Erika Runge

Erika Runge

Erika Runge (* 22. Januar 1939 in Halle (Saale)) ist eine deutsche Schriftstellerin, Regisseurin und Psychotherapeutin. Sie wurde unter anderem durch die Interviewsammlung Bottroper Protokolle bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Erika Runge ist Tochter eines Landgerichtsdirektors und einer Lehrerin; sie hat eine jüngere Schwester und zwei Brüder. Ihre Kindheit verbrachte sie in Potsdam. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zog die Familie nach West-Berlin. Nach dem Abitur studierte Erika Runge in Saarbrücken, Paris, Berlin und München Literatur- und Theaterwissenschaft, Romanistik und Kunstgeschichte.

1962 promovierte sie mit einer Arbeit über den literarischen Expressionismus zum Doktor der Philosophie. Anschließend drehte sie erste dokumentarische Kurzfilme für den Bayerischen Rundfunk.

Da ihr Vater im Ersten Weltkrieg beide Beine verloren hatte und sie selbst gegen Ende des Zweiten Weltkriegs während eines Bombenangriffs nur knapp dem Tod entronnen war, hatte sich Erika Runge bereits während des Studiums an der Universität München in der Anti-Atomtod-Bewegung engagiert. Nach Abschluss ihres Studiums ging sie nach Hamburg, wo sie beim Norddeutschen Rundfunk als Regieassistentin bei dem Fernsehregisseur Egon Monk arbeitete.

Im Laufe der 1960er Jahre entwickelte sie sich zu einer bedeutenden Vertreterin des neuen deutschen Dokumentarfilms. 1968 wurde sie Mitglied der neu gegründeten Deutschen Kommunistischen Partei, bei der Bundestagswahl 1969 kandidierte sie für die Aktion Demokratischer Fortschritt. Nach der Veröffentlichung der Bottroper Protokolle nahm sie an den Tagungen der Gruppe 61 teil. 1970 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern des Verlags der Autoren. Ab 1976 arbeitete sie vorwiegend für Rundfunk und Fernsehen. 1978 übersiedelte Runge von München nach Berlin, wo ihre Arbeitsmöglichkeiten als Regisseurin in den folgenden Jahren allerdings mehr und mehr eingeschränkt wurden. Seit 1995 ist Erika Runge hauptberuflich als Psychotherapeutin tätig. Auch nach den Umwälzungen in Osteuropa ist sie nach wie vor in linken Organisationen engagiert.

Neben ihrer filmischen Arbeit verfasste Erika Runge mehrere Bände mit sozialkritischen Reportagen, in denen vom Strukturwandel der 1960er Jahre betroffene Bürger der Ruhrgebietsstadt Bottrop, Angehörige der beginnenden Frauenbewegung der späten 1960er Jahre und Einwohner der DDR-Stadt Rostock zu Wort kommen. Runges Werke stellen sich als wortwörtliche Wiedergabe der Interviews dar und gelten als Klassiker der dokumentarischen Literatur. Allerdings gab sie einige Jahre nach Veröffentlichung der Bottroper Protokolle zu, die Beiträge überarbeitet zu haben.[1]

Bereits 1976 erklärte Runge ihren Abschied von der Dokumentarliteratur und kündigte an, in künftigen Werken ihre literarische Fantasie zum Zug kommen zu lassen. Allerdings veröffentlichte sie 1987 nochmals einen dokumentarischen Band mit „Protokollen“; das angekündigte erzählerische Werk ist bis heute nicht erschienen.

Mitgliedschaften und Auszeichnungen

Erika Runge ist Mitglied des Verbandes Deutscher Schriftsteller, des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste. Sie erhielt u. a. folgende Auszeichnungen: 1968 den Preis der deutschen Filmkritik und den Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, 1970 den Förderpreis für Literatur der Stadt München, 1971 den Ernst-Reuter-Preis sowie 1983 den Preis der Frankfurter Autorenstiftung.

Werke

  • Vom Wesen des Expressionismus im Drama und auf der Bühne, München 1963
  • Bottroper Protokolle, Frankfurt am Main 1968
  • Frauen, Frankfurt am Main 1969
  • Reise nach Rostock, DDR, Frankfurt am Main 1971
  • Zum Beispiel Bottrop ..., Oberhausen 1971 (zusammen mit Werner Geifrig)
  • Ich heiße Erwin und bin 17 Jahre, Stuttgart 1973
  • Südafrika - Rassendiktatur zwischen Elend und Widerstand, Reinbek bei Hamburg 1974
  • Kinder in Kreuzberg, Berlin 1979 (zusammen mit Wolfgang Krolow)
  • Berliner Liebesgeschichten, Köln 1987

Filmographie

  • 1970: Ich heiße Erwin und bin 17 Jahre
  • 1973: Ich bin Bürger der DDR
  • 1975: Michael oder Die Schwierigkeiten mit dem Glück
  • 1975: Opa Schulz
  • 1987: Lias Traum vom Glück

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Horst Dieter Schlosser: dtv-Atlas zur deutschen Literatur, dtv, München 1994, S. 275.

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