Finanzmathematik

Finanzmathematik

Die Finanzmathematik ist eine Disziplin der angewandten Mathematik, die sich mit Themen aus dem Bereich von Finanzdienstleistern, wie etwa Banken oder Versicherungen, beschäftigt. Im engeren Sinne wird mit Finanzmathematik meist die bekannteste Unterdisziplin, die Bewertungstheorie, bezeichnet, d. h. die Ermittlung theoretischer Barwerte von Finanzprodukten. Sowohl von der Art der betrachteten Geschäfte als auch der methodischen Grundlagen ist die Finanzmathematik von der Versicherungsmathematik zu unterscheiden. Letztere befasst sich mit der Bewertung von Versicherungsdienstleistungen.

Inhaltsverzeichnis

Mathematische Grundlagen

Die Mathematikerin Claudia Klüppelberg (TU München) über mangelndes Verständnis von Finanzmathematik im höheren Bankenmanagement in der Finanzkrise (Interview Juni 2010)

Methodisch fußt die Finanzmathematik auf der Stochastik, der Theorie stochastischer Prozesse und bezüglich der (risikoneutralen) Bewertung von Finanzderivaten auf der Theorie der Martingale.

Ein wichtiges Axiom der Finanzmathematik ist das der Arbitragefreiheit, also des Fehlens jeder Möglichkeit zur Arbitrage. Als Folge der Arbitragefreiheit wird der theoretische Barwert eines Finanzgeschäftes derart ermittelt, dass jede sich selbst finanzierende Strategie, die die Zahlungsströme des Finanzgeschäftes exakt repliziert, eine Anfangsinvestition in Höhe des Barwerts erfordert.

Geschichte

Als Geburtsstunde der modernen Finanzmathematik gilt heute das Jahr 1900, in dem der Franzose Louis Bachelier seine Dissertation Théorie de la spéculation veröffentlichte. Allerdings erlangte sie zu dieser Zeit wenig Anerkennung und fand erst mehr als 50 Jahre später Verbreitung, nachdem sie ins Englische übersetzt worden war. Viele der heute üblichen Techniken wurden hier zum ersten Mal beschrieben, und zu Ehren Bacheliers trägt die internationale finanzmathematische Gesellschaft heute den Namen Bachelier Society.

Das bekannteste Ergebnis der Finanzmathematik ist das Anfang der 1970er Jahre aufgestellte Black-Scholes-Modell. Es entwickelte sich sehr schnell zum Standardmodell für die Bewertung von Optionen auf Aktien und wurde später unter dem Namen Black'76 auf weitere Klassen von Grundgeschäften erweitert. Das Modell geht davon aus, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Aktien für einen Zeitpunkt in der Zukunft einer logarithmischen Normalverteilung entspricht und legt den Schwankungen des Aktienkurses einen Wiener-Prozess zugrunde.

Bis heute hat sich das Gebiet der Finanzmathematik stark ausgeweitet. Dies betrifft sowohl die Zahl der Assetklassen (also der Art der Grundgeschäfte) als auch die Zahl der Modelle. Zu den behandelten Assetklassen gehören Aktien, Wechselkurse, Zinsen, Kreditausfallrisiken (die je nach Modell anders modelliert werden), aber auch Preise von Rohwaren (z. B. Erdöl, Getreide, Kaffee, Zucker), Strom oder wetterabhängige Kenngrößen (z. B. Anzahl der Sonnenstunden über einen gewissen Zeitraum an einer bestimmten Wetterstation). Auch Kombinationen verschiedener Assetklassen (hybride Produkte) und Portfolien von Assets werden behandelt. Zu den wichtigsten Modellen gehören Sprungprozesse (Jump Diffusion), stochastische Volatilität und Local Vola Modelle sowie die Gruppe der Zinsstrukturmodelle.

Siehe auch: Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung

Bewertung von Finanzderivaten

Ziel der Bewertungstheorie ist es, den Barwert eines Finanzprodukts zu ermitteln.

Derivative Finanzprodukte sind solche, deren Zahlungen von anderen Finanzprodukten, den Basiswerten (Underlyings), abhängen. Beispiele für nicht-derivative Finanzprodukte sind gehandelte Aktien und Anleihen. Beispiele für derivative Finanzprodukte sind Terminkontrakte und Optionen. Der Preis eines Finanzproduktes, welches in ausreichender Stückzahl (d. h. mit hinreichender Liquidität) gehandelt wird, bestimmt sich gewöhnlich über Angebot und Nachfrage. Wird ein Finanzprodukt nicht oder mit unzureichender Liquidität gehandelt und ist dieses Finanzprodukt ein derivatives Finanzprodukt, dessen Grundprodukte gehandelt werden, so ist die Bestimmung eines „fairen Wertes“ und damit eine Preisfindung mit finanzmathematischen Methoden möglich. Dabei kommt das Grundprinzip der Replikation zum Einsatz, welches ein mathematisches Modell der (gehandelten) Basiswerte benötigt.

Die derivativen Finanzprodukte werden nach Art der Optionalität und Basiswert unterschieden. Letztere werden historisch in die Assetklassen Aktie (Equity), Zins (Interest Rate), Wechselkurs (Foreign Exchange, kurz FX) und Bonität (Credit) unterteilt. Entsprechend existiert für die jeweilige Assetklasse eine umfangreiche Modellierungstheorie (z. B. Aktienmodelle und Zinsstrukturmodelle).

Siehe auch

Literatur

Weblinks


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