Euthyphron

Euthyphron
Der Anfang von Platons Euthyphron in der Ausgabe von Henricus Stephanus, Seite 2. Der Text ist zweisprachig, links Latein, rechts Griechisch. Am äußeren Rand der Seite stehen Kommentare von Stephanus.

Euthyphron gehört zu den Frühdialogen Platons und entstand nach 399 v. Chr. Er bildet zusammen mit der Apologie des Sokrates und den Dialogen Kriton und Phaidon die erste Tetralogie der platonischen Werke.

Inhalt

Auf dem Weg zum Gerichtsgebäude begegnet Sokrates, der wegen der von Meletos eingereichten Klage gekommen ist, dem Wahrsager Euthyphron. Der will seinen eigenen Vater verklagen, weil dieser einen seiner Arbeiter, der einen anderen in einer Rauferei erschlug, in eine Grube werfen ließ, wo der Knecht starb, bevor ein um Rat an die Behörde gesandter Bote zurückkehrte.

Das Gespräch dreht sich im Zusammenhang mit diesem Anlass um das Wesen der Frömmigkeit. Sokrates fragt Euthyphron, was das Gottgemäße und was das Gottlose sei. Nach Euthyphron ist das den Göttern Gefällige fromm; Sokrates entgegnet aber, dass die Götter nicht in allem übereinstimmen. Fromm wäre also, was allen Göttern gefällt, gottlos, was allen Göttern verhasst ist, gleichgültig, was einzelne Götter lieben, andere hassen. Doch trifft auch das nicht zu. Die Götter lieben den Frommen deshalb, weil dieser fromm ist, und er ist nicht deshalb fromm, weil die Götter ihn lieben. Die Frömmigkeit ist ein Teil der Gerechtigkeit, und zwar jener Teil, der sich auf die Behandlung der Götter, d. h. auf ihren Dienst bezieht; weiter ist sie jenes Wissen, das auf Gebete und Opfer gerichtet ist, also die Kunst des Handels zwischen Menschen und Göttern. Dies kann jedoch nicht der Fall sein, da dann die Götter nichts hätten von diesem Handel - die Menschen jedoch alles Gute, das die Götter ihnen geben. Das Ende des Dialogs ist ergebnislos und vom Ganzen bleibt nur so viel, dass die Frömmigkeit ein Teil, eine Erscheinung der Tugend ist.

Im Ganzen herrscht ein ziemlich ironischer Ton gegenüber dem die Gottesfurcht und die sittliche Pflicht ohne tieferes Verständnis, sinnblind auffassenden Euthyphron, dessen Vorgehen auch von seiner Verwandtschaft missbilligt wird; mitunter fällt eine anzügliche Bemerkung oder ein Seitenhieb gegen die Feinde des Sokrates, besonders gegen Meletos, im Zusammenhang mit dem angehenden Prozess. Und eben gegenüber der äußerlichen, formalistischen Frömmigkeit des Euthyphron stellt Sokrates die Forderung, dass jene eine Gestalt, jenes eine Wesen zu finden sei, das alles, was fromm ist, zum Frommen macht: zu diesem Zwecke genüge es nicht, ein oder zwei Fälle der Frömmigkeit aufzuzählen, denn an diesen wird das Wesen noch nicht unbedingt offenbar.

Während zwar auch Euthyphron in der Aporie endet, weist Platon in diesem Dialog zum ersten Mal darauf hin, dass die Aporien bei der Bestimmung eines allgemeinen Begriffs überwunden werden könnten. Die Ideenlehre wird bereits angedeutet, wenn auch noch nicht explizit ausgeführt.

Literatur

Weblinks


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