- Epiklese
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Epiklese (von griechisch ἐπικαλέω, epikaleo ‚ich rufe an, rufe herbei‘) bedeutet zunächst allgemein seit der Antike die Anrufung eines oder mehrerer Götter und ist solchermaßen wichtiger Bestandteil jedes Gebetes.
Als Begriff der christlichen Theologie bezeichnet Epiklese im besonderen die Herabrufung oder Anrufung Gottes. Bei der Eucharistiefeier gibt es ein Kerngebet („Hochgebet“), das in sich wieder anamnetisch-epikletisch aufgebaut ist, sich also preisend und bittend an Gott als den gestern, heute und morgen Handelnden wendet. Epiklese bezeichnet hier die Herabrufung des Heiligen Geistes auf die Gaben Brot und Wein (sog. Wandlungs- oder Konsekrationsepiklese) und/oder auf die Empfänger der eucharistischen Speisen (sog. Kommunionepiklese).
Hinsichtlich der Bewertung der Epiklese gibt es einen historischen, heute aber nicht mehr kirchentrennenden Unterschied zwischen der römisch-katholischen Kirche des Westens einerseits und den orthodoxen Kirchen des Ostens sowie der altkatholischen Kirche andererseits.
Einig sind sich alle Kirchen katholischen Typs in Ost und West, dass sich nach der Konsekration der wahre Leib und das wahre Blut Christi auf dem Altar befindet (Realpräsenz) und dass die Heiligung der eucharistischen Speisen durch das Wirken Gottes erfolgt. Ist diese Wandlung aber veranlasst durch das Nachsprechen der Herrenworte in persona Christi („Dies ist mein Leib ...“) im eucharistischen Hochgebet, wie es christologisch orientierte römisch-katholische Lehre ist, oder durch die Herabrufung des Heiligen Geistes, oder beides, oder die ganze Eucharistie, wie es die orthodoxe Kirche in pneumatologischer Akzentuierung vertritt? Gleichzeitig erhebt sich damit die liturgische Frage, wann - wenn überhaupt - die Epiklese zu sprechen ist, vor oder nach den Einsetzungsworten. Während der abendländische Katholizismus die Epiklese im Hochgebet, sofern es eine solche enthält, den Einsetzungsbericht umrahmen lässt (als sog. Wandlungs- und Kommunion-Epiklese), stellt sie die orthodoxe und ostkirchlich-katholische Praxis hinter die Einsetzungsworte und rückt sie theologisch in den Mittelpunkt. So heißt es in der - von Orthodoxen wie Katholiken gebrauchten - Chrysostomos-Liturgie nach den (laut gesungenen) Einsetzungsworten in stillem Gebet: „... und rufen und bitten und flehen zu Dir: sende herab Deinen Heiligen Geist auf uns und die vorliegenden Gaben .. und mache dieses Brot zum kostbaren Leib Deines Christus! Das aber in diesem Kelch zum kostbaren Blut Deines Christus!... Verwandelnd durch Deinen Heiligen Geist! Amen, Amen, Amen!“
In der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) erfolgt die Epiklese, hier verstanden als Bitte um den Heiligen Geist, direkt vor den Konsekrationsworten in der sogenannten Abendmahlsform B, wo es heißt: „... In seinem Namen und zu seinem Gedächtnis versammelt, bitten wir dich, Herr: sende herab auf uns den Heiligen Geist, heilige und erneuere uns nach Leib und Seele und gib, dass wir unter diesem Brot und Wein deines Sohnes wahren Leib und Blut im rechten Glauben zu unserem Heil empfangen,...“ .
Der Einsetzungsbericht und die Epiklese sind beide in der Eucharistie ursprünglich und wesentlich Teile eines Gebetes an Gott, nicht etwa Formeln, mit denen der Sprecher die Gaben oder ihre Empfänger anredet. Zu isolierter Betrachtung als Formel ist es erst in der theologischen Reflexion späterer Jahrhunderte gekommen. In der abendländischen Theologie galt dann das Hochgebet nur noch als frommer Rahmen der eigentlich heiligenden Einsetzungsworte Christi. Im Osten wurde seit Johannes Damascenus (8. Jahrhundert) die Bedeutung der Epiklese für die Eucharistie mehr und mehr hervorgehoben, bis schließlich von einigen orthodoxen Theologen im 17. Jahrhundert behauptet wurde, ihr allein komme konsekratorische Kraft zu. Diese Auffassung wird heute allgemein kritisiert, und die verbreitete Auffassung der orthodoxen Theologie geht dahin, dass Wandlungsworte und Anrufung des Heiligen Geistes beide zum Vollzug der Eucharistie nötig sind, und zudem die Wandlung im Kontext der gesamten Liturgie zu sehen ist und nicht vom Menschen willkürlich auf einen bestimmten Zeitpunkt fixiert werden kann. Verstärkt seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil nähert sich die römisch-katholische Kirche den Ostkirchen an, indem sie der Epiklese, d. h. der Bitte an Gott um den Heiligen Geist, einen regelmäßigen Platz in der Messliturgie zuweist. In den neueren eucharistischen Hochgebeten steht die sog. Wandlungs-Epiklese vor dem Einsetzungsbericht als Bitte um Heiligung der Gaben: „So bitten wir Dich, Vater: der Geist heilige diese Gaben, damit sie uns werden Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus.“ Nach ihm wird in der sog. Kommunion-Epiklese um den fruchtbaren Empfang der eucharistischen Gaben gebetet.
Im Rahmen des katholisch-orthodoxen Dialogs wurde 1982 als gemeinsame Überzeugung beider Kirchen hinsichtlich der eucharistischen Epiklese festgestellt: „Der Geist verwandelt die geheiligten Gaben in den Leib und das Blut Christi, damit sich das Wachsen des Leibes, der die Kirche ist, vollendet. In diesem Sinn ist die ganze Feier eine Epiklese, die sich aber in bestimmten Augenblicken deutlicher ausdrückt. Die Kirche ist unablässig im Zustand der Epiklese, der Herabrufung des Heiligen Geistes.“
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