Feuernacht

Feuernacht

Als Feuernacht wird die Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1961 bezeichnet, in der in Südtirol 37 Strommasten gesprengt wurden. Die Feuernacht bildete den Höhepunkt der Anschläge des Befreiungsausschuss Südtirols.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde im Pariser Abkommen die Wiedereinführung des deutschen Schulunterrichtes, die Gleichstellung der italienischen und deutschen Sprache, der Wiedererwerb der deutschen Vor- und Familiennamen und die Gleichberechtigung bei der Stellenvergabe öffentlicher Ämter festgelegt. Die Beschlüsse des Pariser Abkommens fanden Eingang in das erste Autonomiestatut 1948, jedoch war die deutsche Sprache weiterhin der italienischen untergeordnet bzw. wurden bei der Vergabe öffentlicher Stellen italienische Bewerber bevorzugt. Ab 1956 schließlich bildeten sich kleinere Gruppierungen, die ihre Forderungen auch mit Gewalt durchzusetzen versuchten. Der Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) unter der Leitung von Sepp Kerschbaumer verübte erstmals im Jahre 1956 Anschläge (auf die Otto-Huber-Kaserne in Bozen und die Bahnoberleitung in Siebeneich). Bei weiteren Anschlägen 1957 wurden 17 Südtiroler festgenommen und nach zehn Wochen Haft wieder entlassen. Schon bald wurde ihnen finanzielle und organisatorische Unterstützung von Österreichern zugesichert.

Ablauf

In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1961 kam es zur demonstrativen Sprengung von Strommasten, die der BAS als faschistische Symbole betrachtete, wie etwa auch den „Aluminium-Duce“ in Waidbruck[1]. Den Höhepunkt erreichten die Anschläge in der Herz-Jesu-Nacht, in der alljährlich mit Bergfeuern und Prozessionen die christlichen Traditionen und das Gelöbnis der Tiroler Landstände von 1796, das Herz-Jesu-Fest feierlich zu begehen, gefeiert wird (vgl. Andreas Hofer und Herz-Jesu-Verehrung). In dieser Nacht vom 11. auf den 12. Juni wurden 37 Hochspannungsmasten gesprengt (19 im Raum Bozen). Große Elektrozentralen und Elektrowerke wurden lahmgelegt, die Stromlieferung zu den oberitalienischen Industrien und zur Bozner Industriezone wurde unterbrochen.

Obwohl sich die Anschläge nicht gegen Menschen richten sollten, wurde der Straßenarbeiter Giovanni Postal getötet, als er eine nicht explodierte Bombe fand.[2]

Ziele

Ziel der Attentäter war es, die Welt auf das „Südtirolproblem“ aufmerksam zu machen. Durch die Sprengung der Strommasten sollte die Energieversorgung der Bozner Industriezone, einem Synonym für die versuchte Italianisierung während des Faschismus, lahmgelegt werden. Dieses Ziel wurde zwar in der Feuernacht verfehlt, die erhoffte Aufmerksamkeit erhielt die Aktion aber trotzdem. Als unmittelbare Reaktion verstärkte der italienische Staat seine Polizei- und Militärpräsenz in Südtirol massiv. Einen Monat später wurden in der sogenannten „kleinen Feuernacht“ wiederum Stromleitungen gekappt, so dass Teile der norditalienischen Industriegebiete von der Energieversorgung abgeschnitten wurden und Züge auf internationalen Verbindungsrouten stehenblieben. Italien sollte dadurch unter Druck gesetzt werden.

Wirkung

Die UNO befasste sich noch im selben Jahr erneut mit Südtirol, diesmal aber unter den Augen der internationalen Öffentlichkeit. Kurz darauf einigte sich die Südtiroler Volkspartei (SVP) mit der italienischen Regierung auf die Einsetzung der Neunzehnerkommission, unter deren Federführung ein Autonomiestatut ausgearbeitet wurde, dessen schrittweise Einführung zehn Jahre später als Südtirol-Paket begann.

Nach der Feuernacht gab es viele Verhaftungen, es wurde sehr rigoros, nach Aussage der Verhafteten auch mit Folter, gegen Verdächtige vorgegangen. Vor Gericht wurden die Angeklagten beschuldigt, sich die Wunden selbst zugefügt zu haben. In Untersuchungshaft verstarb unter bis heute ungeklärten Umständen der erst 28-jährige Franz Höfler. Anderen, wie etwa Sepp Innerhofer, wurde verboten, über ihre Haftzeit zu sprechen.

Heute ist die Meinung der Südtiroler Bevölkerung zu den damaligen Geschehnissen gespalten, und nur selten wird das Thema öffentlich debattiert. An den Schulen wird seit einigen Jahren intensiver darüber unterrichtet und Beteiligte sprechen und berichten an Schulen und anderen Institutionen von ihrer Zeit im Gefängnis und von den Ereignissen in den 1960er und 1970er Jahren.

Einzelnachweise

  1. Bild des „Aluminium-Duce“ (1961 vom BAS zerstört) in der italienischsprachigen Wikipedia
  2. Rolf Steininger: Die Feuernacht und was dann, Bozen 2011

Literatur

  • Elisabeth Baumgartner (Hrsg.): Feuernacht. Südtirols Bombenjahre: ein zeitgeschichtliches Lesebuch. Edition Raetia, Bozen 1992, ISBN 88-7283-010-9.
  • Felix Mitterer: Verkaufte Heimat. Bombenjahre: 1959 bis 1969. Haymon-Verlag, Innsbruck 1994, ISBN 3-85218-163-1.
  • Manuel Fasser: Ein Tirol - zwei Welten. Das politische Erbe der Südtiroler Feuernacht von 1961. Studienverlag, Innsbruck 2009, ISBN 978-3-7065-4783-3.
  • Monika Erckert: Warum kam es zum Terrorismus in Südtirol? Diplomarbeit, Universität Wien 2000.
  • Rolf Steininger: Südtirol. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Studienverlag, Innsbruck 2003, ISBN 3-7065-1348-X.
  • Birgit Mosser-Schuöcker / Gerhard Jelinek: "Herz Jesu Feuer Nacht. Südtirol 1961. Die Anschläge. Die Folterungen. Die Prozesse. Die Rolle Österreichs". Tyrolia Verlag, Innsbruck 2011, ISBN 978-3-7022-3132-3

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