- Akkord-Skalen-Theorie
-
Die Akkord-Skalen-Theorie (kurz: AST)ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Harmonielehre. Die AST bietet dem (improvisierenden) Musiker (etwa dem Jazz) ein Hilfsmittel, Akkorden die passenden Skalen (Tonleitern) zuzuordnen (und umgekehrt). Sie besagt, dass zwischen den Skalen und den Akkorden eine sehr enge Wechselbeziehung besteht.Sie wurde maßgeblich von dem Berklee College of Music ausgebaut und weiterentwickelt.
Grundlage: Die tonale Harmonik
Bei Akkorden sind die Töne üblicherweise in Terzen geschichtet und erklingen gleichzeitig, während sie bei Skalen in Sekunden angeordnet sind und hintereinander gespielt werden. Wenn man voraussetzt, dass der Basiston des Akkords mit dem Grundton der dazugehörigen Skala identisch ist, dann lässt der Akkord sich als "Skalenausschnitt" betrachten: Er lässt nur bestimmte Töne aus, die die Skala zusätzlich enthält. Eigentlich aber ist er mit dieser identisch.
Das zeigt ein einfaches Experiment: Führt man die Terzschichtung vom Grundton einer Skala aus mit leitereigenen Tönen weiter, dann enthält der siebenstimmige Akkord bereits sämtliche Töne der ihm zugeordneten Skala. Diese lässt sich also als Akkord darstellen, wie auch umgekehrt der Akkord als Tonleitersymbol darstellbar ist. Beispiel:
Der leitereigene Vierklang auf der Tonika der C-Dur-Tonleiter heißt Cmaj7 und enthält die Töne c, e, g und h. ("h" entspricht der deutschen Bezeichnung, während derselbe Ton im englischsprachigen Raum "b" genannt wird: mehr siehe dazu Standard Chord Symbol Notation und Anderssprachige Tonbezeichnungen.) Fügt man diesem Akkord weitere Terzen, also die Töne d, f und a hinzu, dann enthält der sich ergebende Klang alle sieben Töne der C-Dur-Skala. Bezeichnet werden die zusätzlichen Töne als Stufen 9, 11 und 13 über dem Basiston c = "1": Demgemäß lautet das Akkordsymbol Cmaj7/9/11/13.
Dabei wird ein tonales Zentrum angenommen. Dieser Grundtonbezug ist für beide, Akkorde wie Skalen, entscheidend: Sonst wäre die Zuordnung einer bestimmten Skala zu einem vorgegebenen Akkord oder umgekehrt nicht eindeutig möglich. Baut man einen Akkord nicht nur aus Tönen einer einzigen Tonleiter auf, dann wird der Grundton tendenziell mehrdeutig. Schichtet man z. B. die Töne c - e - g - h - d zu einem Fünfklang, dann erscheint c als Grundton der dazugehörigen Tonleiter. Führt man die Terzschichtung aber im Wechsel von großer und kleiner Terz fort, dann wäre die nächste Terz über d der Ton Fis, nicht F. Fis ist aber kein leitereigener Ton von C-Dur mehr, so dass der Akkord diese Tonleiter als Basis verlassen hätte.
Dies stellt zunächst nur den Grundton, nicht jede Tonalität in Frage. So gehen manche Jazz-Harmoniker davon aus, dass dem mit einer erhöhten 4. Stufe erweiterten Dur-Akkord (in C-Dur: der Ton Fis statt F) dann eben die lydische Skala (c-d-e-fis-g-a-h-c) zu Grunde liegt. Deren eigentlicher Grundton wäre dann aber nicht mehr C, sondern G, da "Lydisch" gemäß der Akkordskalentheorie der IV. Stufe einer Durtonleiter zugeordnet ist.
Setzt man die Schichtung im Wechsel von großen und kleinen Terzen über einem Basiston einer Dur-Tonleiter konsequent fort, dann ließe sich so daraus der komplette "rechtsdrehende" Quintenzirkel in Dur ableiten (C-G-D-A-E-H-Fis-Cis-Gis-Dis-Ais-Eis-His=C) Daraus ergibt sich, dass die Akkord-Skalen-Theorie auf dem Dur-Moll-System beruht, wobei Moll hier auf Natürlich-Moll begrenzt ist.
Im Sinne dieser Theorie eindeutige Akkorde bestehen eigentlich aus Vierklängen über einem Basiston (in C-Dur: den Tönen c-e-g-h). Die weiteren Terzen (in C-Dur: die Töne d-fis-a) werden daher auch "Optionen" genannt. Manche Jazz-Harmonielehren definieren sogar nur den Dreiklang (in C-Dur: c-e-g) als Grundakkord und beziehen schon die Septime (die 3. Terz über dem Basiston, in C-Dur: h) in die optionalen Zusatztöne ein.
Wichtig ist noch zu sagen, dass verschiedene Jazzmusiker verschiedene Ansätze verfolgen, wenn sie Improvisation vermitteln wollen. Mancher stellt sich Changes als Akkorde (Vierklänge) mit möglichen Tensions vor (9,11,13), andere denken hingegen direkt in den Skalen, welches nur eine andere Sichtweise ist. Theoretisch gibt es zu jeder Kombination aus Grundakkord und Tensions eine Skala, ableitbar aus den bekannten Dur/Moll-Leitern sind aber nur einige davon. Alles weitere sind vorerst Gedankenkonstrukte, welche keinen Bezug zu bekannten Strukturen haben, aber für das Ohr durchaus interessant sein können. Besonders im modernen Jazz finden solche Harmonien und Skalen ihr Anwendungsgebiet.
Siehe auch
Literatur
- Jamey Aebersold: Ein neuer Weg zur Jazz Improvisation, Advance Music, 1996
- Carlo Bohländer: Harmonielehre, Schott, 1961
- Wolf Burbat: Die Harmonik des Jazz, dtv Bärenreiter, ISBN 3-423-30140-6
- Richard Graf, Barrie Nettles: Die Akkord-Skalen-Theorie und Jazz-Harmonik, Advance Music, ISBN 3-89221-055-1
- Frank Haunschild: Die neue Harmonielehre, Band I. 1997. ISBN 3927190004
- Axel Jungbluth: Jazz-Harmonielehre, Schott, 1981
- Frank Sikora: Neue Jazz Harmonielehre. Schott Music, 2003. ISBN 3-7957-5124-1 (mit 2 CDs)
- Joe Viera: Grundlagen der Jazzharmonik, universal edition, 1980
Wikimedia Foundation.