- Finalscratch
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Final Scratch ist ein System aus einem Laptop oder Computer, speziellen Schallplatten und einer dazwischen geschalteten Schnittstelle, das von DJs benutzt wird, um Musikdateien verschiedener Formate (zum Beispiel MP3 oder AIFF) unter Verwendung normaler Plattenspieler „aufzulegen“. Dabei wird die intuitive Handhabung der Plattenspieler mit der Kapazität von Computer-Festplatten kombiniert.
Inhaltsverzeichnis
Final Scratch Bestandteile
- Laptop oder anderer Computer
- die darauf installierte Software TraktorFS
- die Laptop-Schnittstelle ScratchAmp
- spezielle Schallplatten mit Steuersignal
- Typisches DJ-Setup (Plattenspieler, Mischpult)
Funktionsweise
Die speziellen Schallplatten sind mit einem Steuersignal (Timecode) bespielt. Sie werden wie gewohnt abgespielt, das Signal wird jedoch nicht ins Mischpult, sondern über den ScratchAmp in den Laptop weitergeleitet. Dort dekodiert TraktorFS das Signal in Echtzeit und errechnet Geschwindigkeit und Position des Tonabnehmers auf der Schallplatte. Der entsprechende Teil einer ausgewählten Musikdatei wird in der errechneten Geschwindigkeit wieder über den ScratchAmp an das Mischpult ausgegeben, wo der Song schließlich vom DJ gemixt werden kann. Die hohe Auflösung des Steuersignals ermöglicht eine praktisch vernachlässigbare Verzögerung zwischen Bewegungen der Schallplatte und der Ausgabe der Musik ans Mischpult. Da der ScratchAmp das Signal von der Schallplatte zusätzlich direkt in einen anderen Kanal des Mischpults durchschleift, können auch normale Schallplatten ohne Zutun der Software abgespielt werden, was zum Beispiel bei Laptop-Abstürzen nützlich ist. Voraussetzung ist allerdings, dass das ScratchAmp an die eigene optionale Stromversorgung angeschlossen ist.
Geschichte
Final Scratch war das erste System seiner Art. Es existierten zunächst einige Prototypen, die von versierten DJs und Hard-/Softwareentwicklern gebaut worden waren. Die ersten auf dem Markt erhältlichen Systeme kosteten mehrere tausend US-Dollar und wurden mit einem Laptop mit modifiziertem Betriebssystem geliefert (einige Quellen nennen Debian Linux, andere sprechen von BeOS). Richie Hawtin und John Acquaviva gehörten zu den ersten bekannten Benutzern. Das System wurde später von Stanton aufgekauft und die eigens entwickelte Software durch eine spezielle Version von Traktor ("TraktorFS") ersetzt, es war auch kein spezieller Computer mehr nötig. Verschiedene Versionsschritte (1.1, 1.5, 2.0) erweiterten das System um viele Features, verbesserten Stabilität und Qualität und machten Final Scratch auf Linux, Mac OS X und Windows XP verfügbar. Das aktuelle Nachfolgesystem bzw. Software ist Traktor Scratch Pro 1.1.1 von Native Instruments und seit Anfang 2007 auch als Universal Binary für Intel Macs erhältlich.
Vor- und Nachteile
- Im Gegensatz zu regulären CD-Spielern oder MP3-Spieler-Software kann die Musik so gemixt und bearbeitet werden, als wäre sie tatsächlich auf der Schallplatte vorhanden. Das ermöglicht einerseits die intuitive Bedienung durch an Platten gewöhnte DJs und macht andererseits das feinfühlige und beschränkende Bedienen von Computermäusen überflüssig (zwei Hände statt einem Cursor). Es ermöglicht insbesondere Scratchen und Pitchen, es können aber praktisch alle Tricks des Turntablism ausgeführt werden. Lediglich sehr schnelle Bewegungen und Missbrauch des Tonabnehmers quittiert Final Scratch mit Stille.
- Leichterer und angenehmerer Transport: Eine Plattentasche mit 100 Platten wiegt ungefähr 25 kg, Final Scratch mit Laptop und den speziellen Platten kommt auf einige wenige Kilogramm und ist in der Kapazität nur durch die Festplatte des Laptop beschränkt. Eine aktuelle Computer-Festplatte fasst einige zehntausend Musiktitel.
- Kein mühsames Zusammenstellen von Live-Sets, da immer die gesamte Musikbibliothek mitgenommen werden kann. Sehr vorteilhaft bei Auftritten, bei denen der Publikumsgeschmack unklar ist.
- Auch Musik, die nicht auf Schallplatte erhältlich ist, kann aufgelegt werden. Dies ist besonders für DJs interessant, die selbst Musik produzieren und diese auflegen möchten. Seit einiger Zeit erfreut sich auch Musik von Netlabels wachsender Beliebtheit unter DJs. Früher mussten für das Spielen solcher Musik teure sogenannte Dubplates geschnitten werden.
- Als Nachteil empfinden manche DJs, dass das gewohnte Ordnungssystem im Plattenkoffer und die "visuelle Suche" (das schnelle Finden von Platten anhand ihres Covers / Labels, vor allem in dunklen Clubs und unter Zeitdruck) verloren geht. Final Scratch bietet dafür eine Textsuche in den ID3-Tags der MP3-Dateien und das Anlegen von beliebig vielen virtuellen Plattenkoffern, wobei ein Titel auch in mehreren Koffern vorhanden sein kann.
- Es besteht – im Gegensatz zu Plattenspielern – bei Rechnern die Gefahr von Abstürzen und sonstigen Störungen des Systems, die zur sofortigen Stille der PA führen. Laptops sind der Hitze, Luftfeuchtigkeit und der rauhen Umgebung in Clubs tendenziell weniger gewachsen als speziell für den Clubeinsatz entworfene Plattenspieler und Mischpulte; Programme und Betriebssysteme können abstürzen. Nach der Beseitigung anfänglicher Kinderkrankheiten haben sich Final Scratch und vergleichbare Systeme (siehe unten) jedoch als recht zuverlässig erwiesen, sodass zumindest die Gefahr eines Programmabsturzes als klein angesehen werden kann.
Alternativen
Verschiedene Hersteller von DJ-Equipment entwickeln auch DJ-CD-Spieler immer weiter. Aktuelle Spieler, zum Beispiel von Technics, Pioneer oder Denon können ebenfalls pitchen, ermöglichen durch aufgebaute Plattenteller-Imitate und technische Finessen im Innenleben Scratching, können CDs mit MP3-Dateien verarbeiten und sind üblicherweise mit einer Fülle an zusätzlichen Features ausgestattet. Solche Player sind jedoch etwa doppelt so teuer wie ein DJ-Plattenspieler.
Schließlich existiert eine Fülle von MP3-DJ-Software, die das Mixen von MP3-Dateien am Rechner erlaubt. Beispielsweise können Visiosonics PCDJ und ALCATechs BPM Studio über eine Hardware-Schnittstelle bedient werden, das einem DJ-Doppel-CD-Player nachempfunden ist. Die DJ Software DigiScratch zeigt auch die Cover der Songs an, so dass ein "Auflegen wie gewohnt" möglich ist.
Der jedoch größte Konkurrent ist Serato Scratch Live . Es funktioniert ähnlich wie FinalScratch, ist jedoch von der Stabilität und Schnelligkeit unübertroffen. Daher ist es, auch wenn es noch nicht mit solch vielen Features wie FinalScratch2 aufwarten kann, für HipHop-DJs oft erste Wahl. Auch DJs der Elektronischen Musik benutzen „Serato Scratch Live“ immer öfter.
Der Audio-Hardware- und Softwarehersteller M-Audio hat ebenfalls ein ähnliches System auf den Markt gebracht. Wie Final Scratch besteht es aus einem Software- und Hardware-Teil ("Torq" bzw "Connectiv"). Die Steuerung erfolgt wahlweise durch Timecode-Vinylplatten oder Timecode-CDs. Das besondere an Torq ist, dass es das Einbinden von VST Plugins erlaubt und mittels Rewire mit anderen Audio-Programmen kommunizieren kann.
Ein belgischer Programmierer namens „Adion“ hat sich zum Ziel gesetzt eine kostengünstige Alternative zu entwickeln. Dieses System mit dem Namen djDecks verwendet keine eigenen Timecodeplatten, sondern kann mit fast allen Platten der großen Konkurrenten angesteuert werden. Dabei bietet es das beste Preis/Leistungsverhältnis und steht beim Funktionsumfang den anderen Programmen mittlerweile in nichts mehr nach. Support und Verkauf der Lizenz erfolgen jedoch nur online über die Herstellerwebseite und man muss die passende Hardware separat anschaffen.
Deckadance beschreitet einen ähnlichen Weg wie djDecks, indem es unterschiedliche Timecode-System unterstützt. Quad ist eine komplette Software-Lösung, die das Mixen und Scratchen von bis zu 4 MP3's erlaubt, gesteuert durch bis zu 4 Plattenspieler. Quad läuft mit allen ASIO-Soundkarten und wird geliefert mit 4 speziell gefertigten Vinyls, deren Timecode ein analog-getreues Scratchen erlaubt.
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