Elektronisches Papier

Elektronisches Papier
Prototyp eines hochauflösenden elektronischen Papiers. Der in das Display geschriebene Inhalt bleibt auch ohne Spannungsquelle über Wochen erhalten (bistabiler Zustand).
Der iLiad war das erste serienmäßig produzierte Lesegerät mit elektrophoretischem Display

Als Elektronisches Papier (kurz E-Papier oder auch englisch kurz e-paper, E-Paper oder ePaper genannt) werden Anzeigetechniken bezeichnet, mit denen versucht wird, das Aussehen von Tinte bzw. Farbe auf Papier nachzubilden. E-Paper-Displays reflektieren das Licht wie normales Papier, es sind also passive (nichtleuchtende) Anzeigen. In Anlehnung an den englischen Sprachgebrauch werden solche Bildschirme auch als reflektive Displays bezeichnet. Texte oder Bilder werden bei manchen Anzeigetechniken dauerhaft angezeigt, ohne dass dafür eine Erhaltungsspannung erforderlich ist. Die Anzeige kann jedoch zu einem späteren Zeitpunkt geändert werden. Elektronisches Papier ist bei einigen Herstellern ähnlich wie normales Papier biegsam.

Es gibt verschiedene Ansätze der Herstellung elektronischen Papiers. Inzwischen forscht eine größere Anzahl von Firmen auf diesem Gebiet.[1]

Inhaltsverzeichnis

Technologie

Gyricon

Nick Sheridon hatte in den 1970er Jahren am Palo Alto Research Center der Firma Xerox zuerst elektronisches Papier entwickelt. Es nannte sich Gyricon und bestand aus kleinen, statisch geladenen Kügelchen. Diese waren zweifarbig: auf der einen Seite schwarz, auf der anderen weiß. Der Textinhalt des Papiers ließ sich durch ein anliegendes elektrisches Feld verändern. Dadurch wurden die Kügelchen nach oben oder unten gedreht, so dass entweder die schwarze oder weiße Seite sichtbar war.
Gyricon konnte jedoch nicht ausreichend preiswert produziert werden, so dass Xerox die zur Vermarktung gegründete Firma Gyricon LCC Ende 2005 auflöste.

Elektrophorese

Schema einer elektrophoretischen Anzeige

In den 1990er Jahren verwendete Joseph Jacobson[2] für eine andere Art elektronischen Papiers kleine Mikrokapseln, in denen elektrisch geladene weiße Teilchen in gefärbtem Öl schwammen. In früheren Versionen steuerte der Stromfluss, ob die weißen Partikel an der Oberseite der Mikrokapsel (also für den Betrachter sichtbar) waren oder ob sie unten blieben, sodass der Betrachter an diesem Punkt die dunklere Farbe des Öls sah. Das war im Grunde eine Wiederaufnahme der auf Elektrophorese basierenden Bildschirmtechnologie (EPD, electrophoretic display device). Die Verwendung von Mikrokapseln erlaubte allerdings, flexiblen Kunststoff anstelle von Glas als Trägermaterial zu verwenden. Darauf basierend entstand das aktuelle elektronische Papier der Firma E Ink Corporation.
Dieses elektronische Papier enthält Mikrokapseln mit einem mittleren Durchmesser von ca. 4 µm, die positiv geladene weiße Partikel und negativ geladene schwarze Partikel in einem transparenten zähflüssigen Polymer enthalten. Die Darstellung wird durch kurzzeitiges Anlegen einer elektrischen Spannung verändert und bleibt dann mehrere Wochen lang stabil. Form und Durchmesser der Mikrokapseln sind unregelmäßig, das hat aber keine Bedeutung, weil sich ein Pixel des Displays aus vielen Mikrokapseln zusammensetzt.

Makroaufnahme eines E-Ink-Bildschirms. Die Mikrokapseln sind in der vergrößerten Darstellung sichtbar.

Derzeit (2011) dominiert die Elektrophorese den Markt der Anwendungen elektronischen Papiers. Die meisten Geräte enthalten die Produkte der E Ink Corporation, die seit 1999 verschiedene Anwendungen gezeigt und 2004 als erster Hersteller mit der Serienfertigung elektronischen Papiers in größerem Maßstab begonnen hat.[3] Es gibt aber auch Alternativen, zum Beispiel „SiPix Microcup“ der amerikanischen Firma SiPix oder das flexible elektronische Papier „PlasticPaper“ des Herstellers Plastic Logic, das in Dresden hergestellt wird.[4] Weitere Hersteller elektrophoretischen elektronischen Papiers sind Bridgestone [5] und LG Display.[6]

Schema einer elektrophoretischen Anzeige mit Farbfiltern

Seit 2002[7] sind verschiedene Prototypen farbigen elektrophoretischen E-Papiers vorgestellt worden[8][9], beispielsweise stellte LG.Philips im Mai 2007 ein biegsames, farbiges E-Paper auf Basis der E-Ink-Technik vor, das aber bisher nicht in Serienproduktion gegangen ist.[10] E Ink beginnt 2011 mit der Produktion des farbigen elektronischen Papiers „Triton“.

Bistabile LCD

Einige Firmen produzieren elektronisches Papier auf Basis von bistabilen LCDs. Diese ermöglichen ein neutrales Weiß bei hoher Albedo (Oberflächenreflexion) und Auflösungen bis zu 200 dpi. Ein Beispiel ist das Cholesteric Liquid Crystal Display.

Elektrobenetzung (Electrowetting)

Der Philips-Firmenableger „Liquavista“ entwickelt eine Displaytechnik, bei der eine gefärbte Öl- und eine Wasserschicht übereinanderliegen. Die Lichtdurchlässigkeit der einzelnen Bildpunkte wird dabei beeinflusst, indem die Oberflächenspannung mittels angelegter elektrischer Spannung verändert wird (Elektrobenetzung). Damit lassen sich farbige und schnelle reflektive Anzeigen mit hohem Kontrast und geringem Energieverbrauch herstellen, deren Schaltgeschwindigkeit auch Videowiedergabe erlaubt.[11]

Der funktionsfähige Prototyp eines E-Book-Lesegerätes mit einem farbigen 6"-Electrowetting-Display wurde auf der CES 2010 vorgestellt.[12]

Anfang 2011 ist Liquavista von Samsung übernommen worden.[13]

Mikromechanisch gesteuerte Interferenz-Modulation

Der Mobilfunktechnik-Hersteller Qualcomm produziert unter dem Namen „Mirasol“ vertriebene IMOD-Displays. Diese beruhen darauf, dass mikromechanisch der Abstand zweier reflektierender Schichten verändert und damit die Lichtreflexion mittels konstruktiver und destruktiver Interferenz gesteuert wird. Die Displayelemente sind (wie bei E-Ink) bistabil und ermöglichen die Herstellung stromsparender reflektiver Anzeigen. Qualcomm hat auf der CES 2010 funktionsfähige Prototypen von 5,7"-Lesegeräten mit farbigen Mirasol-Displays vorgestellt, die auch für Videowiedergabe geeignet sind.[14][15] Die Aufnahme der Produktion in größerem Maßstab ist für 2012 angekündigt.[16]

Vor- und Nachteile von elektrophoretischem E-Papier gegenüber herkömmlichen Bildschirmen und Papier

Das Portable Reading System PRS-505 von Sony (2007)

Elektronisches Papier vereint die Vorteile von Computerbildschirm und Papier. Gegenüber herkömmlichen Bildschirmen, wie sie zur TV- und Grafikwiedergabe genutzt werden, bietet es beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung die folgenden Vorteile:

  • Der Bildinhalt sieht wegen des geringen Abstandes der bildgebenden Elemente zur Oberfläche aus jedem Blickwinkel gleich aus (Vorteil gegenüber LCDs).
  • Es gibt durch die statische Anzeige kein Flimmern (Vorteil gegenüber Röhrenmonitoren).
  • Es ist sehr dünn und leicht und bei entsprechendem Design auch biegsam.
  • Es ist in allen Größen und Formen herzustellen – vom kleinen Display mit der aktuellen Wetteranzeige bis hin zur großen Anzeigetafel oder Plakatfläche.
  • Es benötigt wenig Energie, um die Anzeige zu erzeugen und aufrechtzuerhalten, da nur zum Ändern des Bildinhaltes (Seitenwechsel) ein Stromfluss erforderlich ist.
  • Es ist sowohl bei normalem Raumlicht als auch in hellem Sonnenschein lesbar, da die bildgebenden Elemente reflektiv sind.
  • Die Auflösung ist mit ca. 170 dpi höher als bei den meisten LCDs vergleichbarer Größe.

Die Nachteile gegenüber Druckmedien wie Papier sind die transparente glatte Oberfläche der Abdeckung, die Stör- und Streulicht reflektiert. Auch ist die Auflösung mit ca. 170 dpi noch deutlich geringer als bei Drucken und allenfalls bei Abbildungen höher als bei preiswerten Taschenbüchern und Tageszeitungen. Sowohl die Grauwertauflösung als auch der Kontrast (zwischen Zeitungs- und Magazinpapier) sind derzeit noch gering. Die langen Schaltzeiten der ersten Generation elektronischen Papiers lassen nur eine statische Anzeige zu. Der Farbraum der farbigen Displays ist vergleichsweise gering.

Anwendungen

Lexar JumpDrive Secure II Plus
Motorola Motofone F3 mit EPD

Als ersten Feldversuch zur Auslieferung einer Zeitung hat die belgische Wirtschaftszeitung De Tijd von April bis Juni 2006 einen Test mit zweihundert Lesern durchgeführt. Das dabei verwendete Gerät war der iLiad von iRex.[17]

Ein Feldversuch mit elektronischem Papier als Werbefläche wurde Ende 2006 von Hitachi durchgeführt[18]. In Nahverkehrszügen einer Tokioter Eisenbahnlinie wurden als Ersatz für gewöhnliche Werbeposter Displays auf Basis elektronischen Papiers von Bridgestone angebracht. Meinungsumfragen sollten anschließend über die Vermarktungsfähigkeit entscheiden.

Es gibt mittlerweile viele Geräte, in denen E-Paper-Displays eingesetzt werden:

  • Von zahlreichen Herstellern werden Lesegeräte für elektronische Bücher hergestellt bzw. als OEM-Geräte mit eigener Firmware vertrieben. Dies ist im Augenblick der Haupteinsatz elektronischen Papiers. Eine Übersicht der in Deutschland offiziell vertriebenen Geräte ist im Artikel über Lesegeräte zu finden.
  • Als erstes Mobiltelefon hat das von Motorola hergestellte Motofone F3 für die Anzeige elektronisches Papier eingebaut. Motorola bezeichnet dieses Display als EPD, es handelt sich um eine Segmentanzeige mit elektronischem Papier von E-Ink. Der dabei im Vergleich zu anderen Anzeigeverfahren ungewohnte Effekt ist, dass die Anzeige bei Entfernen des Akkus aus dem Mobiltelefon erhalten bleibt. Ein Vorteil gegenüber anderen Telefondisplays ist, dass die Darstellung selbst bei direkter Sonneneinstrahlung ablesbar bleibt.
  • Lexar stellt die USB-Sticks JumpDrive Secure II Plus und Echo MX her, die den Füllstand ihres Speichers über ein Display mit elektronischem Papier anzeigen. Da der Anzeigeinhalt ohne Stromzufuhr erhalten bleibt, kommen diese Geräte ohne Batterie aus.
  • Western Digital verkauft seit August 2009 externe Festplatten (Serien My Book Elite und My Book Studio), die an ihrer Vorderseite über ein sogenanntes E-label verfügen. Das E-label zeigt eine frei wählbare Textzeile (Inhalt der Festplatte), den verfügbaren freien Speicher und die Aktivierung der Laufwerksverschlüsselung an.
  • Die Firma Seiko brachte 2005 mit dem Modell „Seiko Spectrum“ die erste Armbanduhr heraus, die mit einer E-Ink-Segmentanzeige ausgestattet ist.[19]
    2010 erschien die erste E-Ink-Uhr mit Matrixdisplay. Das Display weist 80.000 Pixel mit einer Auflösung von 300 ppi auf. Jedes Pixel kann eine von vier Graustufenschattierungen anzeigen.[20]

Andere Anwendungen

  • Das Magazin Esquire erschien am 8. September 2008 zum 75. Jahrestag als erstes Magazin mit einem Cover, das mit elektronischem Papier ausgestattet war. Die dabei benutzte E-Ink-Einlage war jedoch keine Matrixanzeige, sondern diente dazu, Schlagzeilen ein- und auszuschalten, zu invertieren und Textbereiche blinken zu lassen.[21] Die „Special Collector's Edition“ wurde 100.000-mal hergestellt.

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. SHIN Kwang Hoon: „Flexible Display“. In: Patent Application Full Text and Image Database. US Patent & Trademark Office, 22. Dezember 2006, abgerufen am 15. August 2007.
  2. MIT Media Lab: Joseph M. Jacobson
  3. E Ink Corporation
  4. Plastic Logic
  5. heise.de: Puderdisplays von Bridgestone
  6. lgblog.de: Flexible E-Ink-Displays von LG
  7. heise.de: E-Ink stellt erstes farbiges E-Paper vor
  8. newgadgets.de: Farbiges E-Ink in Japan
  9. lesen.net: Bridgestone Aerobee E-Paper demonstriert
  10. heise.de: Biegsames farbiges E-Paper von LG.Philips
  11. Liquavista: Technology Whitepaper
  12. lesen.net Liquavista zeigt bunte E-Paper
  13. Liquavista Pressemitteilung Liquavista gets acquired by Samsung
  14. slashgear.com Qualcomm mirasol color ereader hands-on
  15. heise.de Qualcomm zeigt farbiges Mirasol-Display
  16. netbooknews.com Mirasol-Displays kommen (noch) später
  17. IBBT Präsentation der Ergebnisse des Feldversuchs
  18. heise.de: Das Display der Zukunft im Feldversuch
  19. engadget.com: Engadget-Artikel zur Seiko Spectrum
  20. Seiko.de: Seiko präsentiert die weltweit erste EPD-Uhr mit Aktivem Matrixsystem
  21. Demonstrationsvideo, wie das E-Ink-Cover der Esquire aussieht

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