Elektronisches Piano

Elektronisches Piano

Das elektronische Piano ist ein Musikinstrument, das ursprünglich als preiswerter und transportabler Ersatz für echte Pianos gebaut wurde. Im Laufe der Zeit entwickelten sich dabei verschiedene Typen, die jeweils einen eigenen Klangcharakter aufweisen und bestimmte Musikstile entscheidend mitprägten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Elektro-Mechanische Tasteninstrumente

Bereits zu Beginn der 1930er Jahre entwickelte Professor Walther Nernst zusammen mit den Firmen Bechstein (Mechanik) und Siemens (Elektronik) ein unter den Namen Neo-Bechstein oder Bechstein-Siemens-Nernst-Flügel bekanntes elektro-akustisches Piano, wobei die Saiten mit Mikrohämmern angeschlagen wurden und die Schwingungen induktiv mit Tonabnehmern aufgenommen, mit einem Röhrenverstärker verstärkt (und hinsichtlich Klangfarbe beeinflusst) und über Lautsprecher wiedergegeben wurden.

1964 wurde das Hohner-Clavinet vorgestellt, eine Art Clavichord mit eingebauten Tonabnehmern. Der Ton wird hier wie beim Vorbild Klavier durch Stahlsaiten erzeugt, die durch Hämmerchen angeschlagen werden. 1965 kam das Fender-Rhodes-Piano auf den Markt, bei dem die dünnere Seite (Stimmfeder) einer asymmetrischen Stimmgabel durch eine Hammermechanik angeschlagen wird. Zu jeder Stimmfeder gehört eine Tonabnehmerspule (induktive Tonabnahme). Schon ab 1954 war das Wurlitzer Electric Piano erhältlich, bei dem kleine schwingende Stahlzungen den Ton erzeugen, die gleichfalls durch eine Hammermechanik angeschlagen werden. Die Schwingung wird hier – als technische Besonderheit – kapazitiv abgenommen.

Das Fender Rhodes, das Wurlitzer Electric Piano und das Hohner Clavinet sind auf zahllosen Musikproduktionen im Bereich des Rock, Pop und Jazz der 1960er bis 1980er Jahre zu hören. In aktuellen Popproduktionen ist der Klang des Fender Rhodes wieder verstärkt zu hören, wenngleich er hierbei meistens aus Samplern usw. stammt.

Der Klang dieser Geräte reicht von „glockig“ (Fender Rhodes) bis „drahtig perkussiv“ (Hohner Clavinet) und kann zusätzlich durch Effektgeräte wie Leslie, Chorus, Tremolo, Phaser oder Wah-Wah verfremdet werden.

Weitere Infos zum Thema siehe Liste von elektro-mechanischen Tasteninstrumenten.

Hybrid-Pianos

Zu den klassischen E-Pianos werden aufgrund ihrer elektro-mechanischen Tonerzeugung auch die Hybrid-Pianos gerechnet. Erste Vertreter dieser Gattung waren die Yamaha CP-Serie und das Kawai EP 308 und EP 608, die ab 1977 auf den Markt kamen. Diese in ihrer Form an Flügel oder Klaviere angelehnten Geräte besitzen wie ein akustisches Piano Saiten, die allerdings kürzer als die vom Original sind, außerdem besitzen sie keinen oder einen kleineren Resonanzkörper. Der ohne Verstärkung relativ leise Ton wird über ein Piezo-Tonabnehmersystem abgenommen und über ein Lautsprechersystem verstärkt. Die Verwendung leichterer Materialien wie zum Beispiel Kunststoff statt Holz, und die auf Grund der kleineren Tonerzeugungsmechanik leichtere und billigere Bauart, führte zu dem ersten gut transportablem und günstigen Klavierersatz, der in den 1980ern von vielen Künstlern der Popularmusik genutzt wurde.

Zusätzlich haben einige neue Hybridgeräte ein komplettes Digitalpiano eingebaut. So kann man die Klaviermechanik von der Tastatur abkoppeln und mit Kopfhörern üben, ohne die Nachbarn zu stören. Solche Geräte wurden beispielsweise vermarktet als Kawai Anytime, Seiler DuoVox, Schimmel Silent Pianos, Yamaha Silent Pianos (z. B. V 118 N-TS E/P) oder Disklavier.

Digitale Synthesizer

Yamaha CP30

Mitte der 1970er Jahre kamen die ersten vollelektronischen Pianos auf den Markt. Im CP-30 von Yamaha wurden die Frequenzen der einzelnen Töne durch digitale Zählerbausteine ermittelt; den so entstandenen Rechteckwellen wurde durch aufwändige analoge Filter ein klavierähnlicher Klang gegeben.

In den 1980er Jahren wurde zunehmend der Yamaha DX7-Synthesizer dank seines neuartigen, aber dennoch oft klavierartigen Klanges der bühnenbeherrschende Klavierersatz. Insbesondere aus der Popmusik der 1980er Jahre ist der Klang des DX7 nicht wegzudenken. In dieser Zeit gab es jedoch immer noch keinen tatsächlich nach Klavier klingenden digitalen Ersatz.

Samplingtechnik

Zu Beginn der 1990er Jahre hielt das Samplingverfahren Einzug in die Musiktechnik. Preiswerte Sampleplayer wie beispielsweise der Roland U-20 machten transportable und endlich auch authentisch klingende Klavierklänge für fast jeden Musiker erschwinglich. Zur Klangerzeugung wird meistens das PCM-Verfahren verwendet.

Des Weiteren verfügen alle modernen Digitalpianos über MIDI- und/oder sonstige PC-Schnittstellen (beispielsweise To Host oder USB).

Digitalpianos

Instrumente, die sich auf den Klavierklang konzentrieren, werden auch als Digitalpiano bezeichnet. Meistens sind sie mit einer 88-Tasten-Klaviatur ausgestattet, die dem Pianisten das Spielgefühl eines echten Pianos zu vermitteln versucht. Spezielle kompakte Mechaniken simulieren das Anschlagsgefühl einer traditionellen Klaviermechanik. Dies führte allerdings dazu, dass die Geräte wieder größer und vor allem schwerer wurden. Für den Klavierspieler sind zwei der wichtigsten Vorteile von Digitalpianos, die Möglichkeit des Spielens über Kopfhörer mit geringer Schallemission und der verhältnismäßig geringe Anschaffungspreis.[1]

Homepianos

Die Geräte für den Hausgebrauch besitzen in der Regel eingebaute Lautsprecher und werden als Homepianos bezeichnet (englisch: home = Heim, Wohnung),[2]. Hier finden sich meistens Gehäuse aus Faserplatten, die mit schwarzem Laminat oder Holzfurnier (-imitation) belegt sind. Sie sollen sich optisch ins heimische Ambiente einfügen und einfach zu bedienen sein. Für den Transport müssen sie meistens zerlegt werden, das kastenförmige Oberteil enthält die Tastatur und die gesamte Elektronik. Die drei Pedale und die Lautsprecher sind oft im separat konstruierten Ständer integriert. Das Gesamtgewicht dieser Geräte liegt zwischen 25 und 80 Kilogramm.

Stagepianos

Bei Instrumenten für Bühnenauftritte (englisch: stage = Bühne), den sogenannten Stagepianos fehlen Lautsprecher, oder diese haben nur die Funktion eines Kontroll-Monitors für den Musiker und dienen nicht zur Beschallung des Publikums.[3]. Stagepianos sind auf Portabilität und Robustheit optimiert. Zielgruppe sind vor allem Live-Musiker. Das Gehäuse ist meistens schwarz oder silber und überwiegend aus Metall. Die Geräte wiegen zwischen 13 und 32,5 Kilogramm, je nach Art der Tastatur und Gewicht eventuell integrierter Lautsprecher. Zur Beschallung ist ein Keyboard-Verstärker (Combo) oder ein PA-System notwendig. Im heimischen Bereich kann stattdessen auch eine HiFi-Anlage oder Aktivlautsprecher verwendet werden. Stagepianos werden wegen ihres schlichten „neutralen“ oder „technischen“ Designs auch zunehmend in Wohnzimmern aufgestellt und werden zu diesem Zweck von den Herstellern als Compact Pianos oder Style Pianos vermarktet.

Ensemble Digitalpianos (Piano-Workstations)

Diese Multifunktions-Pianos sind sowohl in der Stagepiano- als auch in der Homepiano-Bauart verfügbar und bieten neben den herkömmlichen Digitalpiano-Merkmalen oft über hunderte zusätzlicher Klänge, Begleitrhythmen, Begleitautomatik, Mehrspur-Sequenzer, Synthesizer-Funktionen, et cetera. Zielgruppen sind Alleinunterhalter, Komponisten, Technikverliebte und Klangdesigner.

Portable-Pianos / Keyboards

Portable-Pianos sind Stage-Pianos mit mindestens 61, meistens 76 Tasten, die mit den Qualitäten eines Keyboards kombiniert sind. Da als Material in der Regel Kunststoff verwendet wird, sind sie leicht und somit gut transportabel. Portable-Pianos verfügen zumeist über eine Begleitautomatik und eine relativ große Anzahl verschiedener Klangfarben (Sounds). Da ein geringes Gewicht angestrebt wird, verfügen diese Modelle oft über keine Hammermechanik. Spezielle Keyboards die bestimmte Instrumente nachahmen sollen (Hammond-Orgel, Fender Rhodes) verzichten bewusst auf eine Hammermechanik.

Modularsysteme

Für den ambitionierten Musiker eignet sich auch die Modularisierung. Man beschafft sich ein (möglichst hochwertiges) Masterkeyboard, ein Soundmodul, welches auf Klavierklänge spezialisiert ist und gegebenenfalls eine Verstärkeranlage.

Nachteil ist allerdings, dass eine genaue Anpassung der Tastatur an den Klangerzeuger mittels passender Anschlagsdynamikkurve meist nicht perfekt möglich ist und somit die Ausdrucksfähigkeit leidet.

Hersteller

Hersteller von elektronischen Pianos sind unter anderem Casio, Clavia, GEM (GeneralMusic), Hemingway Pianos, KAWAI, Ketron, KORG, Kurzweil, M-Audio, Medeli, ORLA, Roland und Yamaha.

Traditionelle Klaviere im Vergleich zu elektronischen Pianos

Aufgrund immer wieder verbesserter Sampletechnologie ist vor allem die Klangqualität der „Unterklasse“ von Digitalpianos seit etwa 2000 verbessert worden; jährlich werden weitere technologisch entscheidende Fortschritte gemacht. Die „Oldtimer“ aus den 1980/90er Jahren teilen sich in unausgereifte („schlecht klingende“) Instrumente und spezielle „Kultobjekte“, deren jeweils spezifischen Klang man gerne haben möchte.

Für ein gutes Klavier spricht der originale Klang und das authentische Spielgefühl, ein im Vergleich zum Digitalpiano geringerer Wertverlust, bei Sammlerstücken eventuell sogar eine Wertsteigerung und dass die Mechanik nicht so schnell verschleißt. Erst neuere Digitalpianos können den Resonanzeffekt bei gedrücktem Haltepedal vermitteln, der den Zuhörer die freie Schwingung von etwa 230 Saiten erleben lässt. Bei einem älteren Digitalpiano klingen in diesem Fall nur die gerade angeschlagenen Töne weiter, aber nicht auch die resonierenden Töne, wie dies bei einem akustischen Instrument der Fall ist.

Für ein gutes Digitalpiano spricht die kostengünstige Anschaffung und der Unterhalt, keine Wartungskosten (insbesondere für die Klavierstimmung), keine Klimatisierungskosten (Luftbefeuchtung, Raumtemperatur), die relative Mobilität und Portabilität, die Platzersparnis, die Lautstärkeregelung und der Kopfhöreranschluss (in der Regel für zwei Kopfhörer), gleichmäßige Intonation und hochwertige Klangqualität, die Flexibilität aufgrund mehrerer eingebauter Klänge, leichte Anschluss- und Aufnahmemöglichkeit über analoge und digitale Schnittstellen, und Zusatzmerkmale wie eingebautes Metronom, zusätzliche Klänge und Effekte wie zum Beispiel Nachhall, oder Delay, Sequenzer, skalierbare Anschlagdynamik, Transponierbarkeit / Transponabilität, unterschiedliche Stimmungen (wie zum Beispiel temperiert oder wohltemperiert wie von Johann Philipp Kirnberger oder Andreas Werckmeister) bis hin zur „Leuchttasten-Pädagogik“.

Wichtige Qualitätskriterien sind:

  • die Tastenanzahl (wenigstens 76, üblicherweise 88 Tasten mit Hammermechaniksimulation) und vor allem
  • die Polyphonie, die bei wenigstens 64, besser 96 Stimmen (das heißt 48 Stereo-Stimmen) liegen sollte. Moderne Digitalpianos bieten bis zu 256-stimmige Polyphonie, die bei fortgeschrittenen Werken wichtige Grundlage für realistische Klangräume sein können.

Nachteile sind die der Elektronikgeräte allgemein:

  • Abhängigkeit von einer Stromversorgung
  • Kunststoffe können durch flüchtige Weichmacher brüchig werden, dadurch brechen mechanische Tastenteile und Gummikontakte.
  • Elektrische Bauelemente können versagen, und bei der Komplexität moderner Geräte ist die Fehlersuche und Reparatur häufig nicht wirtschaftlich. Vor allem bei Billigprodukten können Restchemikalien zerstörend wirken.
  • Aus billigen Materialien hergestellte Kontakte können verschmutzen und erzeugen dadurch Störungen.

Aber auch „echte“ Klaviere haben zahlreiche Nachteile:

  • Die Instrumente verstimmen sich durch die mechanische Beanspruchung beim Spielen
  • Holz kann durch trockene Luft schrumpfen, dadurch können sich die Wirbel lockern, sodass das Klavier immer öfter gestimmt werden muss
  • Holz kann durch feuchte Luft quellen, sodass die Tastenmechanik verklemmen kann
  • Mechanische Federn können ermüden oder brechen
  • Die Filzbeläge auf den Hämmern verschleißen und müssen erneuert und intoniert werden
  • Klaviere können nur mit großem logistischen Aufwand transportiert werden
  • Eine Stummschaltung für akustische Klaviere ist kostspielig und aufwendig

Kritik

Digitalpianos sind unter Pianisten umstritten. Es wird oft das Argument ins Felde geführt, dass Spielgefühl und Lebendigkeit eines Digitalpianos nicht das eines Klaviers erreichen. Viele Pianisten halten die Interpretation von Klaviermusik auf einem elektronischen Instrument für nicht musizierbar beziehungsweise nicht hinreichend klangvoll, da vor allem bei etwas älteren Digitalpianos die musikalische Ausdrucksfähigkeit an technische Grenzen stößt. Mitunter wird eine individuelle ästhetische Meinung, eine technologische Realisierbarkeit und eine wirtschaftliche Möglichkeit unabgegrenzt nebeneinander diskutiert. Meist jedoch stammen diese Einschätzungen aus länger zurückliegenden Erfahrungen mit älteren Digitalpianos. Moderne und hochwertigere Instrumente finden mittlerweile zum Üben auch bei Konzertpianisten immer mehr Anhänger, in Konzerten werden sie aber nicht benutzt.

Literatur

  • Peter Forrest: The A-Z of Analogue Synthesisers, Susurreal Publishing, England, ISBN 0-9524377-2-4. Detaillierte Darstellung aller bis 1998 jemals hergestellter analoger Synthesizer, Orgeln und E-Pianos in zwei Bänden (Englisch)
  • Stiftung Warentest: Digitalpianos - Alternative für Hobbypianisten, test 10/2011

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Digitalpianos - Alternative für Hobbypianisten www.test.de (online)
  2. Homepiano, www.digitalpianos24.de (online)
  3. Stagepiano, www.stage-piano.de (online)

Bekannte Musikstücke mit E-Piano-Einsatz


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