erfahrung in forstlichen Angelegenheiten)
  • landwirtschaftlicher Sachverständiger

Die Senatsmitglieder sind unabhängig und nicht an Weisungen gebunden, so weit sie dieses Amt ausüben. Die Senate sind also Tribunale im Sinn der Menschenrechtskonvention (Artikel 6 Absatz 1).

Instanzenzug und Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts

Berufungsverfahren im Verwaltungsweg

Von der Agrarbehörde I. Instanz (je nach Bundesland Agrarbezirksbehörde oder Amt der Landesregierung) geht der Instanzenzug über Berufungen gegen erstinstanzliche Bescheide zunächst zum jeweiligen LAS. Der LAS entscheidet in den meisten Fällen auch endgültig, das heißt, dass keine weitere Berufungsmöglichkeit an den OAS besteht.

Sozusagen nur ausnahmsweise kann eine Berufung auch an den OAS eingebracht werden, und zwar

  • nur in bestimmten Angelegenheiten (mehr darüber weiter unten)
  • nur dann, wenn der LAS die Entscheidung der Agrarbehörde I. Instanz abgeändert hat.

Wenn der LAS also

  • die Berufung abweist oder
  • den angefochtenen Bescheid aufhebt und die Sache an die erste Instanz zurück verweist,

gibt es keinesfalls eine weitere Berufung an den OAS.

Beispielsweise in folgenden Sachen besteht eine Berufungsmöglichkeit an den OAS gegen abändernde Erkenntnisse des LAS (diese Aufzählung ist nicht vollständig):

  • Zusammenlegung und Flurbereinigung: nur beim Zusammenlegungs- bzw. Flurbereinigungsplan in der Frage, ob die Abfindung gesetzmäßig ist;
  • Agrargemeinschaften: in den Fragen, ob eine Agrargemeinschaft vorliegt oder nicht, und ob jemandem ein Anteilsrecht zusteht oder nicht;
  • Bringungsrechte: bei Einräumung, Änderung oder Aufhebung eines Bringungsrechts.

Beschwerde an Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof

Wenn nach einer Entscheidung des LAS der Instanzenzug „erschöpft" ist, das heißt, wenn keine weitere Berufungsmöglichkeit an den OAS mehr offen steht, oder wenn überhaupt schon der OAS entschieden hat, kann die Partei noch Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) beziehungsweise beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erheben.

Während man für Berufungen im normalen Instanzenzug (also von der Agrarbehörde I. Instanz an den LAS beziehungsweise OAS) keinen Vertreter braucht, müssen Beschwerden an den VfGH und VwGH von einem Rechtsanwalt unterschrieben werden. Selbstverständlich steht es aber jeder Partei frei, sich auch im normalen Verwaltungsverfahren vertreten zu lassen. Wenn sie damit einen berufsmäßigen Parteienvertreter (Rechtsanwalt, Notar) beauftragt, muss sie die Kosten dieser Vertretung aber jedenfalls selbst bezahlen.

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