Ethnozentrismus

Ethnozentrismus

Ethnozentrismus bezeichnet in der Sozialpsychologie und der Soziologie die Tendenz, dass Menschen ihre Mitmenschen im Allgemeinen an dem eigenen Lebensstil messen und beurteilen. Dabei werden im Allgemeinen die (vorgeblichen) Merkmale der Eigengruppe (eigene Rasse, Kultur, Gesellschaft, usw.) als die höherwertigen wahrgenommen.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft des Begriffs

Ethnozentrische Einstellungen und Verhaltensweisen äußern sich in vielfältiger Weise; etwa in der Mythologie oder generell in einer herablassenden Behandlungsweise von Fremdem, dessen Minderwertigkeit fraglos als gültig unterstellt wird.

Der Begriff wird zurückgeführt auf den US-amerikanische Soziologen William Graham Sumner (1840-1910), der in seinem Buch Folkways: a study of the sociological importance of usages, manners, customs, mores, and morals "Ethnozentrismus" so definierte:

”Ethnocentrism is the technical name for this view of things in which one’s own group is the center of everything, and all others are scaled and rated with reference to it.” [1]

Sumner vertrat den Sozialdarwinismus[2]. Somit sprach er dem Ethnozentrismus eine stabilisierende Funktion zu, für die Eigengruppe gegenüber der Fremdgruppe, vor allem weil er die besondere Eigentümlichkeit der Gebräuche und dadurch die Gruppenzugehörigkeit in der Abgrenzung zu anderen verstärke.

Auftreten

Die Tendenz zum Ethnozentrismus ist in den universellen Bedingungen menschlichen Wahrnehmungsverhaltens angelegt; das behaupten etwa Theorien der sozialen Kognition, wie speziell etwa die Theorie des sozialen Vergleichs (Bezugsgruppentheorie). In der Sozialbiologie und in der Evolutionstheorie werden positive (arterhaltende) Funktionen des Ethnozentrismus angenommen.[3]

Die für die betreffende Person negativen Konsequenzen (etwa Wahrnehmungsverzerrungen oder Lernhindernisse) sowie sozial und/oder politisch unerwünschten Folgekosten[4] werden in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt vor allem im Bereich der sozialen Vorurteile, der selbsterfüllenden Prophezeiung sowie der sozialen Konflikte, insbesondere wenn es um Probleme im Umgang mit interkulturellen Kontakten geht. Hier steht Ethnozentrismus in Verbindung mit Erscheinungen des Rassismus, Nationalismus, der Segregation oder der Fremdenfeindlichkeit.

Der Ethnozentrismus ist ein wesentlicher methodologischer Gesichtspunkt zur Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität in der ethnologischen Forschung. Kulturanthropologen sehen in ihm eine Quelle für mögliche Wahrnehmungsverzerrungen und Beurteilungsfehler des Forschungspersonals, vor allem bei der Feldforschung in fremden Kulturen. Franz Boas setzte dem Ethnozentrismus die These des Kulturrelativismus entgegen, Bronisław Malinowski die Perspektive des Funktionalismus.

Gegen-Konzepte

In jüngster Zeit werden unter der Überschrift Interkulturalität auf Grundlage der Theorien von Alfred Schütz und Thomas Luckmann, Erving Goffman, Jan Assmann u. a. Verfahrensweisen erarbeitet, die Verständigung zwischen den Angehörigen verschiedener Kulturen erleichtern sollen. Die "Interkulturelle Wirtschaftskommunikation" wendet diese Techniken auf Unternehmensangelegenheiten an. Wesentlich sind hierbei Konzepte zum Interkulturellen Lernen. Auf der Umsetzung solcher Konzepte ruht die Hoffnung auf langfristiger Vermeidung von Konflikten zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen – gerade an Schulen. Das kritische Erkennen und Akzeptieren des eigenen unvermeidlichen Ethnozentrismus („aufgeklärter Ethnozentrismus") und das Erlernen Interkultureller Kompetenz soll helfen in einer Multikulturellen Gesellschaft das Miteinanderleben erträglich zu machen.

Siehe auch

Einzelbelege

  1. William Graham Sumner: Folkways 1906, S. 13
  2. Richard Hofstadter: William Graham Sumner, Social Darwinist. The New England Quarterly, Vol. 14, No. 3 (Sep., 1941), S. 457–477
  3. Donald T. Campbell: Variation and selective retention in socio-cultural evolution. In: Herbert R. Barringer, George I. Blanksten and Raymond W. Mack (Hg.): Social change in developing areas: A reinterpretation of evolutionary theory. Cambridge, Mass. : Schenkman 1965, S. 19–49; Chad Joseph McEvoy : A Consideration of the Sociobiological Dimensions of Human Xenophobia and Ethnocentrism. 1995.
  4. Jiri Spendlingwimmer: Die negativen Auswirkungen des Ethnozentrismus und deren Vermeidung. (2008) Diplomarbeit, Universität Wien.

Literatur

Weblinks


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