Esther Béjarano

Esther Béjarano

Esther Bejarano (* 15. Dezember 1924 in Saarlouis als Esther Loewy) ist zusammen mit Anita Lasker-Wallfisch die letzte bekannte Überlebende des Mädchenorchesters von Auschwitz.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Esther wurde als Tochter des Oberkantors einer jüdischen Gemeinde geboren. Der Vater weckte das Interesse seiner Tochter für Musik und Esther erlernte das Klavierspiel. 1936 zog die Familie nach Ulm.

Als 15-jährige musste sie sich von ihren Eltern trennen, um sich auf die Auswanderung nach Palästina vorzubereiten. Doch daraus wurde zunächst nichts.

1941 wurde sie ins Zwangsarbeitslager Neuendorf, bei Fürstenwalde/Spree verbracht. Dort leistete sie zwei Jahre Zwangsarbeit in einer Fürstenwalder Gärtnerei. Am 20. April 1943 wurden alle Insassen des Arbeitslagers mit weiteren über 1.000 jüdischen Menschen aus dem Berliner Sammellager in der Großen Hamburger Straße mit Viehwaggons nach Auschwitz deportiert. Hier musste sie in einem Arbeitskommando Steine schleppen, bis sie sich zu dem Mädchenorchester von Auschwitz meldete, das neu aufgestellt wurde. Hier spielte sie Akkordeon.

Das Orchester hatte die Aufgabe, zum täglichen Marsch der Arbeitskolonnen durch das Lagertor aufzuspielen. Sie überlebte Auschwitz auf diese Art und wurde ins KZ Ravensbrück verbracht. Auf einem Todesmarsch 1945 konnte sie fliehen.

Sie wanderte nach Palästina aus und kehrte später nach Deutschland zurück. Gemeinsam mit Tochter Edna und Sohn Joram gründete sie Anfang der 1980er Jahre die Gruppe 'Coincidence' mit Liedern aus dem Ghetto und jüdischen sowie antifaschistischen Liedern.

Esther Bejarano lebt heute in Hamburg.

Zum Eklat kam es am 31. Januar 2004, als sie in Hamburg an einer Demonstration gegen einen Nazi-Aufmarsch teilnahm und die Polizei nach Angaben Béjaranos mit einem Wasserwerfer direkt auf den Wagen zielte, in dem die damals 79-jährige saß. [1]

Sie ist Mitbegründerin und Vorsitzende des Auschwitzkomitees, Ehrenvorsitzende der VVN-BdA[2] und Trägerin der Carl-von-Ossietzky-Medaille. Anlässlich ihres 70. Geburtstags wurde sie 1994 vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg mit der Biermann-Ratjen-Medaille für ihre künstlerischen Verdienste um die Stadt Hamburg geehrt.

Im Oktober 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse geehrt.[3] In der Begründung heißt es: „Viele ihrer Familienangehörigen wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Sie überlebte, weil sie im KZ Auschwitz Aufnahme in das Mädchenorchester fand und später im Frauen-KZ Ravensbrück Zwangsarbeit leistete. Es ist ihr ein wichtiges Anliegen, besonders junge Menschen über den Nazi-Terror und den Rechtsextremismus aufzuklären.“

Im April 2008 wurde das gemeinsame Album “Per La Vita” (Für das Leben) von Esther, Edna sowie Joram Bejarano und Microphone Mafia veröffentlicht.

Zitate

Ich hatte großes Glück, dass in dem Block, in dem ich übernachtete, eines Abends Frau Tschaikowska, eine polnische Musiklehrerin, nach Frauen suchte, die ein Instrument spielen konnten. Die SS befahl ihr, ein Mädchenorchester aufzustellen. Ich meldete mich, sagte, dass ich Klavier spielen könne. Ein Klavier haben wir hier nicht, sagte Frau Tschaikowska. Wenn du Akkordeon spielen kannst, werde ich dich prüfen. Ich hatte nie zuvor ein Akkordeon in der Hand. Ich musste alles versuchen, um nicht mehr Steine schleppen zu müssen. Ich sagte ihr, dass ich auch Akkordeon spielen könne. Sie befahl mir, den deutschen Schlager "Du hast Glück bei den Frauen, Bel Ami" zu spielen. Ich kannte diesen Schlager, bat sie um ein paar Minuten Geduld, um mich wieder einzuspielen. Es war wie ein Wunder. Ich spielte den Schlager sogar mit Akkordbegleitung und wurde gemeinsam mit zwei Freundinnen in das Orchester aufgenommen.

Die Funktion des Mädchenorchesters in Auschwitz-Birkenau war, am Tor zu stehen und zu spielen, morgens, wenn die Arbeitskolonnen ausmarschierten und abends, wenn sie ins Lager zurückkamen. Wir alle hatten ein schlechtes Gewissen, weil wir sozusagen halfen, dass die Gefangenen im Gleichschritt marsch, marsch, nach unserer Musik marschieren mussten.

Aber es kam noch schlimmer. Die SS befahl uns, am Tor zu stehen und zu spielen, wenn neue Transporte ankamen in Zügen, in denen unzählige jüdische Menschen aus allen Teilen Europas saßen, die auf den Gleisen fuhren, die bis zu den Gaskammern verlegt wurden und die alle vergast wurden. Die Menschen winkten uns zu, sie dachten sicher, wo die Musik spielt, kann es ja nicht so schlimm sein. Das war die Taktik der Nazis. Sie wollten, dass all die Menschen ohne Kampf in den Tod gehen. Wir aber wussten, wohin sie fuhren. Mit Tränen in den Augen spielten wir. Wir hätten uns nicht dagegen wehren können, denn hinter uns standen die SS-Schergen mit ihren Gewehren.

Literatur

  • Esther Bejarano, Birgit Gärtner: Wir leben trotzdem: Esther Bejarano – vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Künstlerin für den Frieden. Pahl-Rugenstein, Bonn 2005, ISBN 3-89144-353-6.
  • "Damit nie wieder geschehe, was damals geschah" in "Perlensau - Ausgewählte Gedichte" (Leander Sukov) ISBN 978-3-940274-06-9

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Neues Deutschland vom 3. Februar 2004 „Das Ganze war wie ein Albtraum“
  2. Bericht vom Bundeskongress der VVN-BdA 2008
  3. http://dokmz.wordpress.com/2008/10/06/vvn-bda-e-v-aktuelles-bundesverdienstkreuz-fur-esther-bejarano/

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