Flugtagunglück von Frankfurt

Flugtagunglück von Frankfurt
Ein weißes, hölzernes Kreuz erinnert an den Starfighter-Absturz. Teile der Maschine trafen den Kombi der Familie auf der Schnellstraße direkt neben dem Kreuz

Das Flugtagunglück von Frankfurt ereignete sich am 22. Mai 1983, einem Pfingstsonntag, als im Rahmen einer Flugvorführung auf der Rhein-Main Air Base ein Düsenjäger auf eine nahe gelegene Schnellstraße stürzte. Dabei kamen sechs Menschen ums Leben.

Inhaltsverzeichnis

Ablauf der Ereignisse

Im Rahmen eines Tages der offenen Tür präsentierten sich die amerikanischen Streitkräfte auf dem militärischen Teil des Frankfurter Flughafens. Bestandteil dieser Präsentation war eine Vorführung der kanadischen Flugstaffel „Tigers“, die eigens dazu vom kanadischen Luftwaffenstützpunkt Baden-Söllingen eingeflogen war. Als die fünf Düsenjäger vom Typ F-104 Starfighter militärische Routineformationen am Himmel zeigten, brach eine Maschine aus der Formation aus. Der Jet flog mehrere Kilometer Richtung Nordosten, bevor er schließlich fast senkrecht in Höhe des Waldstadions auf die Bundesstraße 44 stürzte. Der Pilot konnte sich mit dem Schleudersitz retten. Brennende Wrackteile trafen jedoch den Wagen der Pfarrersfamilie Jürges, die auf dem Weg zu einem Pfingstausflug war. Der in Frankfurt bekannte „Friedenspfarrer“ Martin Jürges (40), seine Frau Irmtrud (38), seine Mutter Erna (77) und seine beiden Kinder Jan (11) und Katharina (1) starben noch an der Unfallstelle. Jürges' 19-jährige Nichte Gesine Wagner konnte sich aus dem Fahrzeug retten, wurde dabei aber von der Feuerwalze des explodierenden Jets erfasst und so schwer verbrannt, dass sie 81 Tage nach dem Unglück, am 11. August, im Krankenhaus starb.[1]

Ursachen

Aufgrund des NATO-Truppenstatuts wurde der Unfall vom kanadischen Verteidigungsministerium untersucht. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt leitete, den Vorschriften entsprechend, ebenso ein Todesermittlungsverfahren ein. Dies beruhte aber im Wesentlichen auf den Ergebnissen der kanadischen Untersuchung. Dieses Untersuchungsergebnis wurde der Frankfurter Behörde offiziell nur in Form einer Presseerklärung zugestellt. Sie hielt vage fest, dass „weder technisches noch menschliches Versagen“ als Ursache für den Absturz ausgeschlossen werden könne. Eine Recherche des Hessischen Rundfunks ergab allerdings im Jahr 2003, dass der zuständige Oberstaatsanwalt auch die Vernehmungsprotokolle des Piloten erhalten hatte. Er hielt sich jedoch an die Bedingung der kanadischen Behörden, die Protokolle nicht in seiner Untersuchung zu verwenden.[2] Ein im Rahmen der Reportage konsultierter Sachverständiger für Flugunfalluntersuchung kommt anhand des vorliegenden Videomaterials zu dem Ergebnis, dass der Unfall auf menschliches Versagen zurückzuführen ist.

Der zum Zeitpunkt des Unglücks 27-jährige Pilot der Unglücksmaschine, Alan Stephenson, wurde unmittelbar nach dem Unfall im Frankfurter Militärhospital psychologisch betreut und ca. zwei Wochen später nach Kanada ausgeflogen. Er hat sich nie öffentlich zu dem Absturz geäußert. Stephenson kehrte wenige Jahre später als Pilot nach Deutschland zurück und war u.a. auf der Ramstein Air Base stationiert.

Folgen des Unglücks

Familie-Juerges-Platz.jpg
Gedenktafel-Juerges.jpg

Das Flugtagunglück erfuhr zusätzliche Aufmerksamkeit dadurch, dass durch den Absturz eine Familie ausgewiesener Rüstungsgegner ums Leben kam. Martin Jürges war vor allem in seiner Zeit als Stadtjugendpfarrer friedenspolitisch aktiv gewesen. Zudem war er in seinem Pfarrbezirk, dem Frankfurter Gutleutviertel äußerst sozial engagiert und dementsprechend beliebt. Bereits am Tag nach dem Unglück gingen tausende Demonstranten in Frankfurt auf die Straße, um gegen das Wettrüsten und die Zurschaustellung militärischer Macht zu demonstrieren. Dekan Herrmann Strohmeier sagte im Rahmen des Gedenkgottesdienstes am Pfingstmontag, Jürges sei „mitten im sogenannten Frieden ein Opfer jener Waffen geworden, vor denen er ein Leben lang gewarnt“ habe.[1]

Da schnell klar wurde, dass die Stadt durch den Absturz nur knapp einer Katastrophe entgangen war (neben den rund 400.000 Besuchern der Flugschau feierten nur wenige hundert Meter von der Absturzstelle entfernt tausende Besucher den traditionellen Frankfurter Wäldchestag und auf Tennisplätzen unmittelbar neben der Straße fand ein gut besuchtes Pfingstturnier statt), untersagte der Bundesverteidigungsminister in Folge des Unglücks zunächst generell militärische Flugvorführungen über Ballungsgebieten, für Strahlflugzeuge blieb das Verbot auf Dauer bestehen.[3] Dies konnte jedoch das Flugtagunglück von Ramstein 5 Jahre später nicht verhindern.[4]

Am Absturzort erinnert heute ein großes Kreuz an das Unglück. Es trägt die Namen der Opfer sowie die Inschrift „Rüstung tötet auch ohne Krieg“. Im Rahmen der Umgestaltung des Areals für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurde das erste, dunkelbraun lackierte Kreuz demontiert und durch ein weißes Modell ersetzt, das nun etwas weiter abseits der Straße steht. Das ursprüngliche Kreuz befindet sich heute in Jürges' ehemaliger Gemeinde, der Evangelischen Hoffnungsgemeinde.

Im Gutleutviertel ist heute der Familie-Jürges-Platz an der Südseite des Frankfurter Hauptbahnhofs nach der verunglückten Pfarrersfamilie benannt.

Einzelnachweise

  1. a b Dieter Schneberger: Tod einer Familie - Starfighter-Absturz vor 25 Jahren löschte eine Frankfurter Pfarrersfamilie aus. epd, 15. Mai 2008
  2. Ulrike Bremer: Die tödliche Flugschau von Frankfurt., Video, 44:09 Minuten, Reportage des hr-fernsehen vom 21. Mai 2003.
  3. 11. Deutscher Bundestag: Bericht des Untersuchungsausschusses zu den Flugtagen in Ramstein und Nörvenich am 28. August 1988 (Drucksache 11/5354 vom 9. Oktober 1989), S. 111 f.
  4. Tödliches Ende einer Flugschau Webreportage des Hessischen Rundfunks vom 23. Mai 2008

Weblinks


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