Elektrodynamischer Lautsprecher

Elektrodynamischer Lautsprecher

Der elektrodynamischer Lautsprecher ist die häufigste Lautsprecherbauart und basiert auf der Lorentzkraft.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Schnittmodell eines dynamischen Tiefton-Lautsprechers

Eine stromdurchflossene Spule (Schwingspule, engl. voice coil) befindet sich im magnetischen Gleichfeld eines Permanentmagneten (oder bei älteren Radios eines Elektromagneten). Als Dauermagnetmaterial werden Ferrite, Aluminium-Nickel-Kobalt (Alnico) oder Neodym-Eisen-Bor (NdFeB) eingesetzt. „Neodym“-Magnete zeichnet sich durch eine extrem hohe Feldstärke bei kleinen Abmessungen aus, allerdings beträgt die Curie-Temperatur nur 200 °C. Bei dieser Temperatur wird der Magnet entmagnetisiert und der Lautsprecher unbrauchbar. Schon 100 °C verringern das Magnetfeld von Neodym dauerhaft. Daher ist Neodym nur begrenzt und nur mit spezieller Kühlung für hochwertige Lautsprecher einsetzbar.

Die Spule befindet sich auf einem Schwingspulenträger, der wiederum an der Membran (engl. cone) befestigt ist. Die Membran besteht aus äußeren Bereichen (fehlen weitgehend bei Kalotten) und inneren Bereichen (häufig als Abdeckkappe/Staubkappe (engl. dust cap) bezeichnet, obwohl dieser Bereich essentiell für die Wiedergabe am oberen Frequenzende ist). Leitet man einen Wechselstrom durch die Spule, wird durch die Lorentzkraft eine Kraft auf die Membran ausgeübt, die diese zum Schwingen veranlasst. Spule und Membran können sich im Magnetfeld vorzugsweise in der Richtung senkrecht zum Feldverlauf hin- und herbewegen. Eine Zentrierspinne (engl. spider) und die Sicke (engl. surround) sind für die Rückführung der Membran in die Ruhelage sowie für die Zentrierung der Schwingspule verantwortlich. Die Sicke verhindert weiterhin einen direkten Luftaustausch zwischen Vorder- und Rückseite. Sicken wurden zeitweise aus nicht alterungsbeständigem Kunststoff hergestellt und können nach 10–20 Jahren zerfallen. Frühe Lautsprecher hatten in Konusmitte geklebt ein flaches, gestanztes Kartonblättchen, das zentral vor dem Magneten angeschraubt und wegen dessen drei (oder mehr) gewinkelter Arme Zentrier-Spinne genannt wurde.

Funktion

Schema eines dynamischen Lautsprechers (Konus-Bauform, Schnittdarstellung)

Bei elektrodynamischen Lautsprechern wird die Membran durch die Wechselwirkung zwischen elektrischem Strom und einem magnetischen Gleichfeld angetrieben.

Elektrodynamische Lautsprecher nutzen als Kraftquelle die Lorentzkraft aus. Dazu bedarf es eines möglichst konstanten Statorfeldes, meistens durch einen Permanentmagneten gebildet, mit der magnetische Flussdichte \vec B und einer Leiterschleife der Länge \vec l, durch die der elektrische Strom I fließt.

Dabei entsteht eine Kraft \vec F von


\vec F = \left(\vec B \times \vec l\right) \cdot \ I \,

Um den Betrag der Kraft zu maximieren, müssen die beiden Größen \vec B und \vec l senkrecht aufeinander stehen und die Stromstärke \ I maximal sein. \| \vec B \times \vec l \| ist eine wichtige Konstante, sie beschreibt das Umsetzungsverhältnis von Strom in Kraft, häufig als Bl bezeichnet.

Der klassische elektrodynamische Lautsprecher hat eine zentrale Schwingspule. Andere Formen arbeiten mit dezentralen Antrieben. Diese werden als Magnetostaten bezeichnet und sind eine Form von Flächenstrahlern.

Elektrische Belastbarkeit

Aufschnitt-Ansicht eines Lautsprechers

Ein Lautsprecher kann thermisch überlastet werden. Wegen des geringen Wirkungsgrades von nur etwa 1 % wird die meiste Energie in Wärme umgewandelt. Dadurch kann die Antriebsspule thermisch zerstört werden.

Eine Verbesserung der Kühlung durch Vergrößerung des Luftspalts verringert den Wirkungsgrad, weil das Magnetfeld schwächer wird, und erfordert mehr Leistung, die noch mehr Temperaturanstieg verursacht – man dreht sich im Kreis. Ein Weg ist die Anbringung der Schwingspule auf einer Aluminiumhülse; sie wird u. a. bei Breitbandlautsprechern angewendet. Die dadurch verringerte Spuleninduktivität linearisiert den Frequenzgang, jedoch wird die bewegte Masse vergrößert, was den Wirkungsgrad reduziert. Eine weitere, sehr effiziente Möglichkeit zur Abführung der Verlustwärme ist die Füllung des Luftspaltes mit einer ferromagnetischen Flüssigkeit (Ferrofluid) – damit werden drei Effekte erzielt:

  • Wärmeableitung durch erhöhte Wärmeleitfähigkeit
  • Dämpfung
  • Der Luftspalt kann verringert werden

Dies ist aber nur möglich, wenn die Auslenkung weit unter einem Millimeter liegt, kommt also nur für Hochtöner in Betracht.

Bei elektrodynamischen Lautsprechertreibern können bei längerem Betrieb Temperaturen von über 200 °C entstehen. Eine Überlastung führt im Extremfall zu einem „Durchbrennen“ der Schwingspule, wobei meistens erst die Isolierung verglüht und zu einem Kurzschluss führt und/oder der Schwingspulendraht schmilzt. Bei elektrodynamischen Lautsprechern kommt es allerdings meistens zuerst zu einem Erweichen des Klebstoffes und damit zur Lockerung des Spulendrahtes auf dem Spulenträger, wodurch der Treiber unbrauchbar wird.

Eine oft übersehene Rolle spielt die Widerstandsvergrößerung des Drahtes durch die erhöhte Temperatur. Wegen der Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes wächst der Widerstand einer Schwingspule von z. B. 8 Ω bei 20 °C auf das 1,7-fache bei 200 C° und hat dann 13,6 Ω. Bei unveränderter Ausgangsspannung des Verstärkers sinkt die aufgenommene Leistung auf 59 %, der Lautsprecher wird leiser. Zum Ausgleich wird der Verstärker lauter gestellt, und die Temperatur steigt so noch weiter.

Die Angabe einer Sinusleistung (Leistung bei einer festgelegten Frequenz), wie sie z. B. bei Verstärkern üblich ist, ist für die Ermittlung der thermischen Belastbarkeit bei Lautsprechern nicht angebracht, da unter Umständen auch bei geringer Temperatur durch zu große Auslenkungen die mechanische Zerstörung einsetzt. Außerdem sind übliche Musiksignale im zeitlichen Mittel eher einem um 3 dB/Oktave abfallenden Frequenzgemisch ähnlich; siehe 1/f-Rauschen (rosa Rauschen). Dabei muss man beachten: die zulässige thermische Leistung wird mit einem rosa Rauschen, begrenzt auf den angegebenen Frequenzbereich, gemessen und als Mittelwert PRMS angegeben. Das bedeutet: Ein Hochtöner für den Frequenzbereich 8 kHz bis 16 kHz bekommt von der Maximalrauschleistung durch die Filterung nur ein Hundertstel ab!

Mechanische Belastbarkeit

Die Membran kann durch zu große Auslenkungen mechanisch geschädigt werden. Dies tritt vor allem bei den tiefsten zulässigen Frequenzen auf. Dafür kann auch ein Sinussignal relevant sein. Bei Hoch- und Mitteltönern kann man zu große Auslenkungen meist am drastischen Ansteigen des Klirrens feststellen, für Tieftöner kann man das Erreichen der maximal zulässigen Auslenkung leicht messen. Leider werden diese Daten nie von den Herstellern angegeben, man kann sie jedoch meist aus anderen Daten berechnen. Typisch geht bei Hoch- und Mitteltönern durch die Frequenzweichen die mechanische Überlastung mit der thermischen einher. Eine Ausnahme sind Horntreiber. Diese sind für kleine Auslenkungen und große akustische Belastung entworfen. Ein Betrieb ohne diese, also unterhalb der Horngrenzfrequenz oder gar ohne Horn, kann zum sofortigen Ausfall trotz noch unkritischer Temperatur führen.

Für einen wirksamen Schutz von Tieftönern ist sowohl der thermische als auch der Auslenkungsgesichtspunkt zu beachten. Hohe Pegel lassen sich nur sinnvoll darstellen, wenn die Schutzvorrichtung auch die Wärmekapazität in Rechnung stellt. So kann z. B. ein Tieftöner durchaus für einige zehn Sekunden mit einer Leistungsaufnahme betrieben werden, die deutlich über der Dauerbelastungsangabe liegt. Die Schwingspule braucht Zeit, um sich aufzuwärmen. Die kleineren Antriebe von Hochtönern haben erheblich geringere Zeitkonstanten und bedürfen um so mehr der Vorsicht.

Gewarnt werden muss vor dem Irrglauben, man könne Lautsprecher durch leistungsschwache Verstärker vor Überlastung schützen: Bei Übersteuerung (Clipping) erzeugen diese Klirrprodukte vor allem im höheren Frequenzbereich, die bei Mehr-Wege-Lautsprechern häufig zur Zerstörung des Hochtöners auch hoch belastbarer Boxen führen. Es ist dennoch sinnvoll, die Verstärkerleistung geringer als die Lautsprecher-Belastbarkeit zu wählen, da dann die Wiedergabequalität höher ist – vorausgesetzt, die Leistung liegt unterhalb der Verstärker-Grenzwerte.

Aus der Angabe einer zulässigen Spitzenleistung kann man – mit dem in den technischen Angaben aufgeführten Wirkungsgrad – einen maximal erzielbaren Schalldruck errechnen. In der Praxis wird der Schalldruck jedoch oft durch Kompression und Verzerrungen auf einen niedrigeren Wert begrenzt, da die Schwingspule den Bereich des homogenen Magnetfeldes verlässt und die Membraneinspannung mechanische Grenzen setzt. Die Angabe einer Spitzenleistung „PMPO“, wie sie bei Lautsprechern der untersten Preisklasse zu finden ist, folgt keiner geschützten Definition und besitzt keine Aussagekraft.

Wirkungsgrad

Die Wirkungsgrade auch der besonders effizienten elektrodynamischen Lautsprecher sind sehr gering (0,2–5 %, bis 20 % nahe Resonanzstellen); es ist nicht üblich, sie anzugeben. Die Lautsprecher-Effizienz wird mit dem Kennschalldruck angegeben.

Beispiel
Ein durchschnittlicher dynamischer Lautsprecher mit z. B. 87 dB/W/m benötigt für einen Pegel von 100 dB in vier Metern Abstand eine elektrische Leistung von etwa 80 W, wogegen ein wirkungsgradstarker Lautsprecher mit 101 dB/W/m mit 3,2 W auskommt.

Die betrachteten Schallwandler zeichnen sich alle durch einen recht geringen energetischen Wirkungsgrad aus. Zwar spielen insbesondere in der HiFi-Technik andere Kenngrößen (Frequenzverhalten, Verzerrungen) eine wesentlichere Rolle, jedoch kommt dem Wirkungsgrad aus mehreren Gründen eine Bedeutung zu: Ein wirkungsgradschwacher Wandler (z. B. ein dynamischer Lautsprecher mit einem schwachen Magneten) benötigt beträchtliche Verstärkerleistungen, die als Wärmeleistung vom Wandler abgeführt werden müssen, um eine Beschädigung des Antriebs zu vermeiden. Erforderliche höhere Verstärkerleistung ist u. a. bei batteriebetriebenen Anwendungen nachteilig, verursacht ihrerseits Wärme oder erfordert Verstärker mit hoher Effizienz, die nicht immer auch gute Übertragungseigenschaften besitzen.

Der Wirkungsgrad eines dynamischen Lautsprechers wird erhöht durch:

  • hohe Stärke und große Fläche des Magnetfeldes (Seltenerdmagnete, hohe Magnetflüsse bis über 1,2 Tesla, große Schwingspulendurchmesser)
  • hoher Kupfer-Füllfaktor des Luftspaltes (geringer Luftspalt, großes Verhältnis zwischen Draht und Trägermaterial, teilweise Verwendung rechteckigen Drahtes, präzise Fertigung, exakte Aufhängung)
  • leichte Membran (z. B. Titan, Kohlefaser-Verbund) und leichte Schwingspule (Widerspruch zum vorgenannten Punkt)
  • effektive Kopplung des Lautsprechers an die Luft (z. B. Bassreflexprinzip, große Schallwand, großes Volumen bei geschlossenen Boxen, Exponentialhorn)

Die ersten drei Einflussfaktoren wirken sich in jedem Fall auch positiv auf die Wiedergabequalität aus, da dadurch auch der Koppelfaktor und die Eigendämpfung verbessert werden. Dagegen kann die Effizienzverbesserung durch bessere Luft-Ankopplung unter Umständen auch zu einem verzerrten Frequenzgang führen: Ausgeprägte Eigenresonanzen kleiner Boxen-Volumina oder des Bassreflexweges führen zu einer selektiven Erhöhung der Lautstärke, aber auch zu einer Verschlechterung der Impulstreue.

Große Auslenkungen verursachen u. a. bei dynamischen Lautsprechern auch hohe Intermodulationsverzerrungen, weil die Schwingspule in Bereiche mit schwächerem Magnetfeld kommt und das Verhältnis Strom/Kraft nicht mehr konstant ist. Großer Wirkungsgrad und gute Schallwiedergabe wird daher mit großen Lautsprechern (geringere Auslenkung bei gleichem Schallpegel) erreicht; große Bauformen sind jedoch häufig nicht erwünscht, sie sind teurer oder weisen andere Nachteile auf (z. B. Partialschwingungen der Membran).

Literatur

  • Heinz Sahm: HIFI-Lautsprecher. 2. Auflage, Franzis Verlag GmbH, München, 1982, ISBN 3-7723-6522-1.
  • Wolfgang-Josef Tenbusch: Grundlagen der Lautsprecher. 1. Auflage, Michael E. Brieden Verlag, Oberhausen, 1989, ISBN 3-9801851-0-9.
  • Helmut Röder, Heinz Ruckriegel, Heinz Häberle: Elektronik 3.Teil, Nachrichtenelektronik. 5. Auflage, Verlag Europa Lehrmittel, Wuppertal, 1980, ISBN 3-8085-3225-4.

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