Feuerlauf

Feuerlauf

Beim Feuerlauf laufen Teilnehmer (Feuerläufer) barfuß über einen Laufsteg aus glühenden Holzkohlestücken (gemessen wurden ca. 240 bis 450 °C) oder heißen Steinen (mit geringer Wärmekapazität). In Vorbereitung auf den Lauf versetzen sich rituelle Feuerläufer oft in einen Trancezustand. Feuerläufe werden heute vielfach auch im Rahmen von (kommerziellen) Motivations- und Selbsterfahrungslehrgängen durchgeführt.

Für das Jahr 2001 verzeichnet das Guinness-Buch der Rekorde einen Feuerlauf, bei dem 22 Menschen im Alter von 7 bis 80 Jahren einen Glutteppich von 111 Metern unversehrt überwanden. Dieser Weltrekord soll am 13. März 2003 in La Balmondière, in der Nähe von Mâcon (Frankreich), auf 222 Meter verbessert worden sein. Die 16 Teilnehmer sollen keine größere Blessuren davongetragen haben. Auch dieser Weltrekord wurde am 22. März 2003 in St. Lorenzen / Wechsel auf 250 Meter (Österreich) verbessert.

Schon 1989 lief der Karatelehrer Antoine Bagady über ein 60 Meter langes Bett aus glühenden Kohlen, ohne sich Verbrennungen zuzuziehen.

Trotz dieser Rekorde empfehlen erfahrene Feuerläufer jedoch, nicht länger als sieben Sekunden auf dem Kohlenbett zu verbringen. Die Füße sollten hierfür gut durchblutet, also bereits vor dem Feuerlauf möglichst warm sein. Ob die Füße vor einem Feuerlauf trockengerieben werden sollen, ist umstritten.

Auf der Fidschi-Insel Mbenga leiten sogenannte Feuerpriester dieses Ritual, an dem teilzunehmen Auszeichnung und Bewährungsprobe für die Auserwählten ist [1]. Auch in Bereichen des orthodoxen Christentums, besonders auf dem südlichen Balkan: im Südostbulgarien und im Nordostgriechenland, ist das Feuerlaufritual seit alter Zeit bekannt. Heute wird es aber nur noch im Südosten Bulgariens in der Region Strandscha unter dem Namen Nestinarstwo vollzogen.

Inhaltsverzeichnis

Feuerlauf mit spiritueller Ausrichtung

Der Feuerlauf wird meist als Ritual durchgeführt und wird seit tausenden von Jahren von Naturvölkern und religiösen Gruppen auf allen Erdteilen praktiziert - regelmäßig mit Aussicht auf Heilung und spirituelles Wachstum. In den letzten Jahrzehnten ist Feuerlaufen in der westlichen Kultur vermehrt publik geworden und wird in der alternativ-therapeutischen Szene auch kommerziell vermarktet.

Psychologie des Feuerlaufs

Mystische Wundervorgänge als Basis des Feuerlaufs, sowie übernatürliche Heil(s)wirkungen daraus gelten heute als widerlegt. Ein Resumee von Forschern laut SPIEGEL: "Ein schadloses Überqueren der Holzkohlenglut" ...sei auch "ohne Vorbereitungszeremoniell, ohne jegliche psychophysische Ausnahmezustände, ohne Verknüpfung mit religiösen Glaubensinhalten" und "barfuß in normaler Alltagsverfassung möglich". Dennoch gibt es Berichte von Teilnehmern, nach denen sich Feuerläufer erheblich verbrannt haben und daraufhin stationär im Krankenhaus behandelt wurden.

Angst, Überwindung, Hineingehen

Rituelle Feuerläufer weisen gemäß wissenschaftlicher Untersuchungen regelmäßig eine besonders starke Affinität zu Angstthemen wie überdurchschnittliche Furchtsamkeit, Hysterie, leidvollen Krankheitserfahrungen, traumatischen und abergläubischen Rationalisierungsversuchen, Leichtgläubigkeit, Positivismus/Romantik, Beeindrucktsein (durch kleine und kleinste Entlastungserfahrungen) und dergleichen auf. Die Selektion rituell "zugelassener" Feuerläufer selbst scheint hauptsächlich über dieses zentrale Thema Angst zu erfolgen. Da die Angst vor dem Feuer aufgrund üblicherweise schmerzhafter Kontakterfahrung tief verwurzelt ist, kann die Überwindung dieser (hier physikalisch irrationalen) Angst einen gewissen psychisch befreienden Effekt für nervöse Personen haben und so in manchen Fällen eine allgemein bessere Angstbewältigung ermöglichen. Die Gefahr von Verbrennungen ist physikalisch vermindert, wenn die Füße während der Kontaktzeit breiten, möglichst gleichmäßig verteilten Kontakt zur Kohle haben. Die natürliche Reaktion auf die Glut ist aber ein Widerstreben, also eher ein Gehen auf spitzen Füßen. So hat man durch ein dosiertes, akzeptierendes "Hineingehen in das Leid" einen (für viele Lebenslagen typischen) Vorteil im Vergleich zu gewohnheitsmäßigen Vermeidungsreaktionen. Mit zunehmender Vertrautheit und "Baden in (dosierter) Gefahr" mag so die Bereitschaft zum Erleiden und Erleben gefördert werden.

Kult und Scheinwirklichkeiten

Regelmäßig führt der Kultaufbau um Phänomen und Ritual herum aber auch zum Aufbau von dauerhaften Ersatz- und Scheinwirklichkeiten mit falschen Selbsteinschätzungen (Grammer1981). Diese Scheinwirklichkeiten sind durch einen Mindestgrad an Rest-Irrationalität, d.h. letztlich durch unzureichendes Verstehen der Prozesse gestützt. Testpersonen in wissenschaftlichen, nichtkultischen Feuerlaufversuchen zeigten gewöhnliche Angst-, Spannungs-, Entspannungs- und Euphorie-Reaktionsmuster ohne pathologischen Rest - so wie es allgemein typisch ist für die Bewältigung von schwierigen Prüfungen.

Gruppenritual

Die gemeinsame Erfahrung des Feuerlaufs in rituellem Umfeld - oft zusätzlich befördert durch gruppenspezifische abergläubische Vorstellungen (z.B. "Der Hl. Konstantin, die Ikonen und heiligen Tücher schützen uns.") - können ein Zusammenschweißen der Gruppe bewirken, welche dann gegebenenfalls auch bei echten Problemen bereit ist, zusammen durch "dick und dünn" zu gehen.

Auswahl und Status

In der Regel werden Feuerlauf-Rituale durch Priester oder Zeremonienmeister (jüngst auch kommerziell) organisiert und geleitet, die dann nicht zuletzt durch Zugangsbeschränkungen zu dem "Wundereffekt" und durch Auswahl geeigneter oder gewünschter Personen ihre willkürliche Macht nachhaltiger verwurzeln können - oft "erblich" über Generationen hinweg. Die auserwählte Gruppe der Feuerläufer scheint trotz ihrer "mystischen" Fundierung ein ausgeprägtes, gar korruptionsbereites Bewusstsein für die Gefährdung ihres Status durch Enthüllung und Profanierung zu haben. Karl Grammer dokumentiert z.B. einen Zwischenfall bei einem Anastenaridenfeuerlauf in Griechenland, bei dem plötzlich ein gewöhnlicher Zuschauer (unbeschadet) mit aufs Feuer lief, worauf einer der Feuerläufer diesen durch längeres Festhalten und dann durch "freundliches" Reichen von glühender Kohle in die Hände und Zusammenpressen derselben zu verletzen versuchte (was weitgehend misslang). Es werden regelmäßig abschreckende Gerüchte verbreitet - etwa, dass Nichtinitierten nach einem Feuerlauf schwere Krankheiten und ein baldiger Tod drohe.

Physikalische Erklärungsansätze des Feuerlaufens

Bei Motivations- und Selbsterfahrungslehrgängen wird oft behauptet, es gebe keine wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen, bzw. Feuerlaufen sei nur möglich, wenn man sich in einem bestimmten Zustand befinde (Meditation, Trance). Es wird gelegentlich suggeriert, dass die Macht der Gedanken menschliches Gewebe resistent gegen Hitze mache, so dass es nicht verbrennen könne. Tatsächlich spielen physikalische ebenso wie psychologische Faktoren eine Rolle. Ob sich Verbrennungen zwischen 1. und 3. Grades einstellen, hängt auch wesentlich von den technischen Gegebenheiten ab, z.B. Art und Beschaffenheit des Holzes, Beschaffenheit des Untergrundes und Menge der Glut bzw. Dicke der Glutschicht. Tatsächlich lässt sich der Glutteppich bei Feuerläufen in verschiedenen, sehr unterschiedlichen Arten herstellen, wobei Temperatur und abgestrahlte Wärmemenge, und damit das Risiko von Verbrennungen sehr variieren können.

Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit

Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit sind die beiden wichtigsten Faktoren, die ein Feuerlaufen ohne Verbrennungen ermöglichen. Holz und Kohle sind schlechte Wärmeleiter und haben eine geringe Wärmekapazität, ebenso die Asche, die die Glut umgibt. (Kohlenstoff, der Hauptbestandteil von Kohle, hat eine Wärmekapazität von 710 J/kg K, aber aufgrund von Verunreinigungen schwankt der Wert für Kohle je nach Sorte). Deshalb kann Kohle Gegenstände, die sie berühren, nur langsam erhitzen, insbesondere Gegenstände aus Material mit hoher Wärmekapazität und niedriger Wärmeleitfähigkeit wie etwa Wasser, dem Hauptbestandteil des menschlichen Körpers (4286 J/kg K).

Kontaktzeit und Gewichtsverteilung

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Kontaktzeit von Füßen und Glut: idealerweise geht der Feuerläufer zügig über die Glut, so dass die Füße bei jedem Schritt den heißen Boden nur kurz (weniger als eine halbe Sekunde) berühren. So wie zu langsames Gehen die Gefahr von Verbrennungen erhöht, sollte man andererseits aber auch unter keinen Umständen laufen oder gar rennen. Hierdurch würde das Körpergewicht zwangsläufig auf die Zehenspitzen und Fußballen verlagert werden, was zur Folge hätte, dass bei gleicher Masse (des Körpers) eine kleinere Fläche des Fußes mit den glühenden Kohlen in (intensiveren) Kontakt käme. Zudem ist in der Regel die Haut an und zwischen den Zehen aufgrund der geringeren Verhornung deutlich empfindlicher.

Isolation und Wärmeabfuhr

Manche behaupten, dass die isolierende Hornhaut ein durchaus nützlicher Faktor sei, wenn auch kein zwingend notwendiger, um das Feuerlaufen unversehrt zu überstehen. Der Feuerläufer bewegt sich wie oben beschrieben zwar relativ schnell, seine Füße berühren die Kohlen bei jedem Schritt nur für kurze Zeit, wobei sich die dicke Hornhaut nur auf maximal 100 °C erwärmt. Die Wärme wird vom Blut schnell abtransportiert, deshalb nehmen die Füße keinen Schaden. Die Erfahrung vieler Feuerlaufveranstalter zeigt, dass auch Kinder im Alter von sechs Jahren, die noch keine Hornhaut an den Füßen haben, ebenso unbeschadet über glühende Kohlen gehen können.

Lokales Löschen des Feuers durch Sauerstoffentzug

Wegen des Blockierens der Sauerstoffzufuhr durch den Fuß wird die Verbrennung kurzfristig unterbrochen, so dass momentan keine neue Hitze mehr entsteht. Durch den Wärmeaustausch der Glut mit dem Fuß fällt außerdem die Temperatur der Kohle unter den Flammpunkt, so dass die Verbrennung auch nach Ende des Kontaktes nicht sofort wieder einsetzt. Das bewirkt, dass der Feuerläufer "kalte Fußspuren" hinterlässt. Während eines Feuerlaufrituals, bei dem im Kreise über den Glutteppich getanzt wird, wird die Glut auch mit der Zeit ausgetreten, sodass Feuerläufer üblicherweise am Anfang schnell darüber tanzen und dann bei niedrigerer Temperatur immer längere Kontaktzeiten haben.

Leidenfrost-Effekt

Der sogenannte Leidenfrost-Effekt, also die Bildung eines schützenden Dampfpolsters zwischen Glut und Haut, spielt beim Feuerlaufen, entgegen landläufiger Auffassung, höchstens eine untergeordnete Rolle. Ein Leidenfrost-Effekt aus Fußschweiß reicht bei weitem nicht aus, um das Körpergewicht eines Menschen zu tragen.

Gefahr durch Verbrennungen

Beim Feuerlauf kann es zu schweren Verbrennungen bis 3. Grades und großen, sehr schmerzhaften Brandblasen kommen. Es treten Effekte auf, die sich, zumindest unter den üblichen praktizierten Bedingungen, nicht immer kontrollieren lassen.

Literatur

Weblinks


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