Hochgebet

Hochgebet

Das Hochgebet ist das große Lob- und Dankgebet in der christlichen Eucharistiefeier. Es richtet sich an Gott Vater. Diese Bezeichnung ist im Deutschen seit C. Anton Baumstark üblich; andere Bezeichnungen sind Kanon der Messe (lat.: Canon Missae) oder Anaphora. Das Hochgebet ist neben der Kommunion das Herzstück der eucharistischen Liturgie. Eucharistische Hochgebete gibt es in den römisch-katholischen, orthodoxen, altkatholischen, anglikanischen und lutherischen Kirchen. Im weiteren Sinn werden als Hochgebet die Haupt- oder Zentralgebete aller Sakramentenfeiern bezeichnet, z. B. Lobpreis und Anrufung Gottes über dem Wasser der Taufe, Segensgebet der Brautleute bei der Trauung, Weihegebet bei Konsekrationshandlungen.

Inhaltsverzeichnis

Struktur des Hochgebets

Das Eucharistische Hochgebet besteht aus

  • Aufforderung des Vorstehers zu gemeinsamen Dank und Bereitschaftserklärung der Mitfeiernden („Eröffnungsdialog“)
  • Anamnese: Gedächtnis der Heilstaten Gottes in Christus, gipfelnd in den sog. Wandlungsworten, mündend im Ausblick auf die Wiederkunft Christi (siehe auch Geheimnis des Glaubens)
  • Epiklese: Herabrufen des Heiligen Geistes über die eucharistischen Gaben und über die versammelte Gemeinde, die sich mit Christus in der Kommunion vereint
  • Doxologie: Lobpreis am Beginn (Präfation und Sanctus) und Schluss-Doxologie
  • Memento: Gedenkbitten für die Kirche und die ganze Welt, für Lebende und Verstorbene
  • Amen als Zustimmung („Unterschrift“) der Mitfeiernden.

Diese Elemente können mehrfach und in unterschiedlicher Reihenfolge erscheinen, keines darf aber völlig fehlen.

Römisch-katholische Kirche

Das älteste schriftlich überlieferte Hochgebet, teilweise im Hochgebet II des jetzigen Römischen Messbuchs enthalten, stammt aus der Hippolyt von Rom zugeschriebenen „Traditio Apostolica“ (3. Jh., ursprünglich griechisch). Die ältesten lateinischen Hochgebetstexte finden sich im 4. Jahrhundert, z. B. bei Ambrosius von Mailand, die heutige Form (Hochgebet I des jetzigen Messbuchs) im 6. Jahrhundert bei Papst Gregor I.. Bis zur Liturgiereform des 2. Vatikanums wurde das römische Hochgebet, der Canon Romanus, jahrhundertelang vom Priester, abgesehen von Ausnahmen (z. B. Altslawischer Ritus), auf Latein und großenteils leise gebetet, seither, weil Hauptgebet der Gemeindemesse, wieder wie ursprünglich zur Gänze laut und meistens in der Landessprache.

Das von Papst Paul VI. herausgegebene Römische Messbuch bietet vier Hochgebete zur Auswahl (vgl. Gotteslob Nr. 360 und 367 bis 369). Darüber hinaus gibt es weitere päpstlich approbierte Hochgebete, die in spätere Ausgaben des Missale Romanum aufgenommen wurden. Der nach der Liturgiereform aufgekommene Vorschlag, den Bischofskonferenzen verschiedener Länder die Erstellung weiterer Hochgebete zu überlassen, wurde von Papst Paul VI. abgelehnt. Doch wurden vom Heiligen Stuhl durchaus einzelne Sonderformulare für regional beschränkte Verwendung genehmigt, so für Trauungsmessen in Kanada. Die vereinzelt empfohlene teilweise oder vollständige Rückkehr zur „Kanonstille“, d. h. leisen Beten, widerspricht geltendem liturgischen Recht (Grundordnung des Röm. Messbuches Nr. 30. 32). Dies bezieht sich nicht auf die forma extraordinaria (Usus antiquior) des Römischen Ritus.

Die Abfolge der einzelnen Teile des römisch-katholischen Hochgebets sind:[1]

Orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Kirchen

In der orthodoxen und den orientalisch-orthodoxen Kirchen sind eucharistische Liturgien mit verschiedenen Hochgebeten, z. B. der Basilius-Anaphora, ab dem 4. und 5. Jahrhundert in Gebrauch. Das Hochgebet in der ostkirchlichen Liturgie hat auch die obige Grundstruktur, mit dem Unterschied, dass es keine gespaltene Epiklese, sondern nur eine Epiklese nach der Anamnese kennt und oftmals ausführlicher und variantenreicher ist als die des katholischen Westens. Die ostsyrische Anaphora der Apostel Addai und Mari ist ohne Einsetzungsbericht überliefert. Ein bestimmter Augenblick oder eine einzelne Formel für die Wandlung der Gaben ist nicht definiert, das Hochgebet wird als unteilbares Ganzes betrachtet, das das Geheimnis der Verwandlung von Brot und Wein bewirkt. Jedoch gilt die Epiklese, die Bitte um die Mitwirkung des Heiligen Geistes, als unverzichtbar.

Altkatholische Kirche

In der altkatholischen Kirche wird das Hochgebet durchgängig Eucharistiegebet (lateinisch: prex eucharistica) genannt und seine innere Einheit betont. Daher wird ihm als Ganzes konsekratorische Kraft – durch das Wirken des Heiligen Geistes – zugesprochen, was z. B. darin zum Ausdruck kommt, dass der Altardienst erst nach dem Amen seitens der Gemeinde eine Kniebeuge macht. In der Alt-Katholischen Kirche in Deutschland sind 23 Eucharistiegebete in Gebrauch, die von ihrer Struktur her sowohl dem römisch-alexandrinischen Typ als auch dem antiochenischen Typ entsprechen. Das Hippolyt von Rom zugeschriebene Eucharistiegebet aus der „Traditio Apostolica“ findet sich als Eucharistiegebet I in einer recht wortgetreuen Übertragung, während das römische Eucharistiegebet (Canon Romanus) in einer freieren Übersetzung übernommen wurde. Die meisten übrigen Texte sind modernen Ursprungs und entstammen sowohl der eigenen (Eucharistiegebet der Utrechter Union) als auch anderen Traditionen (z. B. Lima-Liturgie).[2] In den fünf eucharistischen Gebeten der Christkatholischen Kirche der Schweiz folgt die ungetrennte Epiklese auf Brot und Wein und auf die Gemeinschaft immer der Anamnese.[3]

Anglikanische Kirche

In der anglikanischen Kirche sind unterschiedliche Hochgebete in Gebrauch. In Common Worship (s. Book of Common Prayer) finden sich Hochgebete, die sowohl eine gespaltene als auch eine einheitliche Epiklese aufweisen. Auffällig ist, dass an keiner Stelle Gott direkt gebeten wird, seinen Geist auf die Gaben zu senden oder dass um deren Heiligung und die Heiligung der Gemeinde gebeten wird. Stattdessen findet sich in fast allen eucharistischen Gebeten die Formulierung, dass Brot und Wein „für uns“ Leib und Blut Christi seien („may be to us“).[4] Dies entspricht dem Eucharistie-Verständnis des protestantisch-evangelikalen Flügels (Low Church) der anglikanischen Kirche, die einem objektiven Wandlungsgedanken ablehnend gegenüber steht. Im anglo-katholischen Flügel (High Church) ist auch der Canon Romanus in Gebrauch, entweder in Form des Römischen Ritus oder des Sarum-Ritus, dem vortridentinischen Mess-Ordo der Kirche von Salisbury.

Lutherische Kirche

In der lutherischen Kirche war das Hochgebet beim Abendmahl in der Nachfolge Martin Luthers auf die Einsetzungsworte Jesu reduziert worden. Theologischer Grund war die Betonung des Opfergedankens im altrömischen Messkanon. Schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es jedoch Bestrebungen, das Hochgebet in seiner entfalteten Form für die lutherische Abendmahlsliturgie wiederzugewinnen. Seit dem Agendenwerk 1956 ist eine mögliche Reihenfolge im Gemeindegottesdienst:

In lutherischen Gemeinden der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ist diese sogenannte Abendmahlsform B in Gebrauch.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Adolf Adam: Grundriss Liturgie. Herder-Verlag, Freiburg 2005, ISBN 3451284138.
  2. Die Feier der Eucharistie im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken. Für den gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die Liturgische Kommission und herausgegeben durch Bischof und Synodalvertretung, Bonn: Alt-Katholischer Bistumsverlag 2006; ISBN 3-934610-30-7
  3. Gebet- und Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz, Basel: Christkatholischer Medienverlag 2004; ISBN 3-9522331-2-9
  4. Ton van Eijk, Die Epiklese in den neuen Eucharistiegebeten der christlichen Traditionen. Von der Gemeinschaft in der Lehre zur Gemeinschaft im Beten?, in: Internationale Kirchliche Zeitschrift 96, 2006, Seite 89-110

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