Fenstersanierung

Fenstersanierung
Fensterbestand in einem Baudenkmal. Links: nicht denkmalgerechte Fenstersanierung. (Austausch des historischen Fensterbestandes durch einflügelige, dicht schließende „Einhand-Dreh-Kipp-Fenster“). Rechts: historischer Fensterbestand. (Zwei Flügel mit Oberlicht.)

Der Begriff Fenstersanierung wird heute allgemein verwendet wenn es um den Austausch oder die Modernisierung von Fenstern oder Fensterbeständen geht[1], die heutigen Ansprüchen und Standards hinsichtlich des Wärme- bzw. Schallschutzes und des Komforts nicht mehr entsprechen. Bei einer Fenstersanierung soll die Luftdichtheit verbessert sowie der Wärmedurchgangskoeffizient oder die Schallübertragung verringert werden.[2] Die Maßnahmen der Sanierung können sich dabei auf sämtliche Bauteile des Fensters (also Glas, Rahmen und Bauanschluss) erstrecken. Sie dienen dazu, die bauliche Substanz durch technische und funktionale Veränderungen an moderne Ansprüche anzupassen.[3] Diese Maßnahmen stellen irreversible Eingriffe in die Bausubstanz dar und sind mit dem Denkmalrecht der Bundesländer an Baudenkmälern nicht vereinbar. Fensterbestände, die unter Denkmalschutz stehen, müssen nach den Grundsätzen und Maßstäben der Fensterinstandsetzung erhalten werden.[3] Die Fenstersanierung ist von der Fensterinstandsetzung zu unterscheiden. Sanierungen im Bestand unterliegen meistens dem aktiven Bestandsschutz. Den Sanierungsmaßnahmen muss eine Bestandsaufnahme vorausgehen.[4]

Inhaltsverzeichnis

Begriffsabgrenzung

Irreversible Eingriffe in die historische Bausubstanz, die der energetischen Sanierung, der Funktionsverbesserung oder einem modernen Nutzungsanspruch dienen, werden heute im allgemeinen Sprachgebrauch als Fenstersanierung bezeichnet. Vor dem Jahr 2000 wurde der Begriff Sanierung in der Fachliteratur zur Denkmalpflege noch verwendet.[5] Heute ist diese Bezeichnung im Rahmen der Denkmalpflege kaum noch gebräuchlich. Die Bezeichnung Fensterinstandsetzung und ihre häufigste praktische Umsetzung, die Fensterrestaurierung, sind inzwischen an die Stelle des Begriffs Fenstersanierung getreten. Dieser Bedeutungsverschiebung zufolge sind die meisten Maßnahmen, die heute als Fenstersanierung bezeichnet werden, nicht mehr im Sinne der Denkmalpflege[1] und mit den Grundsätzen des Denkmalschutzes gemäß der Charta von Venedig und des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, sowie mit den Denkmalschutzgesetzen der Bundesländer vereinbar.[3][6] Fensterinstandsetzung wird heute im Zusammenhang mit Denkmalschutz und Denkmalpflege als der allgemeine Überbegriff für eine Reihe von Maßnahmen der Bestandserhaltung gebraucht.[7][3] Für Gebäude oder Fassaden, die unter Denkmalschutz stehen, kommt nach den genannten Grundsätzen und Denkmalschutzgesetzen nur die Fensterinstandsetzung in Frage.[1]

Fenstersanierung im Altbau

Näheres zum Eingriff in die bauphysikalischen Eigenschaften historischer Fenster im Hauptartikel Fensterinstandsetzung

Muster für die Fenstersanierung im industriellen Maßstab.
Nicht denkmalgerechte Fenstersanierung in einem unter Denkmalschutz stehenden Altbau.

Um den hohen Wärmeschutzanforderungen, wie sie in Deutschland beispielsweise die Energieeinsparverordnung (EnEV) vorschreibt, gerecht zu werden, müssen neue Fenster eine hohe Luftdichtheit aufweisen, die wiederum durch geeignete Dichtungen sichergestellt wird.Die Wärmeleitfähigkeit von Fenstern im Bestand kann durch verschiedene Maßnahmen gesenkt werden. Dieses Ziel kann z.B. durch spezielle Wärmedämmbeschichtungen auf den Fensterscheiben (beispielsweise Zinnoxid, Silber oder Gold) und einer Gasfüllung im Scheibenzwischenraum erreicht werden. Zur Verbesserung des Schallschutzes, können die Fensterscheiben besonders schwer ausgebildet werden. Der Scheibenaufbau kann ebenfalls asymmetrisch ausgebildet und der Scheibenzwischenraum ggf. mit einem schwerem Gas (früher beispielsweise Schwefelhexafluorid) gefüllt werden.[8]

Einbau neuer Fenster im Altbau

Der Austausch älterer Fenster (Einfachfenster mit Normalglas und Kastenfenster) durch moderne Fenster mit niedrigeren U-Werten wirkt sich nicht nur auf den Wärmeschutz aus, sondern beeinflusst in erheblichem Maße den Feuchtehaushalt von Altbauten und Altbauwohnungen. Da Einfachfenster den Feuchtigkeitsgehalt von Räumen als so genannte „Sollkondensatoren‟ regulieren, indem sie Schwitzwasser ableiten, kondensiert nach einem Fensteraustausch überschüssige Feuchtigkeit der Raumluft an Aussenwänden. Der dadurch verursachte Befall von Schimmel wird erst nach mehreren Monaten sichtbar und stellt ein großes Problem der Altbausanierung dar. [9][10][11] Deshalb gilt die Regel, dass der U-Wert von Fenstern nicht niedriger sein darf als derjenige der Außenwände. Um dieser Regel zu entsprechen wird beim Austausch historischer Fenster darauf hingewiesen, dass gleichzeitig eine Dämmung der Fassade erforderlich ist.[7] Der Zentralverband des Deutschen Handwerks weist auf die Problematik von Eingriffen in die bauphysikalischen Gegebenheiten historischer Gebäude hin: „Wenn historische Gebäude den Anforderungen der EnEV entsprechend luftdicht aufgerüstet werden, z. B. durch den Einbau von modernen Isolierglasfenstern und innenseitigen Vorsatzschalen vor den Außenwänden, kann es zu kritischen relativen Raumluftfeuchten von über 50 Prozent in den kalten Wintermonaten kommen. Bei Außenbauteilflächen mit geringem Wärmedurchgangswiderstand, also schlechter Wärmedämmeigenschaft, ist Schimmelpilzbefall die Konsequenz dieser vermeintlichen Energiesparmaßnahme. (...) Das Dilemma der Energieeinsparverordnung in Bezug auf Baudenkmale und erhaltenswerte Bausubstanz ist, dass sie alte Gebäude mit der Philosophie für zeitgemäße, umweltgerechte Neubauten konfrontiert. Für das Baudenkmal jedoch bedeutet die uneingeschränkte Anwendung der modernen Dämmstrategien Risiken und Schäden bis hin zum Totalverlust einzelner Bauteile.“ (Zentralverband des Deutschen Handwerks: Viel Konfliktpotential: Denkmalpflege gegen Klimaschutz) [12]

Austausch von historischen Scheiben durch Isolierglasscheiben

Blind gewordene Isolierscheiben in „saniertem“ historischem Fenster.
Muster für den Austausch von historischen Scheiben mit Isolierglasscheiben in historischem Fenster.

Mit dem Austausch von historischen Scheiben durch Isolierglasscheiben in historischen Fenstern soll eine Energieeinsparung bewirkt werden ohne das äußere und innere Erscheinungsbild eines Gebäudes zu verändern. Der energetische Nutzen dieses irreversiblen Eingriffs in die Substanz historischer Fenster ist umstritten. Die Maßnahme widerspricht zudem den Grundsätzen der Charta von Venedig und den Denkmalpflegerischen Grundsätzen für die Fenstererhaltung, wie sie die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland 1991 formuliert hat.[7] Isolierglas hat eine begrenzte Lebensdauer, da schon nach der DIN 18545-1 (Abdichten von Verglasungen mit Dichtstoffen; Anforderungen an Glasfalze) eine Leckage der Dichtung zwischen den einzelnen Scheiben zulässig ist. Verschiedene Faktoren, wie UV-Strahlung, Schwitzwasser, mechanische und thermische Beanspruchungen, aber auch chemische Reaktionen zwischen Fensterkitt und Randverbund der Isolierglasscheiben haben diese blind werden lassen. Diese Schäden waren der Grund dafür, dass solche Maßnahme von Seiten des Denkmalschutzes verworfen wurden.[5] Die Glasindustrie hat auf die Mängel reagiert und spezielle Verfahren entwickelt, die das Anfallen von Schwitzwasser am Randverbund verhindern soll. Dennoch steht diese Maßnahme im Widerspruch zur Reversibilität jedes Eingriffs in historische Substanz gemäß den Grundsätzen der Denkmalpflege. Auf Isolierglasscheiben wird in Deutschland generell eine Gewährleistung von 5 Jahren (Stand 2011) gegeben. Zum Einbau der Scheiben muss der Glasfalz tiefer gefräst werden, da Isolierglasscheiben wesentlich stärker dimensioniert sind. Dieser Eingriff ist im Sinne des Denkmalschutzes irreversibel und schwächt zudem die Tragfähigkeit der Fensterflügel. Isolierglasscheiben haben bei der kleinstmöglichen Scheibenstärke von 3 mm mindestens das doppelte Gewicht der historischen Scheiben (3 mm starkes Glas wiegt ca. 7,5kg/m², Zweischeiben-Isolierglas wiegt ca. 15,5 kg/m², mit Schallschutzwirkung ca. 18 kg/m²[13]). Aufgrund der statischen Gegebenheiten ist das historische Material und die Konstruktionsweise historischer Fenster für ein solches Gewicht und einen solchen Eingriff nicht konzipiert.[5] Zur Stabilisierung des geschwächten Rahmens werden die ursprünglich unverleimten Eckverbindungen der Flügelrahmen verleimt, was eine zukünftige Restaurierung der Fenster unrentabel macht.[1] Da die ursprünglich bestehende Reparaturfähigkeit historischer Fenster nach einem solchen Eingriff nicht mehr gegeben ist, steht diese Sanierungsmethode nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Substanzerhaltung und Reversibilität und kommt nicht für Fensterbestände in Frage, die unter Denkmalschutz stehen.[7][5]

Fenstersanierung und Energieeinsparverordnung

Laut Energieeinsparverordnung kann nicht nur für Baudenkmäler, sondern auch für „besonders erhaltenswerte Bausubstanz“ eine Ausnahmeregelung gemäß § 24 EnEV (Ausnahmen)[14] in Anspruch genommen werden: „(1) Soweit bei Baudenkmälern oder sonstiger besonders erhaltenswerter Bausubstanz die Erfüllung der Anforderungen dieser Verordnung die Substanz oder das Erscheinungsbild beeinträchtigen oder andere Maßnahmen zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand führen, kann von den Anforderungen dieser Verordnung abgewichen werden.“[15] Gemäß § 25 EnEV (Befreiungen)sind in der Altbausanierung Befreiungen von der EnEV aufgrund der Unwirtschaftlichkeit der Maßnahmen möglich: „(1) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden haben auf Antrag von den Anforderungen dieser Verordnung zu befreien, soweit die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen. Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer, bei Anforderungen an bestehende Gebäude innerhalb angemessener Frist durch die eintretenden Einsparungen nicht erwirtschaftet werden können.“[16]
§ 5 Energieeinsparungsgesetz[17] (EnEG) beinhaltet die Gesetzesgrundlage der Befreiung gemäß § 25 EnEV.

Einzelnachweise

  1. a b c d Tobias Huckfeldt, Hans-Joachim Wenk: Holzfenster - Konstruktion, Schäden, Sanierung, Wartung. Köln 2009, S. 260, ISBN 978-3-481-02504-5
  2. Jörg Böhning, Heinz Schmitz: Altbaumodernisierung im Detail. Verlagsges. Müller, 2005, ISBN 3-4810-2228-X.
  3. a b c d Wolf Schmidt: Reparatur historischer Holzfenster. In: Denkmalpflege Informationen. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München 2004, S. 21, ISSN 1617-3147
  4. Ernst Neufert: Baufentwurfslehre, Braunschweig/Wiesbaden 1996, S. 272, ISBN 3-528-68651-0
  5. a b c d Gerner, Manfred; Gärtner, Dieter: Historische Fenster. Entwicklung, Technik, Denkmalpflege. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1996 ISBN 3-421-03104-5
  6. Michael Petzet: Grundsätze der Denkmalpflege. Denkmalpflege Informationen. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege. München 1987
  7. a b c d Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland. Arbeitsblatt 8, Hinweise für die Behandlung historischer Fenster bei Baudenkmälern, Wiesbaden, 1991
  8. Frey, August, Günter: Bautechnik Fachkunde Bau. 10. Auflage Europa Lehrmittelverlag, 2003, ISBN 3-8085-4460-0.
  9. http://www.khries.de/index.php/component/content/article/39-fachwissen/66-feuchtigkeitsschaeden-und-schimmelpilze
  10. Claus Arendt et.al.: Fenstersanierung, Arbeitskreis Bautechnik der Vereinigung der Denkmalpfleger, München 1984, S.17
  11. Martim Saar: Lüftung in Altbauten, Arbeitsblätter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, München 2002, S.2
  12. http://www.zdh.de/presse/beitraege/archiv-beitraege/viel-konfliktpotential-denkmalpflege-gegen-klimaschutz.html
  13. http://www.glas-fritz.de/html/abc.html
  14. http://www.denkmalpflege-forum.de/Download/Nr25.pdf
  15. http://www.gesetze-im-internet.de/enev_2007/__24.html
  16. http://www.gesetze-im-internet.de/enev_2007/__25.html
  17. http://www.gesetze-im-internet.de/eneg/__5.html

Literatur

  • Jörg Böhning, Heinz Schmitz: Altbaumodernisierung im Detail. Verlagsges. Müller, 2005, ISBN 3-4810-2228-X
  • Tobias Huckfeldt, Hans-Joachim Wenk: Holzfenster - Konstruktion, Schäden, Sanierung, Wartung. Köln 2009, ISBN 978-3-481-02504-5
  • Wolf Schmidt: Reparatur historischer Holzfenster. In: Denkmalpflege Informationen. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München 2004, ISSN 1617-3147
  • Michael Petzet: Grundsätze der Denkmalpflege. Denkmalpflege Informationen. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege. München 1987
  • Hans-Rudolf Neumann: Fenster im Bestand: Grundlagen der Sanierung in Theorie und Praxis. Expert-Verlag, Renningen 2003
  • August Günter Frey: Bautechnik Fachkunde Bau. 10. Auflage Europa Lehrmittelverlag, 2003, ISBN 3-8085-4460-0.
  • F. Schleicher:Taschenbuch für Bauingenieure, Bd. 1, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955
  • K. Gösele, B. Lakatos: Schalldämmung von Fenstern und Verglasungen. Deutsches Architektenblatt 1979
  • Manfred Gerner, Dieter Gärtner: Historische Fenster. Entwicklung, Technik, Denkmalpflege. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1996 ISBN 3-421-03104-5
  • Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland. Arbeitsblatt 8, Hinweise für die Behandlung historischer Fenster bei Baudenkmälern, Wiesbaden, 1991
  • Otfried Rau, Ute Braun: Der Altbau. Renovieren, Restaurieren, Modernisieren. Leinfelden-Echterdingen 1991, ISBN 3-87422-613-1
  • Ernst Neufert: Baufentwurfslehre, Braunschweig/Wiesbaden 1996, ISBN 3-528-68651-0

Weblinks

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